Mehr Vertrauen, mehr Zuversicht bitte!

EDITORIAL

Markus Oess

Eines vorweg: Deutschlands Impfkampagne verläuft langsam, andere Länder wie Großbritannien oder die USA und Israel sind weiter. Die Öffnungsstrategie ist keine und trotz Einschränkungen, die obendrein einem Flickenteppich gleichen, gehen die Infektionszahlen hoch. Versagt Deutschland also? So einfach ist es nicht: Wir leben in einer Demokratie mit verfassungsrechtlich verbindlichen Regeln, die sich nicht einfach so umgehen lassen, und die föderale Ordnung hat durchaus ihre Berechtigung. Eine Demokratie hat auch andere Meinungen auszuhalten und auch das Recht, in ihrem Namen Regierungsbeschlüsse, egal ob auf Landes- oder Bundesebene, auszuhebeln. Wäre die Lage nicht so dramatisch, könnte man einen Vergleich mit der Fußballnationalmannschaft anstellen. Wir sind ein Land der Dichter und Denker, der Bundestrainer und vor allem aktuell der Pandemieexperten und Virologen. Ohne an dieser Stelle noch weiter in die Tiefe gehen zu wollen, auch Wissenschaftler können sich zwar irren, aber sie bringen immer noch eine Menge mehr Sachverstand mit als die meisten Politiker, egal ob in der Regierungsverantwortung oder in der Opposition, die uns im Kampf gegen Corona so ausbremsen.

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Wenn schon Experten befragt werden, Kommissionen gebildet werden, warum wird deren Rat dann doch überhört und so getan, als gebe es noch andere, gleichwertige Aspekte als den Schutz der Menschen vor dieser Pandemie als Ultima Ratio? Es wird nichts helfen, die Maßnahmen im Kampf gegen das Virus müssen verschärft werden, um die dritte Welle zu brechen. Auch wenn diskutiert, herumgenörgelt und damit wertvolle Zeit vergeudet wird. Nicht die Wissenschaft und auch nicht die Bundesregierung sind schuld an dieser Krise, es ist immer noch das Virus. Warum eigentlich befolgen wir nicht den Rat der Wissenschaftler konsequent, denn Öffnungen sind nur dann hilfreich, wenn nicht kurze Zeit später die Infektionen wieder in die Höhe schnellen und alles Erreichte zunichtemachen. Gerade was die Bekämpfung dieser Pandemie angeht, herrscht doch sehr große Übereinstimmung bei Virologen, bei Epidemiologen, den Ärzten und lagerübergreifend auch bei den Wirtschaftswissenschaftlern. Es ist nun mal die richtige Antwort: Kontakte runter, um die Inzidenzen so weit zu drücken, dass das Infektionsgeschehen wieder von den Gesundheitsämtern nachverfolgbar wird. Testen und Impfen und Impfen und Testen. Dann erst können wir wieder ans Öffnen denken, egal ob Schulen, Arbeit oder Sport und Kultur. Natürlich brauchen wir eine Exitstrategie, auch mit ausreichenden und schnellen Wirtschaftshilfen, aber das geht eben nur dann, wenn wir das Infektionsgeschehen wieder eindämmen und kontrollieren können. Also bringen wir unseren Wissenschaftlern doch mehr Vertrauen entgegen und tun wir das, was getan werden muss. Bleiben wir aber dabei zuversichtlich, denn es gibt viele Gründe, weswegen wir aus dieser Pandemie gut herauskommen werden!

Anderes Thema: Wir haben uns diesmal Russland zugewandt. Wie sieht es aus im größten Land der Erde, das gerade für deutsche Marken strategisches Gewicht hat? Es glänzt bei Weitem nicht alles und die politische Großwetterlage lässt befürchten, dass sich die Beziehungen zu Russland abkühlen werden, obwohl gerade Deutschland durchaus Interesse daran haben sollte, dass genau das nicht geschieht, wie der Russlandexperte Professor Gerhard Mangott im FT-Interview betont. Zu Recht, denn der Trumpismus hat gezeigt, wie wichtig es ist, sich von den USA zu emanzipieren, und der amtierende US-Präsident verfolgt eigene Interessen. Er gilt nun gerade nicht als Bewunderer seines russischen Gegenparts Wladimir Putin. Das Land leidet unter dem Verfall des Erdölpreises, der Abwertung des Rubels und es leidet auch unter den Sanktionen des Westens. Dennoch gibt es Anzeichen, dass unser östlicher Nachbar besser durch die Krise kommt als befürchtet. Auch wenn der Konsum in der Pandemie darbt, schreitet die Digitalisierung voran. Im Osten wie im Westen. Und die deutsche Exportindustrie ist um Normalität bemüht, die Geschäfte müssen laufen. Das soll nun ganz sicher nicht heißen, dass in Russland alles gut ist und Putin ein feiner Demokrat. Im Gegenteil, Meinungsfreiheit wird immer noch kleingeschrieben und Repressionen sind allgegenwärtig. Nicht besser sieht es in Kirgistan aus. Wir haben mit Maksat Eraaliev, einem bekannten LGBT-Aktivisten, über seine Erfahrungen gesprochen. Ich lebe erst seit drei Jahren offen schwul, das ist in Kirgistan nicht ungefährlich“, sagt er im Interview mit FT und das ist nicht hinzunehmen. Und dennoch macht das Mut, denn Eraaliev lebt jetzt hier in Deutschland und kann sich ganz offen für seine Sache einsetzen. Das ist kein Idealfall, aber ein Beispiel, dass wir die Dinge zu einem Besseren wenden können. Gerade in diesen Zeiten brauchen wir Vertrauen in die Zukunft und die Zuversicht, dass wir etwas ändern können.

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Ihr Markus Oess