Ghanas steile Lernkurven

Export

Alfie Textiles Factory, Accra-Ghana. November 28, 2019. ©GIZ/Francis Kokoroko

Autor: Markus Oess
Das afrikanische Ghana hat Erfahrung in der Textil- und Bekleidungsproduktion für den regionalen Markt, allerdings nicht, wenn es um globalen Wettbewerb geht. Die deutsche Bundesregierung will in Ghana mit ihrem Engagement unter anderem auch den Textilsektor aufbauen und exportfähig machen, um vor Ort Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen. Gleichzeitig geht es um die Einhaltung von Menschenrechten und internationalen Standards. Wir haben mit den Projektverantwortlichen vor Ort gesprochen. Eine Zwischenbilanz.

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In Ghana gibt es kaum Schulen, die für eine Arbeit in der Textil- und Bekleidungsindustrie ausbilden.

Eine „Entwicklungspartnerschaft mit der Privatwirtschaft“ soll es richten. Zu so einer hat sich im afrikanischen Ghana die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit der britischen Beschaffungsagentur Ethical Apparel Africa (EAA), dem deutschen Produzenten für industrielle Nähmaschinennadeln GROZ-BECKERT, dem US-amerikanischen Anbieter für Schnittmustertechnologie GERBER TECHNOLOGY sowie dem deutschen Technologieunternehmen FREUDENBERG, das unter anderem Vliesstoffe herstellt, zusammengeschlossen. Vor Ort arbeiten die Partner mit Branchenverbänden, NGOs und Bildungsinstitutionen zusammen. Unterstützung für die Bekleidungsindustrie gab es schon vorher, aber diese Public-private-Partnership (PPP) ist das erste Vorhaben, das sich der exportorientierten, industriellen Bekleidungsproduktion widmet. Im Januar 2019 ist das Projekt angelaufen, mit dem Ziel, bis Juli 2022 rund 1.200 sozialverträgliche Jobs in Ghana zu schaffen. Es geht aber auch um die Einhaltung von Menschenrechten und internationalen Standards. Die Initiative für das Projekt ging von der EAA aus.

Das Projekt ist Teil des vom Bundesentwicklungsministerium (BMZ) beauftragten develoPPP-Programms, das unternehmerische Initiativen mit entwicklungspolitischem Nutzen fördert. Außerdem wird es von der Sonderinitiative Ausbildung und Beschäftigung unterstützt, die im Auftrag des BMZ unter der Marke „Invest for Jobs“ operiert und in den acht afrikanischen Partnerländern gemeinsam mit Unternehmen in Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie in die Verbesserung von Arbeitsbedingungen investiert. Drei zentrale Aspekte stehen bei dem Vorhaben im Mittelpunkt: die Qualität der Produkte, ihr Preis und drittens die Einhaltung internationaler Standards. Zentrale Kernfragen, an denen das Projekt mit einem Team von Branchenexperten arbeitet.

Ghana könne zollfrei in die EU exportieren, die Ware sei innerhalb von 15 Tagen in der EU und die Partnerbetriebe erfüllten die internationalen Qualitäts- und Sozialstandards. Christian Wollnik, GIZ

„Wir helfen beim Aufbau eines neuen Schulungs- und Entwicklungsbereichs zur industriellen Bekleidungsproduktion in einer der größten Berufsschulen von Accra, dem Accra Technical Training Centre (ATTC). Die Ausbildung der Textilarbeiter erfolgt in den Bereichen digitale Schnittmustererstellung und Nähmaschinenmechanik. Zudem werden Fortbildungsmöglichkeiten für Fachkräfte auf der mittleren Managementebene angeboten. Außerdem unterstützen wir die Betriebe vor Ort mit Workshops, Beratung und unseren Netzwerken“, sagt Christian Wollnik, Team Leader develoPPP, EcoDev, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Gerade die Mitarbeiterqualifizierung ist wichtig. In Ghana gibt es kaum Schulen, die für eine Arbeit in der Textil- und Bekleidungsindustrie ausbilden.

In einem zweiten Schritt haben wir aktuell mit 20 Partnerbetrieben eine tiefere Partnerschaft vereinbart. Diese Partnerfirmen erhalten Unterstützung in den Fabriken zu den Themen Qualität und Qualitätskontrolle, Einrichtung von Produktionslinien und Effizienzsteigerung dieser Fertigungslinien. Außerdem erfassen wir ihren Status quo im Hinblick auf wesentliche Sozial- und Umweltstandards, entwickeln Verbesserungspläne und begleiten die Fabriken dann auch bei deren Umsetzung“, führt Wollnik weiter aus.

Von einer Entwicklungspartnerschaft zwischen öffentlichen und privaten Partnern sollten alle Parteien profitieren, ist Wollnik überzeugt, anders sei zumindest nachhaltig niemand zu einer engagierten Teilnahme bereit. „Wir haben also nichts dagegen, wenn die Partner dabei Profit machen, im Gegenteil. Die GIZ stellt nur sicher, dass neben dem betriebswirtschaftlichen Nutzen ein übergeordneter gesellschaftlicher Nutzen entsteht, der im Einklang mit entwicklungspolitischen Zielen der deutschen Bundesregierung für Ghana steht. Die beteiligten Unternehmen tragen dieses Verständnis aber auch mit und auch das ist wichtig für eine erfolgreiche Umsetzung“, sagt Wollnik.

