Nachhaltig, aber lässig

NEONYT

©FT

Autor: Markus Oess

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Mit einem Portfolio von 150 internationalen und nationalen nachhaltigen Fashion Brands aus 26 Ländern hatte die NEONYT als weltweit größte B2B-Veranstaltung für nachhaltige Mode Premiere. Die Veranstalter sehen den Release des neuen Formats als wichtiges Zukunftssignal – und verweisen auf den Einzug der Nachhaltigkeit in moderne Produktionsverfahren.

„Wir haben die NEONYT als Must-see angekündigt. Und das war sie definitiv. Das Konzept der NEONYT ging voll auf“, sagt Olaf Schmidt, Vice President Textiles & Textile Technologies, Messe Frankfurt. Dass Nachhaltigkeit eines der zukunftsrelevantesten Themen der Branche sei, unterstreiche die Vielzahl der konventionellen Einkäufer, die zum Kraftwerk kamen. „Als Mainstream Retailer ist für uns Nachhaltigkeit ein Kernthema für 2019. Wir spüren das Interesse unserer Kunden und wollen in diesem Thema besser werden. Die NEONYT kann uns dabei helfen. Das deutlich jüngere Publikum und die Verbindung zu Tech machen aus Öko ein Innovationsthema“, sagt Marc Ramelow, Geschäftsführer Modehaus RAMELOW. Dr. Annette Hempel vom Modehaus HEMPEL fielen „die gestiegene Frequenz konventioneller Einkäufer und das deutlich erweiterte modische Angebot auf“.

Die Messe sei auf dem richtigen Weg, resümieren die Aussteller, mit denen FT sprach, die Messemacher hätten das Format hinsichtlich Portfolio und Rahmenprogramm beziehungsweise des Konferenzformats Fashionsustain weiter professionalisiert. Show Director Thimo Schwenzfeier zieht Bilanz

„Ökologische Transformationsprozesse auf industriellen Maßstab skalierbar.” Thimo Schwenzfeier ©NEONYT

FT: Herr Schwenzfeier, das muss erst mal sein: Waren Sie zufrieden mit der Premiere der NEONYT?
Thimo Schwenzfeier: „Mit der Premierenveranstaltung der NEONYT im Kraftwerk waren wir mehr als zufrieden. Das Konzept des Hubs – also das Zusammenspiel von Messe, Showcases, Konferenzen, Know-how-Transfer und Networking-Events – ging voll auf und wir können mit Fug und Recht behaupten: Diese Veranstaltung stellt weltweit ein einzigartiges Format dar und weist mit aller Deutlichkeit und Power den Weg in eine nachhaltige Modezukunft. Über drei Tage hinweg konnten wir angesagte Labels mit zum Teil herausragenden Kollektionen und hochklassige Redebeiträge von Vordenkern aus dem Mode-Business erleben. Die Stimmung war durchwegs positiv und geprägt vom Change of Fashion, von Optimismus und Aufbruch. Der Erfolg der Veranstaltung spiegelte sich auch in den gestiegenen Besucherzahlen im Vergleich zu den vergangenen zwei Saisons und dem vielen positiven Feedback – insbesondere für die Kampagne und die neue visuelle Kommunikation.“

Raus aus der Nische, rein in den breiten Markt – eine Wunschvorstellung oder Realität? Was haben Sie von den Fachbesuchern und Ausstellern gehört?
„Der Übergang von der Nische rein in den breiten Markt ist natürlich keine Sache, die von heute auf morgen passiert. Vielmehr ist es ein langwieriger Prozess. Aber eines können wir schon seit geraumer Zeit feststellen: Nachhaltig produzierte Mode ist längst kein Nischenprodukt mehr. Immer mehr Labels sind inzwischen auch im konventionellen Handel etabliert. Und umgekehrt kommen auch die großen Marktteilnehmer – ob auf Handels- oder Industrieseite – am Thema Nachhaltigkeit nicht mehr vorbei.“

Der Übergang von der Nische in den breiten Markt passiert nicht von heute auf morgen. ©FT

