Gekommen, um zu bleiben

staiy.

Künstliche Intelligenz im Dienste der Nachhaltigkeit alle Bilder ©staiy.

Autor: Markus Oess

In Berlin ist eine nachhaltige Curated-Shopping-Plattform an den Start gegangen. Die vier Firmengründer von staiy. wollen mit künstlicher Intelligenz Stilberatung anbieten und Überzeugungsarbeit leisten, dass Mode und Nachhaltigkeit kein Widerspruch sein müssen.

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Der Markt hat eine weitere Online-Modeplattform. Die Idee ist nicht neu und auch, dass ausschließlich nachhaltige Mode verkauft wird, ist nicht gerade revolutionär. Aber die Plattform arbeitet mit ein paar bemerkenswerten Elementen und dass ausgerechnet vier Italiener in Berlin mit ihrer Plattform an den Start gehen, passiert nicht zu häufig. Zieht die Nähe zu zalando oder ist es einfach die Tatsache, dass Deutschland der größte Textilmarkt ist und zumindest von den Willensbekundungen und der Mülltrennungsquote grüner als andere Staaten in der EU? „Wir sind vor eineinhalb Jahren nach Berlin gezogen, um unser Studium zu beenden. Wir haben uns sofort in die Stadt verliebt. Berlin ist die Stadt der Trends und wir haben erkannt, wie wichtig Nachhaltigkeit und wie entscheidend sie für unsere Zukunft ist. Es veränderte unsere Vision und unser Verhalten, indem wir weniger kauften, recycelten, keine Plastiktüten verwendeten und unseren Fleischkonsum drastisch reduzierten. Außerdem ist es eine großartige Stadt mit aufgeschlossenen Menschen und einem großartigen Ökosystem für Start-ups“, sagt Alessandro Nora, einer der vier Mitgründer, gegenüber FT. Neben ihm sind noch Ludovico Durante, Chiara Latini und Adrian Leue an Bord.

Gruppenbild mit Dame: Die staiy.-Gründer Ludovico Durante, Chiara Latini, Adrian Leue und Alessandro Nora

staiy. will Nachhaltigkeit, Trends und Umweltschutz in einem neuen technologischen Ansatz vereinen, heißt es zum Start. Die vier Firmengründer haben sich auf die Fahne geschrieben, „den Übergang zu nachhaltiger Mode zu beschleunigen und den ökologischen Fußabdruck der Modeproduktion zu minimieren – für eine tragbare Zukunft.“ Die Frage, ob der Übergang überhaupt kommt, stellt sich erst gar nicht. Die Endkunden sollen sich guten Gewissens geschmackvoll einkleiden können und die grünen Marken eine „Plattform sein, die den modernen Verbraucher erreicht, der geringe Umweltbelastung, ethische Produktion und achtsame Mode unterstützt, ohne dabei auf technologische Fortschritte in der Einkaufserfahrung verzichten zu wollen.“

Vor rund einem Jahr haben die vier angefangen. Im Januar gründeten sie ein Unternehmen. „Im Mai, drei Tage nach Abgabe unserer Arbeit, haben wir uns die erste Investition gesichert. Von da an haben wir fünf Monate gebraucht, um das Produkt zu entwickeln und auf den Markt zu bringen“, berichtet Nora. „Wir sind jung, aber wir haben eine breite Vision. Wir haben das Start-up zu Beginn selbst finanziert. Die Kosten waren für unser Alter ziemlich hoch, aber wir hatten eine klare Vision und waren bereit, alles zu tun, um die Zukunft der Mode zu gestalten. Nachdem wir einen Prototyp erstellt hatten, hatten wir das Glück, einen Business Angel zu finden, der an unsere Mission glaubte und dem Team vertraute. Wir wollen die Menschen über nachhaltigen Konsum aufklären und die Plattform für jedermann zugänglich machen. Das kostet natürlich Zeit und finanzielle Unterstützung. Aus diesem Grund suchen wir jetzt nach neuen Investitionsmöglichkeiten, um eine große Community von bewussteren Verbrauchern weltweit zu schaffen.“

