Fashion Mother Africa

Kommentar

Andreas Grüter ©Peter Zembol
Autor: Andreas Grüter

Afrika? Alles so schön bunt und exotisch und dann noch diese tollen Locations für coole Fotoshoots. Gefährlich ist es da aber schon – wem zum zweitgrößten Kontinent der Erde mit 1,3 Milliarden Menschen aufgeteilt auf 55 Länder lediglich diese oder ähnliche Plattitüden einfallen, unterstelle ich eine ignorante Hinterwäldler-Haltung, die bereits im Alltag grob fahrlässig ist und in der sich hip, aufgeschlossen und internationalistisch gebenden Fashionindustrie jedoch unter keinen Umständen einen Platz haben sollte.

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Lassen Sie uns also von Mode in Afrika sprechen. Na, fällt Ihnen jenseits von Produktionsstätten und Baumwollplantagen etwas Substanzielles zum Thema ein? Vielleicht ein Fashionlabel, beispielsweise aus Nigeria oder Südafrika? Nicht? Dann herzlich willkommen im Club, denn Ihnen geht es nicht viel anders als der Heerschar derer, die maximal auf der Suche nach kreativen Inspirationen über den europäischen und US-amerikanischen Kultur-Tellerrand schauen und sich ansonsten genüsslich auf den Schauen in Paris, Mailand und New York um die eigene Achse drehen. Dabei tut sich in Sachen Mode und Lifestyle in Afrika eine ganze Menge – und das längst nicht nur in den angesagten und häufig zitierten Trendvierteln von Johannesburg wie etwa Maboneng.

Chic Afrique

Nicht nur hat quasi jedes afrikanische Land seine eigenen Fashion Weeks und Fashion Councils, die Unterstützung von Mode findet auch kontinental verknüpft statt, etwa auf Plattformen wie industrieafrica.com. Dass der Auftritt dabei ein höchst selbstbewusster ist, hat gute Gründe. Die Länder haben eine junge, stilversierte Bevölkerung, die sich ihrer wachsenden Marktmacht bewusst ist, dabei modischen Gängelungen aus den alten europäischen Fashionhauptstädten zunehmend kritisch gegenübersteht und stattdessen lieber auf heimisches Bekleidung zurückgreift, die in puncto Design und Qualität locker mit der internationalen Konkurrenz mithalten kann. Zum Selbstverständnis vieler Kreativer und ihrer Kunden gehört zudem, importierte Billigware abzulehnen und lieber auf nachhaltige, aus eigenen Ressourcen gefertigte Produkte zu setzen. Eine Haltung, die auch bei uns im Trend liegt, bei der jedoch viele afrikanische Labels bereits wesentlich weiter sind als ihre europäischen Counterparts.

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Alle Augen Richtung Süden

Es lohnt sich also sowohl aus wirtschaftlichen als auch gestalterischen und nicht zuletzt auch ökologischen Gründen, die spannenden modischen Entwicklungen in Afrika genau zu verfolgen. Denn wie heißt es ansonsten so schön: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben! Spätestens dann, wenn Johannesburg plötzlich als das neue Paris gehandelt wird. Sie meinen, der wirtschaftliche Aufstieg des Trendkontinents Afrika sei dann doch ein wenig weit hergeholt? Dann empfehle ich einfach die Lektüre von Hans Stoissers Buch „Der schwarze Tiger“, das wir bereits in der März-Ausgabe besprochen haben.