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Was wir aktuell sagen können, ist, dass wir bei den meisten Betrieben sehr schnell nennenswerte Fortschritte erzielen können“ Maike Kuske, GIZ

Gleichzeitig verpflichtet sich die GIZ in einer Vertraulichkeitsklausel, Interna der Fabriken nicht weiterzugeben, und achtet darauf, keine Abhängigkeiten gegenüber den privaten Projektpartnern aufkommen zu lassen. „Ziel ist es vielmehr, die Betriebe autark werden zu lassen, sodass sie selbst ihr Exportgeschäft aufbauen können“, betont Maike Kuske, Project Manager für das develoPPP-Projekt „Decent Jobs in Ghana’s Emerging Apparel Sector“.

Die größte Herausforderung war zu Beginn, die Partnerbetriebe dazu zu bringen, in die Verbesserung ihrer Sozial- und Umweltstandards zu investieren, da für sie auf den ersten Blick oft kein „Return on Invest“ erkennbar war. „Wir mussten die Firmenleitung überzeugen, dass ohne Einhaltung dieser Standards und der Qualitätsanforderungen kein ausländischer Kunde bereit ist, Aufträge zu erteilen. Unsere Erfahrung zeigt: Hat das Geschäft erst einmal Fahrt aufgenommen und kommen die ersten Aufträge, ist auch die Skepsis weg“, sagt Wollnik. Ein weiterer Hemmschuh sind die auf den ersten Blick geringen Margen, die im internationalen Exportgeschäft erzielt werden können. So fertigen zum Beispiel ghanaische Firmen für den Staat Schuluniformen und erhalten dafür vergleichsweise hohe Stückpreise. Das Problem ist nur, dass die Auftragslage nicht stabil ist und deshalb sichere Einnahmen nicht möglich sind. „Anders ist das beim Exportgeschäft – stehen die Geschäftsbeziehungen erst mal, haben die Betriebe ein weiteres Geschäftsfeld und können sich gegen inländische Auftragsschwankungen besser absichern“, führt Kuske weiter aus. Dann kommt die Einsicht, dass auch mit niedrigeren Margen dank einer höheren Effizienz Profit gemacht werden kann. Dass es funktioniert, zeigt auch die Firma Dignity DTRT Apparel, die mit mehr als 2.000 Mitarbeitern für den US-Markt produziert.“

Die größte Herausforderung war zu Beginn, die Partnerbetriebe dazu zu bringen, in die Verbesserung ihrer Sozial- und Umweltstandards zu investieren, da für sie auf den ersten Blick oft kein „Return on Invest“ erkennbar war.

Positiver Mitnahmeeffekt des Projektes: Heute werden 16 der 20 Partnerbetriebe von Frauen geleitet. In dem Sektor arbeiten generell viele Frauen. „Und wir legen großen Wert auf die Einhaltung internationaler Sozial- und Umweltstandards. Dazu gehen wir in die Betriebe, ermitteln nach einer festen Audit-Matrix den aktuellen Status quo und halten die Punkte fest, wo und wie nachgebessert werden muss. Darüber hinaus schulen wir die HR und Compliance Manager in der Umsetzung. Was wir aktuell sagen können, ist, dass wir bei den meisten Betrieben sehr schnell nennenswerte Fortschritte erzielen können“, bilanziert Kuske. „Die Partnerbetriebe wurden teils vom heimischen Textilverband oder den Projektpartnern vorgeschlagen. Teils machen wir auch Kaltakquise, fragen direkt nach bei Fabriken, die unsere Mindestanforderungen zur Exportfähigkeit erfüllen.“ Kuske sagt auch, man müsse die Gegebenheiten vor Ort respektieren, anerkennen, dass es Kulturunterschiede gebe, die sich nicht einfach beseiteschieben ließen. Andererseits gebe es eben internationale Standards und Regeln, insbesondere Qualitätsstandards und strikte Zeitvorgaben, an die sich alle Produzenten im Exportgeschäft halten müssten – egal ob Ghanaer oder Bangladescher.

Die beiden sind zuversichtlich, jetzt auch recht kurzfristig erste Erfolge zu erzielen, zumal auch die ghanaische Regierung einen Masterplan aufgelegt hat, um die heimische industrielle Produktion für den Export zu fördern. Sie planen für den Februar 2022 eine Käuferreise mit 15 europäischen Einkäufern. Interessierte Einkäufer können sich hier registrieren lassen. Die Vorteile Ghanas lägen auf der Hand: Ghana könne zollfrei in die EU exportieren, die Ware sei innerhalb von 15 Tagen in der EU und die Partnerbetriebe erfüllten die internationalen Qualitäts- und Sozialstandards, wirbt Wollnik. „Wenn Einkäufer erste Beschaffungen aus Ghana planen, sollten sie sich zunächst auf Produkte konzentrieren, deren Herstellung nicht zu komplex ist. Auch was die Stückzahlen angeht, sollte man mit moderaten Vorstellungen beginnen. Besser ist es, kleiner anzufangen und das Volumen schrittweise hochzufahren“, empfiehlt Kuske. Die Exporterfahrungen der letzten Jahre hätten steile Lernkurven und Effizienzgewinne gezeigt.