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Kommentar

Andreas Grüter ©Peter Zembol

Autor: Andreas Grüter

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Messen im Umbruch

Analog oder digital, Fachpublikum oder Endverbraucher – wie sieht sie aus, die Messelandschaft der Zukunft? Knapp einen Monat vor dem Start der mehr oder weniger international abgesagten Tradeshow-Runde hat sich Andreas Grüter so seine Gedanken gemacht.

Es ist der dritte Advent und just während ich diese Zeilen schreibe, beraten Regierung und Länder über einen neuen, härteren Lockdown, der aller Wahrscheinlichkeit nach bereits vor dem Fest der Liebe in Kraft treten und den gesamten Einzelhandel hart treffen wird. Pre- und Post-Weihnachtsgeschäft ade, danke für nichts an das Lager der Maskenverweigerer, Coronaleugner, Querdenker und sonstigen Egoisten. Der Bruch im Branchenalltag geht allerdings noch wesentlich tiefer und direkt an die Fundamente der Handelskultur, zu der Messen ganz ohne Zweifel zählen. Schließlich sind sie der Marktplatz für Austausch, Innovation und Geschäft und letztendlich, selbst wenn immer wieder über das Ende der Tradeshow-Ära spekuliert wird, der Booster, der das Marktgeschehen stets auf Neue befeuert. Dieser Booster wird, wie bereits im vergangenen Sommer, auch in diesem Winter nicht gezündet werden können. Ende offen …

Retten uns digitale Editionen von PREMIUM, PREMIÈRE ViSiON, NEONYT und Co? Meiner Meinung nach, und da geben mir die Erfahrungen der letzten Sommerrunde recht, nur äußerst bedingt. Optik und Haptik lassen sich in der Mode nicht trennen. Das Gefühl für Stofflichkeit und Verarbeitung ist zwingender Teil des Gesamteindrucks und zumindest bislang nicht in die digitale Welt übertragbar. Messebesuche vor dem Computerbildschirm? Als Notnagel gar keine so schlechte Idee, als Modell mit glänzender Zukunftsperspektive auf absehbare Zeit eher ein Rohrkrepierer. Und wo wir schon dabei sind, sollten wir einen Blick durchs Brennglas auf die Tradeshows von morgen werfen. Da wird beispielsweise über die Partizipation der Endverbraucher gebrainstormt. Nennen Sie mich konservativ oder neuen Ideen gegenüber nicht aufgeschlossen, aber all das riecht schwer nach blindem Aktionismus und lässt mich keinen echten Zusatznutzen erkennen. Zumindest, solange man den Ein-Jahres-Vorsprung vom Design bis hin zur Markteinführung beibehalten will, den man für den reibungslosen Ablauf der Produktions- und Logistikmaschinerie braucht. Konsumenten wollen kaufen, was sie sehen und was ihnen gefällt. Begehrlichkeiten auf die Fashion von morgen mit monatelangem Vorlauf zu wecken, entwertet die Mode des Jetzt und macht den Weg frei für die schnellen Anbieter und ihre Fast Fashion. Und das kann in diesen, in vielen Belangen herausfordernden Zeiten nun wirklich in niemandes Interesse liegen.

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