Gibt es tatsächlich nachhaltige Industrie- und Fertigungsprozesse für die Masse oder beißt sich die Katze da in den Schwanz, weil Massenfertigung immer industriell ist?
„Während der NEONYT haben wir im ,Showcase of Change‘ gezeigt, dass die aktuellen ökologischen Transformationsprozesse in der Modeindustrie auf industriellen Maßstab skalierbar sind. Der Schwerpunkt lag dabei auf den Herausforderungen des nachhaltigen Wassermanagements. Aussteller des Showcases waren international agierende Unternehmen, wie der französische Technologiekonzern LECTRA, der ,Fashion-on-Demand‘ präsentiert und die erste Komplettlösung zur Personalisierung von Mode anbietet. Mit der digitalen Lösung können auftragsbasierte Produkte in gleicher Geschwindigkeit wie Konfektionsware hergestellt werden. Ebenso vertreten waren der schwedische Zulieferer We aRe SpinDye, der nachhaltige Färbeverfahren für die Fashionindustrie anbietet, sowie das Berliner Start-up ,ZYSEME‘, eine digitale Plattform für maßgeschneiderte, individualisierbare Mode. Somit lieferte der ,Showcase of Change‘ perfekte Beispiele, wie nachhaltige Fertigungsschritte ineinandergreifen.“

Wie wichtig ist Innovation in der Vorstufe für eine nachhaltige Produktion?
„Technologie, Nachhaltigkeit und Innovation sind wichtige Treiber der Mode- und Textilindustrie, die die Branche sowie ihre Prozesse und Produktionsabläufe revolutionieren. Schon in der Vorstufe lassen sich mit innovativen Verfahren erheblich Ressourcen einsparen. Denken wir beispielsweise an umweltfreundliche Färbeprozesse und die Möglichkeiten, Wasser einzusparen. Diese und ähnliche Themen haben wir auf unserer Konferenz Fashionsustain während der NEONYT beleuchtet. Gerade die in der Textilbranche allgegenwärtigen Herausforderungen im nachhaltigen Umgang mit Wasser waren und sind auch bei der nächsten Veranstaltung im Juli ein großes Thema. Die Konferenz stellt Materialien und Prozesse, Innovationen, Kreislaufkonzepte und industrielle Anwendungen in den Mittelpunkt. Unter unseren Referenten waren international hoch angesehene Vorreiter, die aufzeigen konnten, wie durch das Zusammenspiel von Kollaboration und Wettbewerb um neue und nachhaltige Technologien Innovationen entstehen, die den Paradigmenwechsel der Branche vorantreiben.“

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Haben Sie Beispiele?
„In Sachen Kreislaufkonzepte, Recycling und Ressourcenschonung finden sich etliche tolle Beispiele auf der NEONYT. bleed und LANGBRETT, um nur zwei zu nennen, sind Street- und Sportswear-Spezialisten, die stark auf recyclingfähige Materialien und Closed-Loop-optimiertes Design setzen.“

„Die beste Art von Recycling ist die Müllvermeidung.” ©FT

Beispiel 1 – LANGBRETT: eine ziemlich lässige Surf- und Outdoor-Marke, die sich Raum schaffen will für Surfer und Naturliebhaber. Nachhaltigkeit und Nachdenken gehen vor Profitmaximierung. Natürliche Materialien ohne toxische Zusätze, kein Plastik, faire Produktion für Mensch und Umwelt. Ganz einfach im Grunde. Oliver Spies ist Mitinhaber und als solcher bestens in die Szene vernetzt. Auch er bescheinigt NEONYT eine Aufwertung. LANGBRETT ist gerade im Bereich Müllvermeidung und Mikrofaserbelastung sehr aktiv. „Natürlich bringt uns technischer Fortschritt weiter. Die beste Art von Recycling ist die Müllvermeidung. Deswegen denke ich, dass Plattformen wie die texprocess und techtextil an Bedeutung gewinnen werden, wenn sie das Thema Nachhaltigkeit gezielt nach vorne tragen.“ Viele Aktionen in der Branche seien aber mehr vom Marketing als vom echten Willen zur Veränderung getrieben. Das zeige aber, wie viel Aufklärung helfen könne. „Mit unserem Projekt Polyloop, ein Kreislauf, der Plastik im Handel direkt zur Weiterverwendung zurückführt, konnten wir nachweisen, dass die Leute aus eigener Motivation heraus mitmachen, sobald sie den Nutzen verstanden haben.“

Beispiel 2 – bleed: „Zu einem nachhaltigen Lifestyle inspirieren, der Spaß macht und einfach in das tägliche Leben zu integrieren ist“, lautet die Mission des oberfränkischen Labels, das 2008 von Skateboarder Michael Spitzbarth gegründet wurde. Es sollte sich etwas ändern. Die Natur hatte genug geblutet. Daher der Name. Tim Wolf ist Vertriebs-Chef in den Kernmärkten Deutschland und Österreich. „Wir sind sehr zufrieden mit der Messe. Es kamen mehr kommerzielle Händler, was wir sehr begrüßen. Auch das Portfolio der Messe wird besser. Schade nur, dass in Berlin zwei Plattformen miteinander konkurrieren.“ bleed lässt einen großen Teil seiner Ware in Portugal produzieren. „Meist kleine Betriebe, die jetzt schon eine ganze Weile mit uns zusammenarbeiten“, sagt Wolf. Technischer Fortschritt, sagt Wolf, funktioniere auch unter Nachhaltigkeitskriterien. Bei den Funktionsjacken greift das Label auf die Dienste von SympaTex zurück. Die Jacken werden klimakompensiert in China hergestellt.

