„… alles für den Einkäufer“

PANORAMA Berlin

Zur besseren Orientierung wurde die Hallenstruktur überarbeitet. Bild: PANORAMA Berlin

Autor: Markus Oess

Fares Gabriel Hadid ist vor wenigen Monaten zur PANORAMA Berlin gestoßen. Er soll die Messe weiter internationalisieren und den Vertrieb der Messe forcieren. CSO (Chief Sales Officer) Hadid ist kein Unbekannter: Er war von 2004 bis 2013 für die Bread & Butter in führender Position tätig und entwickelte als Managing Partner die Berliner Fahrradschau sowie die darin verankerte Berlin Bicycle Week zu einem erfolgreichen Consumer-Lifestyle-Format. Jetzt zieht Hadid gegenüber FT eine erste Bilanz und kündigt den forcierten Ausbau der Streetware und des Denimbereiches an.

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Fares Gabriel Hadid (Bild: PANORAMA)

FT: Herr Hadid, die Hallenstruktur der PANORAMA wurde thematisch neu geordnet. Was gab den Ausschlag?
Fares Gabriel Hadid: „Wir wollten die Hallen komplett neu inszenieren. Uns ging es vor allem darum, eine Branchenplattform zu schaffen, die dem realen Verhalten der Konsumenten und ihren Bedürfnissen draußen auf der Fläche folgt. Auf der einen Seite bieten wir klar zuordenbare Erlebniswelten für die Mens- und Womenswear. Auf der anderen Seite lassen sich die Menschen nicht mehr in feste Muster pressen, sie kombinieren alles miteinander. Gleichzeitig nimmt auch im Handel der Lifestylegedanke immer mehr Raum ein. Wir wollen den Einkäufern Input liefern, der eben weit über die bloße Ware hinausgeht. Aus diesem Grund haben wir in jeder Halle Lifestylewelten um die Community Areas integriert.“

Wie stellt sich denn Menswear diesmal dar, wo liegen die Schwerpunkte?
„Wir konzentrieren uns vor allem auf Upper Casual und Sportswear. Back to Classic ist ein großes Thema, mit Marken wie OSCAR JACOBSON, SAND, J. LINDEBERG oder JUNK de LUXE. DAVIDA Cashmere feiert Premiere auf der PANORAMA. Wir nennen das Segment ‚MODERNISTS. Wir arbeiten heute schon mit Marken, die noch vor wenigen Monaten keiner auf der PANORAMA erwartet hätte. Wir wollen modische Spitzen besetzen und den Labels eine neue Heimat bieten, die seit dem Abschied der Bread & Butter in diesem Segment keine neue Plattform für den deutschen Markt gefunden haben.“

Es gibt jetzt eine Kooperation mit der Selvedge Run, was erhoffen Sie sich speziell für die PANORAMA davon?
„Alles, was wir machen, zielt auf den Einkäufer. Egal, ob wir nun die Koffer von der Messe direkt in die Hotels verteilen, digitale Helfer anbieten oder neue Themenwelten angehen, es muss dem Einkäufer helfen, seinen Job hier in Berlin so gut und effizient wie möglich zu machen. Dem ordnen wir alles unter. Ich hatte schon immer gedacht, dass PANORAMA BERLIN und die Selvedge Run enger zusammenrücken sollten. Wir profitieren wechselseitig von neuen Impulsen, erschließen uns neue Besuchergruppen und die Kooperation sorgt dafür, dass die Wege in Berlin etwas kürzer werden. Die Themenwelten von NOVA und Selvedge Run mit ihren handwerklichen, lifestyle-orientierten Produkten grenzen unmittelbar aneinander, sodass sich Einkäufer und Aussteller von beiden Seiten aufeinander zubewegen können. Eine sehr spannende Angelegenheit. Zumal wir bei NOVA auch den Denim-Bereich als einen wichtigen Baustein weiterentwickeln werden. Zwar kann ich jetzt keine Statistiken aus dem Hut zaubern, aber ich war unlängst in L.A. und dort war ein Wiedererstarken des Segments eindeutig zu spüren.“

 Wie sehen die Absprachen aus?
„Wir arbeiten räumlich und organisatorisch eng zusammen. Wir ziehen beim Service an einem Strang, aber konzeptionell und organisatorisch bleiben die Messen vollständig getrennt. Gleichzeitig haben wir uns Gedanken über eine klare Ausrichtung und das unverwechselbare Profil unserer beiden Messeformate gemacht. Durch die komplementäre Ausrichtung sehen wir in der Zusammenarbeit eine sinnvolle Ergänzung und freuen uns auf eine sehr fruchtbare und offene Zusammenarbeit.“

