
Autor: Markus OessWie tickt der Modehandel in der Schweiz? Und wie unterscheidet er sich vom deutschen Markt? FASHION TODAY hat mit Mirko Torbrügge, Head of Sales & Marketing bei h + p hachmeister + partner, über aktuelle Herausforderungen, strukturelle Besonderheiten und das geplante Benchmark-Projekt für den Schweizer Handel gesprochen. Die Datenbasis stammt aus einem Panel mit über 900 Verkaufsstellen in der DACH-Region. In Zukunft soll es erstmals einen separaten Benchmark nur für die Schweiz geben – mit Fokus auf Performance, Pain Points und Potenziale. „Einige Händler entwickeln sich trotz schwieriger Lage sehr gut“, sagt Torbrügge. Doch klar ist auch: Die Marktbearbeitung wird anspruchsvoller, die regionalen Unterschiede nehmen zu – und wer langfristig Erfolg will, braucht präzise Daten statt Bauchgefühl.
FASHION TODAY: Wie geht es dem Modehandel in der Schweiz?
Mirko Torbrügge: „Der Modehandel in der Schweiz steht – ähnlich wie in Deutschland – vor großen Herausforderungen. Die Attraktivität der Innenstädte nimmt ab, die Margen sind unter Druck und der Wettbewerb wächst durch starke Onlineanbieter stetig. Dazu kommen veränderte Erwartungen der Kundinnen und Kunden. Was die Schweiz besonders macht, ist ihre kleinteilige Struktur mit wenigen stark zentralisierten Städten und einer hohen Dichte an Boutiquen und spezialisierten Händlern. Das schafft Nähe zum Kunden, stellt aber auch besondere Anforderungen an Sortimentssteuerung und Flächenproduktivität.
Ein Blick auf unser Datenpanel mit über 900 Verkaufsstellen in der DACH-Region und mehr als 7 Milliarden Euro Umsatz zeigt deutlich: Mit Ausnahme des Monats Mai lagen die Umsätze (DACH) im bisherigen Jahresverlauf bis zu 7,5 Prozent unter dem Vorjahr. Der Handlungsdruck ist hoch, aber es gibt auch Chancen, gerade für Händler, die sich gezielt weiterentwickeln. Wir haben einige Schweizer Kunden, welche sich trotz herausfordernder Bedingungen gut entwickeln.“
Wo gibt es Unterschiede im Modehandel der Schweiz zu dem deutschen?
„Ein zentraler Unterschied liegt in der Kaufkraft, welche sich in höheren Preisniveaus in der Mode widerspiegelt. Gleichzeitig sind Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten tendenziell qualitäts- und markenbewusster. Während in Deutschland häufig der Preis ein zentrales Kaufkriterium ist, spielen in der Schweiz traditionell Aspekte wie Langlebigkeit, Verarbeitung und Markenwert eine größere Rolle, wenngleich sich auch dies teilweise zu verändern scheint.
Auch Markenpositionierungen unterscheiden sich teils spürbar. Deutsche Marken treten in der Schweiz oft mit einer angepassten Preislagenstruktur auf – höherpreisiger als im Heimatmarkt. Das erfordert eine präzise Positionierung und ein klares Verständnis der lokalen Erwartungshaltung. Hinzu kommt die kleinteilige Marktstruktur in der Schweiz: Es gibt weniger Ballungsräume, dafür eine starke regionale Diversität. Diese zeigt sich nicht nur in der Sprache, sondern auch in den Konsumgewohnheiten. Eine erfolgreiche Marktbearbeitung muss diese regionalen Unterschiede berücksichtigen, sich aber auch in den Schweizer Markenmix einfügen.“
Welche Bedeutung hat die Schweiz generell für die deutsche Mode-Industrie?
„Die Schweiz ist für deutsche Modehersteller ein bedeutender Zielmarkt, sowohl absatzseitig als auch mit Blick auf die Konditionen. Die Nähe zum Heimatmarkt macht die Schweiz zu einem attraktiven Umfeld für viele deutsche Marken. Man muss allerdings sagen, dass sich der Schweizer Handel im Wandel befindet. Einige wichtige große Händler sind vom Markt verschwunden, andere haben in den letzten Jahren stark expandiert. Die Marktbearbeitung wird somit nicht leichter und die Gegebenheiten ändern sich zunehmend.“
Sie möchten einen Benchmark in der Schweiz starten. Was ist da der Hintergrund?
„Aktuell geben wir unsere Benchmarks immer für die gesamte DACH-Region aus. In letzter Zeit treten jedoch zunehmend Händler und Hersteller an uns heran mit dem Wunsch, die Benchmarks differenziert für den Schweizer Markt ausgewertet zu bekommen. Unser Ziel ist es, ein klareres Bild über die Performance, Herausforderungen und Best Practices der Modehändler in der Schweiz zu gewinnen. Zwar existieren bereits einzelne Datenquellen, doch es fehlt häufig an detaillierter, marktbezogener Transparenz. Unser Benchmark soll hier Abhilfe schaffen durch eine fundierte, anonymisierte Vergleichbarkeit für Händler und Marken. Wir arbeiten bereits seit Langem mit einer Reihe bedeutender Schweizer Händler zusammen. Aktuell befinden wir uns in Gesprächen mit weiteren Partnern, um in Kürze einen eigenständigen, rein auf die Schweiz fokussierten Benchmark veröffentlichen zu können.“
Was genau ist in der Schweiz geplant? Was wird abgefragt?
„Seit es technisch möglich war, stellen wir unseren angeschlossenen Händlern ihre eigenen ERP- und Kundenkartendaten aussagekräftigen Benchmarks gegenüber, mit dem Ziel, Potenziale zu identifizieren und Pain Points sichtbar zu machen. Der Zuspruch zu einem eigenen Fashion-Benchmark für die Schweiz ist groß. Ein erstes Treffen mit weiteren interessierten Schweizer Händlern konnten wir bereits vor zwei Monaten, mit Unterstützung von Marc O’Polo, erfolgreich organisieren. Das Feedback war sehr positiv und hat uns darin bestärkt, die nächsten Schritte zu gehen.
Aktuell befinden wir uns außerdem in der Abstimmung mit einem Schweizer ERP-Hersteller, um weitere Händler anzubinden. Unsere Portale ermöglichen den teilnehmenden Händlern dabei detaillierteste Auswertungen, bis zur Artikelebene, stets im Abgleich zu den relevanten Benchmarks. So schaffen wir eine fundierte Grundlage für datenbasierte Entscheidungen im Schweizer Modehandel.“
Haben Sie weitere Länder auf der Agenda?
„Natürlich. Abgesehen davon, dass wir unsere Datenbasis sowie unser Händlernetzwerk kontinuierlich ausbauen, können wir uns gut vorstellen, künftig auch separate Benchmarks für Österreich und die Niederlande anzubieten.“
Zur Person
Mirko Torbrügge ist Head of Sales & Marketing bei einem Anbieter datenbasierter Benchmarklösungen für die Modebranche. Mit über 900 angebundenen Verkaufsstellen in der DACH-Region verantwortet er die strategische Entwicklung neuer Marktsegmente und individueller Auswertungsformate. Im Fokus steht aktuell der Aufbau eines eigenständigen Fashion-Benchmarks für den Schweizer Handel.