Beispiel 3 – ULTRASHOES: Pedro Lima sitzt in einem recht bescheidenen Stand im Kraftwerk und lächelt die Menschen freundlich an. „Kaffe?“, fragt er freundlich und zeigt auf den zweiten Besucherstuhl. Lima hat mit Partnern eine Schuhfabik in Romariz, Portugal, gegründet. Storm produziert seit mehr als 20 Jahren unter Private Label, zu 90 Prozent für Männer. Seit 2013 beschäftigen sich die Portugiesen mit Up- beziehungsweise Recycling und produzieren unter der Marke ULTRASHOES. „Wir sind einer der ältesten Aussteller auf der Messe“, erzählt Lima. Heute steuern die vegan produzierten ULTRASHOES immerhin 20 Prozent des Umsatzes bei. Deutschland zählt zu den Top-Drei-Exportmärkten. Lima ist fest davon überzeugt, dass es möglich ist, „nachhaltig produzierte Schuhe zu einem wettbewerbsfähigen Preis für einen VK von etwas über 100 Euro herzustellen und auch zu vermarkten.“ Früher stellte er nur auf der damaligen GDS aus. „Wir sind auch hier, um zu lernen“, sagt Lima.

Im Mai finden die techtextil und die texprocess in Frankfurt statt, die ebenfalls von der Messe Frankfurt organisiert werden. Welche Rolle wird die Nachhaltigkeit dort spielen?
Thimo Schwenzfeier: „Nachhaltigkeit wird eines der zentralen Themen der kommenden techtextil und texprocess sein. Viele unserer Aussteller werden es als Schwerpunkt ihrer Neuheitenpräsentation mit nach Frankfurt bringen. Auch die Techtextil und Texprocess Innovation Awards werden in diesem Jahr eine Reihe nachhaltiger textiler Innovationen und Verarbeitungsansätze prämieren. Außerdem bietet das Texprocess Forum mit einem Ableger der bereits erwähnten Fashionsustain-Konferenz einen Themenblock rund um Nachhaltigkeit in der Textil- und Modebranche.“

„Showcase of Change” ©FT

Werden wir dort auch Weiterentwicklungen sehen, die bereits auf der NEONYT gezeigt wurden?
„Ja, ganz sicher. Mit der Integration von Formaten, die vorgelagerte Produktionsschritte in der Textil- und Modeindustrie beleuchten, hat die NEONYT erstmals die Brücke zum Messeduo techtextil und texprocess geschlagen.
Hierzu hatten wir auch eine Präsentation im Mittelgeschoss des Kraftwerks, die einen Vorgriff auf den thematischen Schwerpunkt der kommenden techtextil leistete. ,Urban Living – City of the Future‘ wird der thematische Schwerpunkt heißen, zu dem es ein Special Event in Zusammenarbeit mit den niederländischen Kreativwirtschaften CREATIVE HOLLAND geben wird. Darüber hinaus erwartet uns auf der techtextil und texprocess – und da verspreche ich mit Sicherheit nicht zu viel – eine enorme Bandbreite an innovativen und nachhaltigen Materialien und Technologien, die wir in Berlin maximal anteasern konnten. Und auch die Themen der Fashionsustain werden wir in Frankfurt aufgreifen und im Texprocess Forum mit einem eigenen Themenblock behandeln. Wir dürfen gespannt sein!“

Wenn Technologie und Innovationen auch in der nachhaltigen Textilproduktion eine wachsende Bedeutung gewinnen, wie sehen diesbezüglich die nächsten Schritte für die Sommerausgabe der NEONYT aus?
„Wir beschäftigen uns derzeit intensiv mit Überlegungen, die Themen Technologie und Innovationen noch stärker auf der NEONYT abzubilden. Allen voran das Präsentationsformat ,Showcase of Change‘ bietet hervorragende Chancen, innovative Produkte und Dienstleistungen internationaler Aussteller physisch erlebbar zu machen und den Weg in eine nachhaltige Modezukunft vorzuzeichnen. Wir befinden uns in guten Gesprächen mit einigen großen Playern, die wir für die NEONYT gewinnen möchten.
Davon abgesehen, richten wir den Fokus bei der kommenden Sommerausgabe auf den Handel. Konventionellen Händlern möchten wir verstärkt Retail-Know-how in puncto nachhaltiger Mode an die Hand geben.“