Zwischen Vergangenheit und Zukunft

Nachgefragt

Beautyberry Herbst/Winter 19/20 ©China Fashion Week
Autor: Maximilian Fuchs

Mit der Initiative „Made in China 2025“ verfolgt Peking einen klaren Kurs und scheint sich auch durch internationale Handelskonflikte nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Das Center for Strategic and International Studies beschreibt den Maßnahmenplan als eine „Initiative zur umfassenden Aufwertung der chinesischen Industrie“. Doch was bedeutet diese Entwicklung, besonders mit Blick auf die nationale und europäische Modeindustrie? Dazu haben wir mit Claudia Carillon gesprochen, die als Branchenexpertin seit über 40 Jahren die internationalen Beziehungen und die Entwicklung innerhalb Chinas beobachtet.

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Claudia Carillon ist als Branchenexpertin seit über 40 Jahren in China aktiv. © Claudia Carillon

FT: Claudia, welche Rolle wird die neue Seidenstraße in der zukünftigen Weltwirtschaft einnehmen?
Claudia Carillon: „Ich bin der festen Überzeugung, dass die Seidenstraße die wichtigste Export- und Ausdauerstraße der Welt werden wird. Zum einen, weil die Chinesen natürlich auf Erfahrung aus der Vergangenheit zurückgreifen können und zu allen Ländern, die direkt involviert sind, schon lange Handelsbeziehungen unterhalten. China braucht Exportländer, aber sie sind natürlich auch auf den Import angewiesen und hier ist dieser infrastrukturelle Ausbau entscheidend. Die neue Seidenstraße spielt auch in der Initiative ,Made in China 2025‘ eine fundamentale Rolle. Das Projekt ,One Belt, One Road‘, wie es offiziell heißt, verbindet die Volksrepublik mit über 60 weiteren Ländern Afrikas, Asiens und Europas. Ein gigantisches Marktvolumen, von dem auch die deutsche und europäische Bekleidungsindustrie profitieren wird.“

Nun ist das Reich der Mitte für die meisten außerhalb des Landes eher ein Mysterium. Meldungen wie das „Bürger-Punktesystem“ irritieren die Menschen und auch im Business stellt man häufig die Frage: „Wie ticken die Chinesen“?
„Man muss eine Sache verstehen: China ist ein paternalistisches Land. Das heißt, was der Vater sagt, das gilt und die Kinder folgen. Diese Benimmnoten, die jetzt vergeben werden, sind für uns erst einmal befremdlich, aber die Chinesen aus meinem Bekanntenkreis, mit denen ich offen gesprochen habe, finden es gut, dass wieder mehr Ordnung in das Land kommt. Sie sind entsetzt, wie sich manche Leute aufführen. Wer sich danebenbenimmt, wird sanktioniert, und zwar auf eine Art, die nachhaltig ist. Anders als eine Gefängnisstrafe ist dieser ,Status‘ allgegenwärtig. Aber genauso kann man ja auch, durch gutes Benehmen und dem Gemeinwohl dienend, wieder Pluspunkte sammeln. Den chinesischen Bürgern geht es wirtschaftlich gesehen immer besser und die Gesamtentwicklung wird als positiv wahrgenommen.

Wie China tickt, sollte jeder für sich selbst erfahren. Das sage ich immer meinen Gesprächspartnern aus der Branche auf die Frage, wie man sich am besten auf das Land vorbereitet: Macht euch einen eigenen Eindruck von Land und Leuten! Nicht nur die Sales Manager, auch die Geschäftsführung sollte sich die Mühe machen, interkulturelles Interesse zu zeigen und im besten Fall den Export nach China zur Chefsache zu machen. Eine Sache, in unserer von Hektik getriebenen Gesellschaft, sollte man beachten: Beim Business mit China muss man Geduld mitbringen. Sein Gegenüber zu drängen, führt zwangsläufig zum Scheitern des Deals.“

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Hermès hat sich auf den chinesischen Markt eingestellt. ©Hermès

Das Image von „Made in China“ stand lange für billig und massenhaft produzierte Ware. Das soll sich mittelfristig ändern. Wie ist deine Einschätzung hierzu?
„Wer heute in China, aus dem Ausland kommend, produzieren lassen will, hat zu Beginn drei Wahlmöglichkeiten: günstig, mittlere Qualität oder Premium. Die günstige Ware wird dann vom chinesischen Produzenten zum Beispiel nach Bangladesch ausgelagert, die mittlere Variante wird nach Indien gegeben und die Premium-Fassung in China selbst produziert. Dies ist schon bezeichnend für den Wandel, der hier stattfindet. Dabei werden auch die eigenen Design-Talente massiv gefördert. Bei der China Fashion Week wurde Ende März in Peking wieder gezeigt, was das Land an kreativem Potenzial zu bieten hat. Was den Export von chinesischer (Premium-)Mode nach Europa angeht, so tun sich viele Marken noch schwer, gilt es ja auch, zunächst das eigene Land zu beackern. Schließlich ist China das bevölkerungsreichste Land der Erde und viel Geschäft liegt vor der Tür. Vereinzelt sind jedoch Marken wie LI-NING oder PRINCIPLE M zu beobachten, die sich als China Brands anstellen, in Europa Fuß zu fassen.“

Wer macht es umgekehrt als europäische Marke besonders gut, den chinesischen Markt zu erobern?
„In Bezug auf die Textilindustrie fällt mir sofort HERMÈS ein. Die haben eine speziell auf China abgestimmte Strategie, die hervorragend aufgeht. Im ersten Quartal 2019 erzielte der französische Luxuskonzern einen erwirtschafteten Umsatz von 1,6 Milliarden Euro. Im Raum Asien, Japan ausgenommen, verbesserte sich der Umsatz um satte 17 Prozent und trug somit maßgeblich zu dem Erfolg bei. Man hat sich die Mühe gemacht, den Markt und die Menschen kennenzulernen. Sie haben den authentischen Kern der Marke auf neues Terrain bewegt und sich auf die lokalen Gegebenheiten eingestellt – alles richtig gemacht.“

Vielen Dank für das Gespräch.