
Autor: Winfried RollmannMit Giorgio Armani ist ein ganz besonderer Kreateur und Unternehmer unserer Branche von der Bühne abgetreten. Sein Vermächtnis ist immens und hat die Mode revolutioniert. Tim Blanks von BoF hat ihn einmal gefragt, wie er in Erinnerung bleiben möchte. „… als ein ehrlicher Mann. Ich sage, was ich denke.“ Armani kam aus kleinen Verhältnissen und für ihn war menschliche Integrität immer wesentlich. Auf einem Abschiedsplakat dieser Tage in Brera, dem Mailänder Kreativ-Viertel, wird er zitiert: „Das Zeichen, das ich hinterlassen möchte, besteht aus Engagement, Respekt und Aufmerksamkeit für die Menschen und die Realität.“
In seinem Schaffen ist er den Dingen auf den Grund gegangen. Auffallen und die ganze Oberflächlichkeit der Mode haben ihn nie interessiert. Das Grelle und Vulgäre hatte bei ihm keinen Platz. Die ruhige Kraft und das Spirituelle der japanischen Kultur oder die Moderne und Sophistication Mailands waren ihm näher.
Sein Gedanke „Eleganz ist, nicht aufzufallen, sondern in Erinnerung zu bleiben“ beschreibt seine Ästhetik ganz gut.
A New Gender
Armani hat sich mit der Struktur des Tailorings auseinandergesetzt und es auf seine Weise neu erfunden. Er hat dem Schneiderhandwerk seine Stiffness genommen. Inspiriert von der neapolitanischen Leichtigkeit in der Verarbeitung, hat er seine klare Mailänder Modernität entspannt. Fließende, sinnliche Stofflichkeit mit durchaus markanten Schultern und weiten Hosen gab den Linien einen unglaublichen Flow. Er hat immer komfortable Looks kreiert, in denen sich Mann und Frau wohlfühlen – Komfort vom Feinsten.
Armani entwickelte mit avantgardistischen Webern wie Torello Viera in Biella oder Tessilclub in Prato besondere, nervöse Crêpe-Qualitäten, die sein Soft Tailoring erst möglich machten. Das hat die Menswear der 1990er auch in Deutschland in die Moderne geführt.
Ganz selbstverständlich hat er mit seinen Looks Frauen mehr Power gegeben und Männer sinnlicher gekleidet, den Gendergap damit schon vor der Zeit entschärft. Richard Gere in Paul Schraders „American Gigolo“ verkörperte den neuen Sexappeal für Männer in seiner ARMANI-Garderobe par excellence. Matthew Specktor beschreibt es treffend im GQ als „einen felinen Stil, der aussieht wie Freiheit.“ Ganz Hollywood lag ihm damit zu Füßen.
Independence
Giorgio Armani hat erst mit über 40 seine eigene Firma gegründet und bis heute zum Millarden-Imperium entwickelt. Seine Firma hat er zum stets unabhängigen und profitablen wirtschaftlichen Powerhaus gemacht. Mit seiner Prämisse der vollkommenen Unabhängigkeit hat Giorgio Armani den Sirenenklängen von LVMH und anderen widerstanden. Armani hat in vielen Sparten, von Mode über Interieur-Design bis hin zu Luxushotels, seine klare, eindeutige und anspruchsvolle Design-Handschrift hinterlassen. Sie ist von Moden unabhängig und unverwechselbar als Giorgio Armani erkennbar. Wenn er mit dem Qualitätsanspruch einer Lizenz nicht zufrieden war, ging er so weit, sie zurückzukaufen, um sie wieder auf Linie zu bringen, wie das bei A/X ARMANI EXCHANGE der Fall war.
In seinem Museum ARMANI / SILOS in Milano-Tortona und seinem langjährigen Engagement für die Filmfestspiele der Biennale in Venedig hat er visionär kulturelle Horizonte erweitert, die uns auch in Zukunft erhalten bleiben.
Mailand und die Modewelt verlieren neben einem sensiblen Visionär einen höchst erfolgreichen Unternehmer, dessen bescheidene Abstammung für ihn immer humaner Kompass blieb.