Klamotten, die keiner will

Altkleiderrecycling

©Fachverband Textilrecycling

Autorin: Cordelia Albert
Was tun in langweiligen Lockdown-Zeiten? Richtig, endlich mal wieder den Kleiderschrank ausmisten! Das dachte scheinbar so gut wie jede(r). Die Konsequenz: überfüllte Altkleider-Container und noch mehr Probleme beim Textilrecycling, das ohnehin schon mit der Zunahme an minderer Qualität zu kämpfen hat.

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Corona – Lockdown – Langeweile. Statt Griechenland am Strand ständig zu Hause und irgendwann dann Marie Kondo auf Netflix. Die japanische Aufräum-Königin motiviert überforderte Menschen, endlich mal klar Schiff zu machen. „Alles, was Bekleidung ist, auf einen Haufen“, lautet ihre strenge Anweisung. Noch grinsen wir beim Anblick des Bergs, der sich da im Fernsehen bei wildfremden Leuten auftürmt, bis uns das Lachen vergeht, als wir an unseren eigenen Kleiderschrank denken. Mit dem unguten Gefühl, dass wir womöglich selber leichte Messies sind, fangen wir an, unsere Klamotten zu begutachten und vor allem auszusortieren. Sehr erfolgreich, der riesige Haufen auf dem Bett ist verschwunden, der Schrank überschaubar und was wegkann, steht sortiert und verpackt bereit. Doch wohin? Secondhandläden, Kleiderkammern, wohltätige Sammelstellen – haben zu. Also ab zum Altkleidercontainer. Doch siehe da: alles verstopft. Ein Behälter neben dem anderen ist proppenvoll. Hier geht nichts mehr. Manche haben ihre Tüten einfach daneben abgestellt.

Corona verschärft Recycling-Krise

Das Konsumverhalten bei Bekleidung wird zum Problem. ©Andreas Lischka auf Pixabay

Wie wir haben Millionen Deutsche ihre Kleiderschränke aussortiert und damit der Recycling-Branche zusätzlich das Leben schwer gemacht. Denn das läuft schon lange nicht mehr rund. Früher waren Altkleidersammlungen lukrativ. Bis zu 700 Euro konnte man pro Tonne erzielen. Doch das ist vorbei. Die Preise sind um mehr als 20 Prozent gesunken und von Preisdumping ist oft die Rede. Corona hat die Recycling-Krise zusätzlich verschärft. Von einem nie da gewesenen Ausmaß an Altkleidern ist die Rede. „Was unseren Mitgliedern große Sorgen bereitet, ist die Absatzseite“, sagt Thomas Ahlmann, Geschäftsführer des Dachverbands FairWertung e. V. Der Absatz sei zusammengebrochen. „Und die Situation auf dem Alttextilmarkt verschärft sich täglich weiter.“ Die internationalen Märkte waren beziehungsweise sind geschlossen, Abnehmer vor Ort hatten zu und gleichzeitig kamen immer mehr Altkleider dazu. Die Lager sind gefüllt, Container überfüllt. So staut sich alles auf und am Ende gibt es wie bei Marie Kondo einen Kleiderberg – nur, dass dieser unvorstellbar groß ist. Da niemand weiß, wohin damit, gibt es inzwischen sogar Appelle der Branche, die Sachen doch bitte erst einmal zu Hause zu lagern.

Mehr Quantität, weniger Qualität

Und all das, wo es auch vorher schon genug Probleme mit dem Recycling gab, denn immer mehr Altkleider fallen mit gleichzeitig immer schlechterer Qualität an. Laut einer aktuellen Studie des Fachverbands Textilrecycling (bvse) stieg die Zahl der gesammelten Alttextilien von 1 Million Tonnen im Jahr 2014 auf 1,3 Millionen Tonnen in 2018. Damit man eine Vorstellung davon bekommt, was die Zahlen bedeuten, erklärt der Dachverband FairWertung e. V., dass die Menge von 1 Million Tonnen gut 62.000 Lkw füllen könnte, die, aneinandergereiht, eine Lkw-Schlange von Flensburg bis Innsbruck ergeben würde. Nicht vorstellbar, wie viele Lkw wir im Corona-Jahr 2020 bräuchten.

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Gleichzeitig aber steigt laut bvse der Anteil der sogenannten Störstoffe und die seien ein großes und teures Problem für die Verwerter: „Immer mehr ‚billige Stoffe‘ diverser Discounter der Textilindustrie machen den Firmen zu schaffen. Die Altkleidersammlung nimmt zwar alle T-Shirts und Stoffe an, einen Teil, vor allem die sehr billigen Produkte, kann sie aber gar nicht verarbeiten.“ Dementsprechend müssten immer mehr Textilien geschreddert, zu Putzlumpen verarbeitet oder entsorgt werden. Dazu Zahlen von FairWertung aus 2014: Durchschnittlich eignen sich nur noch 50 bis 55 Prozent der Textilien für den Secondhandgebrauch, 15 bis 17 Prozent für Putzlappen, 17 bis 19 Prozent werden als Recyclingstoffe eingesetzt und mehr als 10 Prozent müssen als Abfall beseitigt werden. „Die Verbrennungsquote hat sich von 8 Prozent im Jahr 2013 auf 12 Prozent in 2018 erhöht. Die hierin befindlichen Abfälle zur Beseitigung aus der Sortierung haben sich gar verdoppelt – mit entsprechenden Auswirkungen für die CO2-Bilanz der Umwelt. Insgesamt summierten sich die Abfälle zur Beseitigung in 2018 auf rund 53.000 Tonnen gegenüber 20.000 Tonnen in 2015“, heißt es dazu beim bvse. Minderwertig hergestellte Kleidung und unser Konsumverhalten entwickelten sich immer mehr zur Gefahr für das Textilrecyclingsystem und die Umwelt. Darüber sollten wir dringend nachdenken.
www.bvse.de
www.fairwertung.de