Autor: QK

Die Texte bestechen durch eine Schlichtheit, die erst in der Durchdringung und Verdichtung von Geschriebenem entsteht. „Ich bin deutlich konkreter geworden und immer mehr abgeschreckt von verwaschenen Aussagen. Die Vorstellung, man müsse Sprache in Musik poetisieren, finde ich nicht treffend und ich finde es nicht mehr zeitgemäß, sich abzuheben und elitär zu sein.“ Umso geräumiger und flächiger darf der Sound daherkommen, wie ein vielschichtiger Teppich oder eine sich steigernde Beat-Schraube. In „Erfolgreiche Life“ unterstreicht ein anschwellender Jahrmarktsound die Ironie des Erzählten: „Erfolgreiche Life / nie mehr verlieren / erfolgreiche Life / alles funktioniert / erfolgreiche Life / uh ungeniert / erfolgreiche Life / extrovertiert.“ In GRENZEN findet sich die Geschichte in den Klang einer New-Wave-Gitarre gebettet – „Netze zwischen Räumen / die Angst neutraler Leute / vorgestern, morgen, heute“; in „Gift“ wiederum lässt einen die anfängliche Klangkühle fast frösteln und mündet schließlich in etwas Drohendem, Aggressivem: „Was soll ich damit / was aus der Tiefe aus mir spricht / das hier war niemals ich / nein, das bin ich wirklich nicht / wenn doch, dann bin ich nicht ich / wenn doch, dann will ich das nicht.“ Sich zeigen macht verletzlich und Rieger beschreibt den größten Unterschied zwischen Bandleben und Soloprojekt: „Bei Die Nerven haben wir kollektive Gedanken und teilen jede Reaktion durch drei. Dort bin ich viel angriffslustiger und deutlich weniger verletzlich. Bei ,All diese Gewalt‘ entscheide ich allein, stehe aber auch allein in der Verantwortung.“ Wer einmal tiefen Schmerz, manifeste Einsamkeit, für den Moment endgültige Verlassenheit gefühlt hat, kann auf „Andere“ hören, dass Riegers Musik diese Tiefe besitzt, die nicht an jeder Ecke hörbar, sichtbar, spürbar wird und die nicht auf der verzweifelten Suche nach der viel beschworenen Authentizität plötzlich vor die Füße fällt. Schaut man auf die Facebook-Seite von „All diese Gewalt“, so lautet ein Eintrag vom Januar dieses Jahres: „VIER JAHRE SELBSTDEKONSTRUKTION MÜSSEN REICHEN.“ – „Vielleicht finde ich es deshalb furchtbar, weil ich in diesem langen Entstehungsprozess nicht mit mir im Reinen war. Jetzt ist es schmerzlich, genau das zu hören“, denkt Rieger laut nach. Darauf können wir uns verständigen. „Andere“ ist vieles, aber gewiss nicht furchtbar.
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Kelly Finnigan – A Joyful Sound

Auch die Songs sind von höchster Klasse, statt gecoverter Weihnachtssongs im Genre-Gewand gibt es hier eigene Nummern, wie immer mit ganz viel Feingefühl für Stimmungen und Atmosphären. Es überwiegen nicht unerwartet die ruhigen Songs, es gibt aber auch Tanzbares: „Santa’s Watching You“ ist knackiger Northern Soul, fast noch besser finde ich „No Time To Be Sad“, ein dramatischer Burner mit eleganten Streichern und einem, nun ja, Waldhorn-Riff von staunenswerter Schönheit. Die Gästeliste vereint fast alles, was aktuell im Soul einen guten Namen hat: Leute von Durand Jones & The Indications, The Dap-Kings, Monophonics, Orgone und Delvon Lamarr Organ Trio gaben sich im Studio die Klinke in die Hand. Für mich ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Kalifornier auch umsatzmäßig in die erste Liga der zeitgenössischen Soul-Größen aufsteigt. (Joe Whirlypop)
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Sam Amidon – Sam Amidon

Obwohl das Ergebnis insgesamt ausgesprochen vielfältig wirkt, das Spektrum reicht von richtig traditionellem Folk (einmal mit Gospel-Touch) in reduziert-akustischer, zum Teil tief berührender Form (oder harmonisch dezent aufgebrochen inklusive Synth) über „Modern Folk Rock“ (der schon mal entfernt an Wilco erinnert), einen Folk/Country/Blues-Hybriden, federleichten, zart angejazzten Folk Pop (Will Oldham mit anderen Mitteln?) bis zu so was wie experimentellen Jazz-Mountain-Music-Verbindungen (wobei die Jazz-Tendenzen vor allem, aber nicht nur, von einem Saxofon herrühren, einmal zudem Flöte – selbst das passt! Und ist hochgradig originell, noch mehr als sowieso schon). Ehefrau Beth Orton steuert ein paarmal Harmony Vocals bei. Ein kleines Wunderwerk, sehr zu empfehlen! (dvd)
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