Betrachten Sie die Selvedge Run thematisch als reine Erweiterung oder waren thematische Bereinigungen notwendig, etwa bei NOVA?
„Mittelfristig wollen wir NOVA zu einer urbanen Streetwear-Welt ausbauen. Das schließt Denim mit ein, auch wenn es derzeit kein einfacher Markt ist. Wie gesagt, ich glaube an einen baldigen Aufwärtstrend des Segments. Dort sehen wir auch die Brücke zur Selvedge Run, die das Segment sehr glaubwürdig im High-End-Bereich bedient. In diesem Spannungsfeld gibt es noch sehr viele interessante internationale Brands, mit denen wir gemeinsam ein Marktsegment definieren können.“

Sie kooperieren zudem in Bereich der Öko-Mode mit der INNATEX, was erwartet die Fachbesucher in dem Bereich?
„Auch hier fahren wir das gleiche Grundmuster. Die Ausgestaltung der XOOM auf einer Gesamtfläche von 1.000 Quadratmetern ist Sache der INNATEX. Wir bieten den Raum und integrieren ein immer wichtiger werdendes Segment. XOOM ist komplett ausgebucht und wir werden ganz sicher in der kommenden Saison ein Ausstellerwachstum melden können. Neben der Selvedge ist XOOM eine weitere zentrale Ergänzung für uns.“

Wie schafft man es, öko-faire Mode aus der Nische zu holen und in Richtung Mainstream wenigstens etwas zu bewegen?
„Grundsätzlich hat sich in den letzten Jahren in beinahe allen Bereichen der Gesellschaft ein breiter Konsens für nachhaltige Produktion und bewussten Konsum eingestellt. Das heißt, die Nische entwickelt sich bereits zu einem relevanten Markt. Speziell in der Mode steht jedoch das Produkt als solches noch immer im Vordergrund. Es muss im Design überzeugen, sonst hat es am Markt keine Chance. Labels wie Nudie, die ökologisch und fair produzieren, aber damit nicht offensiv in die Werbung gehen, zeigen, wie es geht. Hier gehört Sustainability zum Markenkern und gibt der Brand und ihren Produkten einen für die Konsumenten mittlerweile sehr entscheidenden Mehrwert. Oder nehmen Sie KnowledgeCotton Apparel; auch ein Label, das in diesem Bereich hervorragende Arbeit leistet und coole Mode macht. Für nennenswerte Volumina brauchen sie außerdem einen professionellen Vertrieb, der eine kontinuierliche Warenversorgung sicherstellt. Wenn diese beiden Grundvoraussetzungen erfüllt sind, können Sie auch anfangen, über einen breiteren Markt nachzudenken.“

Sind weitere Kooperationen angedacht, die schon etwas konkreter aussehen?
„Im Augenblick haben wir keine konkreten Planungen. Wir wollen jetzt unsere Zusammenarbeit mit Selvedge Run und XOOM weiter etablieren und gemeinsam wachsen. Nach der Messe im Januar sehen wir weiter. Fürs Erste haben wir genug zu tun, alle unsere Vorhaben auf die Straße zu bringen.“

NOVA wurde ebenfalls angefasst. Anbieter wie CINQUE oder CG CLUB of GENTS sind umgezogen. Wie sieht das Konzept von NOVA heute aus?
„Wie gesagt, NOVA soll eine Heimat für die Streetwear- und Denim-Labels werden, die nach dem Abschied der Bread & Butter ihre Plattform verloren haben. Wir werden NOVA inhaltlich weiterentwickeln und konsequent in diesem Bereich positionieren.“

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Was sollten Händler in der NOVA auf keinen Fall verpassen?
„Die Frage ist zu eng gefasst, da wir in dieser Saison in beinahe allen Segmenten grundlegende Neuerungen vorgenommen haben. Hierzu gehören natürlich die bereits aus der NOVA bekannten Konzeptflächen, die wir auf alle Segmente ausgeweitet haben. Es wird auch eine Menge interessanter Events in den Community Areas der einzelnen Hallen geben. Zusätzlich arbeiten wir an großflächigen Retail-Installationen, die zum Beispiel Fashion und Kunst miteinander verbinden. Wir haben unsere Konzepte vor allem darauf ausgerichtet, unseren Händlern, Einkäufern und Marken eine Vielzahl an Inspirationen und marktgerechten Lösungen für ihr Business mitzugeben.“

