
Autor: Rüdiger OberschürAntwerpen hat bekanntlich schon viele Modewunder hervorgebracht. LES HOMMES war eines davon. Gestartet als Teil einer neuen belgischen Avantgarde, hat sich das Label seit der Gründung Anfang der 2000er einen distinkt maskulinen Platz in der europäischen Luxusmode erarbeitet. Die Gründer Tom Notte und Bart Vandebosch, beide Absolventen der renommierten Royal Academy of Fine Arts in Antwerpen, haben dabei ein Label geformt, das die Grenzlinie zwischen Tailoring und Subkultur, zwischen strukturierter Strenge und urbaner Provokation immer wieder neu definieren konnte. Der Erfolg wurde fast zum selbstverständlichen Wegbegleiter. Karl Lagerfeld erkor sie regelrecht zu seinen Protegés und ließ das deutsche Publikum 2009 sogar in der Talkshow von Johannes B. Kerner wissen, es gäbe da derzeit zwei Belgier, die machten „ganz tolle Sachen“. Nun hat die Marke auf der Pitti Uomo ihre White-Label-Linie vorgestellt.
Während viele ihrer Zeitgenossen – von Raf Simons bis Haider Ackermann – mit Dekonstruktion oder intellektuellem Minimalismus arbeiteten, setzten Tom Notte und Bart Vandebosch auf ein kraftvoll grafisches Vokabular: skulpturale Silhouetten, strukturierte Outerwear, schmale Hosen, monochrome Farbpaletten und ein subtiler Verweis auf Jugend- und Musikkultur. Der Ansatz war präzise, oft fast mathematisch. Doch unter der Oberfläche vibrierte eine emotionale Spannung. Die Kollektionen sprachen einen urbanen Mann an, der sich zwischen Couture und Clubkultur, zwischen Straße und Studio bewegte – und sich in beidem zu Hause fühlte. Bereits 2007 präsentierte das Label nach mehreren Saisons in Paris erstmals in Mailand. Der Ortswechsel markierte einen strategischen Wandel: LES HOMMES verlagerte seinen Fokus auf die internationale Männermodeplattform und etablierte sich dort als regelmäßiger Player. In den 2010er-Jahren folgten mehrere Wachstumsprojekte: die Street-Couture-Linie „Les Hommes Urban“, Accessoire-Kollektionen, Retail-Flächen in Europa, dem Nahen Osten und Asien. Dabei blieb die Handschrift konstant: technische Materialien, dynamische Schnitte, eine gewisse visuelle Schärfe, die vor allem jüngere Kunden ansprach, ohne das Luxussegment zu verlassen. Das Label war dabei nie laut – aber deutlich und klar in der modischen Aussage.
Leiser Abschied – RM übernimmt
2022 kündigten Tom Notte und Bart Vandebosch ihren Ausstieg aus dem kreativen Prozess an. Grund waren auch wirtschaftliche Probleme, die der 2011 eingestiegene Investment Fonds palmyra brands mit Sitz im belgischen Wommelgem nicht länger bereit war mitzutragen. Die Entscheidung wurde kaum öffentlich kommentiert. In Branchenkreisen galt sie hingegen als konsequente Antwort auf einen sich rasant verändernden Modemarkt: steigender Produktionsdruck, eine neue Erwartungshaltung an Markenführung und der postpandemische Shift im Konsumverhalten. Internationale Verkäufe liefen solide, doch in einem zunehmend digitalisierten, logogetriebenen Markt rückte die streng visuelle, architektonische Handschrift der Belgier in eine Nische. Schon vor 2022 war es etwas ruhiger um das Label geworden – und das Designerduo entschied, das Kapitel abzuschließen, bevor man in die komplette Stagnation geraten würde.
Commercial Director übernimmt kreative Leitung
So weit sollte es allerdings nicht kommen. Ein kleines Team von Mailänder Mitarbeitern um den langjährigen Commercial Director Michelangelo Imperiale erkannte das Potenzial und wollte mit der Luxusmarke, die mittlerweile nur noch auf die Black-Label-Linie fokussiert war, weitermachen. Es galt, LES HOMMES wiederzubeleben und gleichzeitig vorsichtig weiterzuentwickeln. Dazu schlugen Imperiale und seine Leute den Gründern Notte und Vandebosch sowie den belgischen Kapitalgebern von Palmyra Brands NV 2023 zunächst eine Lizenzpartnerschaft für eine preisgünstigere, sportivere Linie vor: LES HOMMES White Label war geboren.
