Jeck im Supermarkt

In der Umkleide

Ein Outfit, das man alle Jahre wieder aus dem Schrank holen kann – und trotzem etwas Besonderes ist. alle Bilder © Dirk Mönkemöller

Autor: Dirk Mönkemöller
Unser Autor schlüpft jeden Monat in eine neue Haut und probiert modische Trends im Selbstversuch. Diesmal: ein bunter, wild dekorierter Mantel für die Karnevalszeit.

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Ich wollte schon immer mal …

… beim Karneval in Köln mitmischen, ohne mir viele Gedanken über ein Kostüm machen zu müssen. Das mag paradox klingen – schließlich ist das Verkleiden an Karneval/Fasching der halbe Spaß. Für ein paar Stunden oder Tage kann man eine ungewohnte Rolle einnehmen und den Alltag Alltag sein lassen. In banalen Fällen ist das dann die sexy Krankenschwester oder der Typ im SWAT-Team-Outfit. Es geht aber auch kreativer: Ich erinnere mich an ein simples und zugleich effektives Kostüm, das ich vor … äh, vielen Jahren … getragen habe: Deutschrap stand in voller Blüte und ein Typ mit Silbermaske im Gesicht lief im Radio hoch und runter. Meine Version des Rappers Sido bestand aus einer rasch gebastelten Pappmaske, die ich mit silberner Wasserfarbe angemalt hatte. Dazu trug ich ein weißes XXL-T-Shirt mit der Aufschrift „Aggro alaaf“. Die Reaktionen im Kneipentohuwabohu waren überwältigend (sprich: viele Frauen – und Männer! – wollten Sido ein Bützchen geben). Dann kam die Kehrtwende.

Ohne Plan

Viele Frauen – und Männer! – wollten Sido ein Bützchen geben

In den zwei bis drei Jahren BC (before Corona) habe ich mir aus Ermangelung an Ideen nur noch ein gelbes Hütchen vom LiDL-Grabbeltisch und ein „witziges“ oranges Jacket angezogen. Traurig, aber wahr. Es musste also was Neues her! Ein Outfit, das man alle Jahre wieder aus dem Schrank holen kann – und trotzem etwas Besonderes ist. Die Lösung stammt aus den Händen meiner schneidernden Freundin: ein Gehrock mit wildem Patchwork-Muster aus einem Stoff von MISSONI (so viel Extravaganz muss sein!). Knielang und somit perfekt gegen Kälte. Eng anliegend. Mit einer großzügigen Innentasche für Cash, Handy und Hausschlüssel. Ein Jackenunikat, das ich als eine Art Leinwand betrachte und nach und nach mit Schnickschnack dekoriere: Buttons, Broschen und Ansteckern aller Art. Aufnäher, Kronkorken – sogar eine Spielkarte habe ich aufgenäht. Lauter Fundstücke aus der Karnevalshölle.

Öko-Kappe

Und auf den Kopf gehört eine Narrenkappe

Die Karnevalstradition rührt ja daher, dass sich das gemeine Volk über die Obrigkeit lustig macht. Deshalb rennen waschechte Karnevalisten gerne in Uniformen herum, die etwas Militärisches haben. Und auf den Kopf gehört eine Narrenkappe. Meine gehäkelte Kopfbedeckung ist eher Öko als Militär – an der Spitze baumelt sogar ein Kölsch-Kronkorken, der an einem Wollbändchen hängt. Mehr Bourgeoisie geht nicht. Was ich untenrum trage, ist übrigens egal. Hose und Schuhe sieht im Gedränge eh niemand. Wichtig ist nur, dass die Treter möglichst oll und bequem sind. Denn in den Kneipen tänzelt man gerne mal knöchelhoch im Partydreck herum.

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Sag alles ab

Ach so, da war ja noch was! Die jecken Tage müssen dieses Jahr mal wieder eine Runde aussetzen. Es sei denn, man möchte sich als sexy Krankenschwester oder SWAT-Team-Heini in eine der sogenannten „Brauchtumszonen“ schmeißen. Danke, nicht mit mir. Ich halte es lieber so, wie andere Karnevalisten es in den letzten zwei Jahren gemacht haben, und gehe höchstens mal kostümiert zum Einkaufen in den Supermarkt. Das ist besser als nichts. Und zumindest ein kleiner Funke von Anarchie inmitten des Alltags, den man so gerne hinter sich lassen würde.

In diesem Sinne: alaaf und helau!