Sie sind vor einigen Monaten bei der PANORAMA auch angetreten, die Messe weiter zu internationalisieren. Sie reisen viel und schauen sich auf dem internationalen Parkett um. Wie bewerten Sie die Diskussionen um den Messestandort Berlin, was sagt man im Ausland dazu?
„Offen gestanden kann ich nicht verstehen, dass wir hier in Deutschland überhaupt eine Diskussion über den Messestandort Berlin führen. Egal wo ich bin, Berlin gilt als eine der spannendsten und prosperierendsten Städte weltweit. In Deutschland gibt es keinen besseren Standort und Berlin ist immer noch die größte Modeplattform Europas – wenn wir alle Formate der Berlin Fashion Week zusammennehmen. Wir sind angetreten, die Internationalisierung des Modestandorts Berlin im Allgemeinen und der PANORAMA BERLIN im Speziellen weiter voranzutreiben. Ein internationales Momentum entsteht vor allem durch unverwechselbare Messeformate, die auch den Puls Berlins verkörpern und zudem am internationalen Markt ausgerichtet werden. Es ist die Einzigartigkeit der Inszenierung, die internationale Marken und Händler anzieht.“

Sie sind jetzt einige Monate da, was hat sich bisher geändert im Vergleich zu der Zeit vor Ihrem Kommen?
„Wir haben im Juli eine neue C-Level-Ebene für die Bereiche Sales, Kommunikation und Technologie eingeführt. Heute arbeiten wir eng verzahnt in den einzelnen Zuständigkeiten und haben Sales und Service weiter professionalisiert. So telefoniert zum Beispiel ein zehnköpfiges Team internationale Einkäufer ab und lädt sie persönlich zu einem Besuch der PANORAMA ein. Wir haben mit MODERNISTS ein neues Segment aufgemacht und sind neue Kooperationen mit Selvedge Run und INNATEX eingegangen. Es ist eine Menge passiert, jetzt müssen wir dafür sorgen, dass die Neuerungen Bestand haben, um sie weiterentwickeln zu können.“

Wird die PANORAMA internationaler?
„Wir haben mehr internationale Brands und dank unseres verstärkten Guest Managements auch internationale Neuzugänge seitens der Besucher.“

Die Branche steht vor einem digitalen Transformationsprozess, ist aber in vielen Belangen noch nicht vorbereitet. Teilen Sie diese Ansicht?
„Im Grunde stimmt das schon. Aber wir sind zumindest ein Stück weitergekommen, was das Problembewusstsein angeht. Die Digitalisierung wird nicht mehr nur als Problem von irgendwelchen Nerds abgetan, sondern als strategische Aufgabe betrachtet. Wir sehen uns als eine neutrale Plattform für Industrie und Handel und können als solche auch eine für alle einfach nutzbare Online-Plattform entwickeln, die den B2B-Markt näher zusammenbringt und alle befähigt, 365 Tage im Jahr gemeinsam online zu interagieren. Wir werden unsere Plattform im Januar im Rahmen einer Beta-Testphase ausgewählten Partnern präsentieren und zur Verfügung stellen.“

Machen virtuelle Messen und Showrooms bald eine physische Messe überflüssig, wenn es technisch möglich wird, deren Vorteile wie Atmosphäre, den persönlichen Austausch und haptische Elemente auf einer Plattform sehr nah an der Realität darzustellen?
„Es geht nicht um ‚entweder … oder‘, sondern um ‚sowohl … als auch‘. Physische Messen sind unabdingbar für emotionale Inszenierungen, persönliche Gespräche und das unmittelbare Aufnehmen von Markenbotschaften – sozusagen mit allen Sinnen. Die Vorteile von Online-Plattformen liegen vor allem in ihrer überragenden Convenience und der intelligenten Verknüpfung relevanter Informationen. Der echte Gamechanger sind die smarte Verknüpfung und das nahtlose Zusammenspiel beider Kanäle.“

Neuer Messeaufbau

„Nach 10 erfolgreichen Saisons wollen wir das bisherige Konzept überarbeiten“, sagt Jörg Wichmann, Chef der PANORAMA Berlin zur Headline der kommenden Messeausgabe. Auf 45.000qm präsentiert die Messe rund 800 Aussteller in elf Hallen. Zur besseren Orientierung wurde die Hallenstruktur überarbeitet. So wird es in sich geschlossene Damen- und Herrenstränge geben. GENTS (Halle 2) und MODERNIST (Halle 4) umspannen klassische Menswear und progressiven Upper Casual sowie zeitgemäße Unisex Kollektionen. XOOM, die neue Plattform für nachhaltige Mode, ist in Halle 7C untergebracht. In Halle 9 fokussiert NOVA (Halle 9) erneut die Themen Denim und Streetwear und bildet den thematischen und räumlichen Anknüpfungspunkt zur Selvedge Run – Trade Show for Quality Garments and Crafted Goods im Marshall Haus. Zudem wird das Konzept der Lifestyle-Fläche (Fashion mit integrierten Lifestyleprodukten) aus NOVA in die Haupthallen übertragen. Jede Halle wird wie ein Department Store aufgebaut sein.