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Mit Marken wie KOMODO, Malimo, FRANCIS STORIES und IASOS bewegt sich die Plattform im mittleren Preissegment. Ziemlich konsumig eigentlich. Die Marken wurden zunächst bei nachhaltigen Blogs, Websites und Messen wie NEONYT gescannt. Dann wurde ausgewählt. „Unsere Nachhaltigkeitsbewertung, die die gesamte Wertschöpfungskette analysiert, entscheidet abschließend, ob eine Marke unserer Plattform beitreten kann“, erläutert Nora. „In einigen Fällen wurden auch Marken ausgesiebt, da sie nicht unserem Maßstab für Nachhaltigkeitsstandards entsprachen.“ Bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit werden nach eigenen Angaben fünf Bereiche abgeprüft: Wasser, Luft, Materialien, Arbeiter und Engagement. Die Nachhaltigkeitsbewertung besteht aus 62 Fragen, die jeweils mit zwei von den Vereinten Nationen festgelegten Zielen für eine nachhaltige Entwicklung verknüpft sind. Zudem wurden Zertifizierungen wie GOTS herangezogen. Auf ihrer Website könne jeder Nutzer sehen, wie sich die Marken unter den fünf verschiedenen Parametern entwickeln. „Wir glauben, dass der wichtigste Bereich der Verbesserung für nachhaltige Mode die Zugänglichkeit und Personalisierung sind: Es ist nicht leicht für Verbraucher, einen Ort zu finden, an dem sie nachhaltig einkaufen können. So gehen sie häufig den schnellen Weg und kaufen bei diesen Modegiganten, die ein bisschen von allem bieten und leicht zu finden sind. Die nachhaltige Modebranche kann nur dann effektiv sein, wenn sie in der Lage ist, einen Teil dieser Käufer zu gewinnen“, sagt Mitgründer Adrian Leue. Nicht alle Marken, die auf der Plattform auftauchen, sind schon freigeschaltet und mit einzelnen Produkten hinterlegt.

Zum Start der Launchkampagne kooperiert staiy. mit den Berliner Fotografen Alexander Flach, Steffen Grap, sowie den Stylistinnen Saskia Schmidt und Karo Rose. In Zusammenarbeit mit dem Atelier Neu sei es das Hauptziel der Kampagne aufzuzeigen, dass nachhaltige Modemarken definitiv dazu in der Lage seien, eine Autorität in puncto Stil zu werden. In Zusammenarbeit mit dem Technologieunternehmens REPLY habe das Team einen stilorientierten Empfehlungsalgorithmus entwickelt, der eine personalisierte Benutzererfahrung ermögliche, heißt es weiter. Der Algorithmus nutzt die universelle Sprache der Bilder, scannt Produktbilder und erkennt nachhaltige Artikel, die dem individuellen Stil des Kunden entsprechen. Ein einführender Fragebogen der App startet den Prozess der Stilrichtung. Vorgeschlagene Artikel können bewertet werden, was wiederum den Empfehlungsprozess verfeinert.

Mitgründer Ludovico Durante sagt, anfangs sei es darum gegangen, über den Auswahlprozess die Retourenquote zu drücken. „Wir fanden heraus, dass die Retouren nur ein winziger Teil eines Systems sind, das neu strukturiert werden muss. Nach und nach entwickelte sich die Idee zu etwas mit dem Potenzial, eine Veränderung für eine bessere Zukunft vorzunehmen: dem ersten nachhaltigen Modemarktplatz mit KI-Personalisierung.“ Überdies können die Kunden von staiy. über ein mit dem Einkaufsprozess verknüpftes Prämiensystem Spendenpunkte sammeln, die der jeweiligen Marke zugeordnet sind, von der sie gekauft haben, und die dann für eine Spende an die gemeinnützige Organisation von staiy., ONETREEPLANTED (onetreeplanted.org), verwendet werden können. Die Wiederaufforstungsinitiativen von ONETREEPLANTED unterstützen breitere Zwecke wie die Stärkung von Frauen in Ruanda, die Wiederherstellung des Amazonas-Regenwaldes in Peru und die Bereitstellung von Wasserquellen in Kenia. Und das Ziel für die kommenden drei Jahre? „Ziel ist es, die größtmögliche Wirkung zu erzielen und gleichzeitig die Menschen über nachhaltigen Konsum zu informieren“, sagt Nora.