Zwei Jahrzehnte ist es her, dass die damals noch als fremdbestimmte Country-Artistin der Industrie dienliche Sängerin sich mit dem programmatischen „I Am Shelby Lynne“-Album schlagartig von allen Vorgaben und Erwartungen löste und sich mit einem Paukenschlag-Werk von allen künstlerischen Fesseln befreite. Auch wenn mir in der Rückschau dank ihrer einfühlsamen Stimme sogar die frühen Country-Alben gefallen, so war die soulsatte, groove- und gefühlsbetonte 2000er-Veröffentlichung eine wahre Offenbarung, die noch bis heute in unseren Ohren nachhallt. Danach folgten weitere beeindruckende Werke auf dem Weg zur völligen Eigenständigkeit, mancher pure Country-Seitensprung, die ein oder andere Collaboration mit Schwester Allison Moorer, das eigene Everso-Label, auf dem auch diese herzhaft reife Song-Kollektion erscheint. Als Sängerin mittlerweile in ihrer eigenen Liga spielend, auch als Produzentin perfekt agierend, hat sie längst alle Fäden in ihren Händen und kann, da sie weder uns noch sich mehr etwas beweisen muss, mit einer Ruhe und Gelassenheit auftreten, die bewunderungswürdig ist. Da braucht es keinen bläserverstärkten, aus allen Nähten platzenden Paukenschlag mehr, da reicht die Reife der über die Jahre gewonnenen, perfektionierten, ganz eigenen, selbst in den leisesten Momenten ungemein intensiven Americana-Soul-Sprache, um eine Elf-Song-Kollektion langsam, aber vehement unter die Haut kriechen zu lassen. Und so bedient sich die Meisterin des seelenvollen Samt-Songs meist überschaubarer, aber meisterlich aufspielender Besetzungen (mit dabei: Chris Townsend, Michael Jerome Moore, Benmont Tench; Shelby selbst spielt unter anderem Piano, Schlagzeug, Bass, Gitarre, Keyboard, sogar Saxofon), um ihren Gesang mal in solitärer Seelenfülle, mal in beeindruckenden, Supremes-werten mehrstimmigen Harmonien leuchten zu lassen. Tief und nachhaltig zu Herzen gehende Melodien zwischen Soul, dezentem Jazz, Folk und Country, sanft umspielt von perlendem Piano, schmeichelnder Orgel, weichem Bass, akustischem Saitenspiel und dezenter Funk-Gitarre, bestimmen das von mal unterschwelligem, mal packendem Groove geprägte Klanggeschehen, wobei aber die große Sonnenuntergangsballade sowohl Ton als auch Tempo vorgibt. Ein großes Album einer großen Künstlerin, das ganz zu Recht nur ihren eigenen, guten Namen trägt.
Wenn samt-sentimentale Lieblinge magischer Melancholie plötzlich mit feinperliger Elektronik und unwiderstehlichem Groove in die streiflichternd schillernde Dunkelheit einer durchtanzten Club-Nacht locken, so wird schon bald aus der anfänglichen Scheu des langjährigen Verehrers ein durch nichts getrübtes Gefallen, weiß Scott die zehn so bekannt geglaubten Weisen doch in eine trotz mitunter zurückhaltender Besetzung ungemein variabel-vielfältige Melange aus akustischem Folk und pulsierenden Keyboard-Klangfarben, aus prächtigem Pathos und schlicht-schöner Eleganz, aus Tanzeinladung und Trip-Hop, Piano und Pop, Gospel und Groove zu tauchen, in denen sowohl seine seelenwarme Stimme als auch die kostbare Köstlichkeit seiner Melodien in solitärem Glanz und mehrlagigen Harmonien voll und ganz zur Geltung kommen. Zur bleibend belebenden Wirkung der ebenso beherzten wie beseelten Bearbeitungen trägt, neben ausgewählten Mitmusikern, Sängerinnen und Sängern vor allem auch die kreative Partnerschaft mit dem dänisch-deutschen Produzenten und Vielinstrumentalisten Jens Gad bei, dessen flirrend-fantasievolle Musikalität diese zehn innig ans Herz gewachsenen Wegbegleiter in neuen vielfarbigen Gewändern leuchten lässt. (cpa)
Zwischen samt-sanftem Klarinettenspiel und klaren Klavierakkorden, schlichten Akustik-Akkorden und kunstvoll dargereichten Tex-Mex-Gitarreneskapaden, E-Piano- und Einfach-Elektronik-Gastspielen, schummriger Orgel und naiv-natürlichen Ukulele-Unbeschwertheiten entsteht ein sich erst beim Zweit- und Dritthören voll entfaltendes Fein-Folk-Kaleidoskop, das bei aller Spiel- und Sangesfertigkeit stets den Charme der herrlichen Handarbeit verströmt, gleichermaßen die Verwandtschaften zu Mimi und Richard Fariña und den Moldy Peaches spüren lässt, mitunter klingt, als habe man Zooey Deschanel John Grant als „Him“ zur Seite gestellt, sogar Calexico- und Los-Lobos-Vergleiche verdient und vom ersten Satz über den Aufruf zur Alexa-Revolution bis hin zu den launigen Worten zum Ausklang nicht nur köstlich unterhält, sondern auch als reifes Liedwerk lange nachhallt. Ein zunächst karg scheinendes, dafür umso länger und reicher wirkendes Folk-Kunststück.