Black …
Der Start 2024 verlief mehr als positiv. „Wir konnten auch viele der bestehenden Retail-Partner überzeugen. Sie sahen, dass es gut lief. Deren Kunden kauften sich dazu Teile aus beiden Teilen, ein Sakko aus der Black-Label-Kollektion für eine Party am Abend und dazu noch eine Bomberjacke für den Tag“, berichtet Imperiale gegenüber FASHION TODAY. Das ermutigte ihn und sein Team, ein komplettes Übernahmeangebot zu machen. Dazu kam es schließlich. Mit Unterstützung des Modeunternehmens Rosso Modigliani (RM) im Rücken, unter anderem Lizenznehmer von TRUSSARDI, kaufte man alle Marken-, Vertriebs- und Produktionsrechte, um in beiden Bereichen – Contemporary Urban Wear und High Fashion – mit LES HOMMES neu durchzustarten.
Der Transfer erfolgte schließlich Anfang 2025. Michelangelo Imperiale ist auf den Posten des Creative Directors gerückt. Direttore Commerciale ist Erasmo Buglione. Den Vertrieb für Deutschland und Österreich hat Damir Prins-Jurič mit seiner Berliner Sales-Agentur und Showrooms in Düsseldorf, Hamburg und München übernommen. Gerade zurück von der Pitti Uomo, berichtet der Agenturchef, wie gut die White-Label-Linie beim Handel ankomme und starke Abverkäufe erziele. Die Logo-Shirts, Hoodies, Hemden und ausgewählte Statement Pieces kommen bei der männlichen Zielgruppe zwischen 20 und 45 offenbar ziemlich gut an. Preislich rangieren die T-Shirts im VK ab 155 Euro, Shorts und Jeans ab 165 Euro, klassische Hemden starten bei 230, Hoodies liegen bei 180 Euro.
Prins-Jurič visiert 100 PoS für Deutschland und Österreich an
Die Zielgruppe sei ein männlicher Kunde, der es schon edel haben wolle, aber eben auch etwas sportiver, sagt Prins-Jurič gegenüber FASHION TODAY. Die Handschrift von LES HOMMES sei beim White Label immer noch deutlich sichtbar. Ihm sei es bei der Distribution vor allem darum gegangen, mit der Kollektion in den richtigen, statt in vielen Läden zu liegen – neben Brands wie DRYKORN, KARL LAGERFELD und HUGO. Aktuell beliefert er 40 PoS im deutschsprachigen Raum. Mittelfristig sollen es 100 werden. Aufgrund der Reaktionen am Stand auf der Pitti Uomo in der Superstyling Section sei das realistisch. Deutsche Einkäufer von breuninger bis P&C hätten die Kollektion gesichtet. Prins-Jurič sieht enormes Potenzial für die Linie. Marketing und Produktion durch die neuen Inhaber bewegten sich auf Topniveau.
… White
Creative Director Michelangelo Imperiale blickt ebenso zuversichtlich in die kommenden Saisons. Auch für die preisintensivere Black-Label-Linie. Dabei weiß er genau, welchen Herausforderungen auf Designebene er gegenübersteht: „Wenn man als Kreativdirektor eine Kollektion für eine bestehende Marke entwirft, muss man die DNA der Marke respektieren. Ich kann kein völlig anderes LES HOMMES entwerfen, sodass meine Kunden zu mir sagen, das sei nicht mehr die Marek und sehe aus wie BRUNELLO CUCINELLI. Wenn ich von einem Unternehmen komme, muss ich respektieren, dass das Unternehmen mit einer ganz bestimmten DNA geboren wurde.“
So ist auch in der Black-Label-Linie für 2026 viel vom Stil à la Notte und Vandebosch zu erkennen. Michelangelo Imperiale schafft es aber, dem Ganzen einen Mailänder Twist und viel urbane Inspiration zu geben. Die Kollektion für Frühjahr/Sommer 2026 trägt den rauschaft klingenden Titel „Delirium“. Edle Anzüge, Hemden und Hosen mit Metall- und Lederdetails treffen auf Tanktops in Netzoptik und luxuriöse Blousons. Auch einen Ausblick auf die geplante Schuhkollektion in Kooperation mit dem italienischen Avantgarde-Schuhmacher RODOLFO ZENGARINI gab es auf der Pitti Uomo zu sehen. Ebenso die neusten Sonnenbrillen, die mit Lizenzpartner KEY OPTICAL EUROPE auch weiterhin zum Sortiment gehören.