„Wir wachsen weiter“

modtissimo

Während Messe-Chef Manuel Serrão die Plattform bei den Fabrics an den Wachstumsgrenzen sieht, erkennt er bei den Garments durchaus noch Potenzial. Auch ist er in Gesprächen, die Guimarães Home Fashion Week auf die Messe zu holen. alle Bilder ©FT

Autor: Markus Oess
 
Grund zum Feiern hatten die portugiesischen Macher der Sourcingmesse mod tissimo durchaus: 30 Jahre und 60 Ausgaben. Die zweite Ausgabe nach der Rückkehr der Messe ins Exponor war voll besetzt. Portugals Exporte wachsen wieder, nicht zuletzt sorgen die globalen Entwicklungen wie der Ukraine-Krieg und gestörte Lieferketten für eine Neubewertung als Produktionsstandort. Auch hilft es, dass die portugiesische Textilindustrie recht früh auf Nachhaltigkeit gesetzt hat. Umgekehrt machen auf der Iberischen Halbinsel wie überall in den westlichen Ländern explodierende Energiekosten und Fachkräftemangel Probleme. Die Messe kann dennoch zulegen.

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„Besonders happy bin ich, dass die Anzahl der internationalen Einkäufer auf 400 gestiegen ist, das sind immerhin 10 Prozent aller Besucher.“ Manuel Serrão, CEO von Associação Selectiva Moda 

Manuel Serrão, CEO von Associação Selectiva Moda und Direktor der Sourcingmesse mod tissimo in Porto, lacht entspannt und lehnt sich zurück: Natürlich sei er mit der 60. Ausgabe zufrieden. Die Halle 6 im Exponor sei mit 9.500 Quadratmetern (mehr als 350 Kollektionen) voll besetzt und die Anzahl der Aussteller abermals gewachsen. Trotz des Flächenplus von weiteren 2.000 Quadratmetern konnte er vier Aussteller immer noch nicht unterbringen. „Ich freue mich über die Rekordzahl an Ausstellern. Besonders happy bin ich, dass die Anzahl der internationalen Einkäufer auf 400 gestiegen ist, das sind immerhin 10 Prozent aller Besucher. Wir wachsen weiter.“ Neben den Niederlanden kamen Besucher insbesondere aus Österreich, Deutschland und Spanien. „Zum ersten Mal und seit der Pandemie werden wir Einkäufer und Journalisten aus Japan und den Vereinigten Staaten haben“, fügt Serrão an.

Im Großraum Porto haben sich 90 Prozent der gesamten Textilindustrie angesiedelt. Die Gelegenheit, mal von der Messe direkt zu den Fabriken zu fahren, wird von den Einkäufern gerne genutzt und ist Teil des Konzeptes der mod tissimo, ohne das konkret auszusprechen. Zwar monierten einige Firmen die Wahl des Zeitpunktes der Messe, da im Land immer noch Ferien waren, aber das will Serrão nicht gelten lassen. Im Gegenteil, es sei richtig gewesen, die Messe vorzuziehen, weil auch die anderen Messen wie Paris mit der PREMiÈRE ViSiON oder Mailand mit der FILO im Terminkalender nach vorne gerückt seien.

„Neues Netzwerk.” Cristina Castro, citeve-Öffentlichkeitsarbeit (li.)

Der Manager zeigt sich gegenüber FT überzeugt, dass Portugal von der aktuellen Krise profitiere, und auch die gebrochenen globalen Lieferketten hätten Marken zu einer Neubewertung von Asien als Produktionsstandort gebracht, manche hätten sich auch nach Portugal wieder oder neu orientiert, werde ihm von Ausstellern berichtet. Immerhin ist das Land nach den Zahlen des portugiesischen Industrieverbandes ATP in der EU nach Umsatz die Nummer fünf und konnte im vergangenen Jahr den Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 11,7 Prozent auf 7,75 Milliarden Euro steigern. Gegenüber 2019 bleibt immer noch ein leichtes Plus von 0,9 Prozent. Auch die Exporte legten gegenüber dem Vorjahr um 13,6 Prozent auf 5,41 Milliarden Euro zu, gegenüber 2019 waren es 3,8 Prozent. Deutschland rangiert im ersten Halbjahr 2022 nach Spanien (726 Millionen Euro, plus 10 Prozent zu 2020, minus 10 Prozent zu 2019) und Frankreich (492 Millionen Euro, plus 25 Prozent zu 2020, plus 40 Prozent zu 2019) auf dem dritten Rang (279 Millionen Euro, plus 18 Prozent zu 2020, plus 24 Prozent zu 2019). Neben der kurzen Distanz nennt der Messechef Serrão vor allem das Thema Nachhaltigkeit als großen Wettbewerbsvorteil, schließlich werde das Thema schon seit 2016 auch auf der Messe in Zusammenarbeit mit der citeve behandelt.

Carlos Carepa Figueiras, Produktmanager von der Staatlichen Agentur für Investitionen und Außenhandel Portugals, kümmert sich auch um die Belange der portugiesischen Bekleidungsindustrie. Derzeit stünden aber eher Technologieprojekte ganz oben auf der Agenda. „Allen voran die Fertigstellung der Flüssiggaspipeline durch Frankreich nach Deutschland und auch das Thema erneuerbare Energien und grüner Wasserstoff“, sagt er. Aktuell sieht er noch keine Rezession aufziehen, es seien mehr der Fachkräftemangel und die Produktionskapazitäten, die langsam an ihre Grenzen stoßen, die ihm Sorge bereiteten. „Aufträge sind da“, sagt Figueiras. In der Halle wurde auch viel über den Ukraine-Krieg und die gestiegenen Energiekosten gesprochen. Allein die wichtigen Gaspreise hätten sich innerhalb eines Jahres verzehnfacht. Häufig ist zu hören, dass die Probleme aktuell riesig seien und die Preise nicht sonderlich lange Gültigkeit hätten, sondern eher einen Referenzwert darstellten, die zur Not auch entsprechend angepasst werden müssten. Keine leichte Situation für die portugiesischen Produzenten. Vor allem bekommt die Branche inzwischen den Fachkräftemangel merklich zu spüren, den auch schon Figueiras angesprochen hatte.

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Beschleuniger Energiekrise.” José Mineiro Esteves, Director of Sales des Schweizer Faserproduzenten HEIQ

Dennoch überwiegt der Optimismus, die Hoffnung, dass die Energiekrise den Switch zu echter grüner Produktion sogar beschleunigt, so, wie die Corona-Pandemie der Digitalisierung einen merklichen Schwung verliehen hat. „Wenn es wehtut, ist die Bereitschaft zur Veränderung schlicht größer.“ Das sagt José Mineiro Esteves, Director of Sales des Schweizer Faserproduzenten HEIQ, der sich auf Bio-Fasern eingeschossen hat. Esteves sagt, dass viele Kunden auf den Nachhaltigkeitszug aufgesprungen seien. Auch Between Parallels setzt auf nachhaltig produzierte Kleinserien. Dahinter verbirgt sich ein Zusammenschluss von 34 Unternehmen, um die eigenen Produkte besser vermarkten zu können. Eine von diesen Firmen ist THE CAPTAIN SOCKS, die Socken und Sneaker zu einem VK von 169 Euro verkauft, welche aus Apfelschalen gefertigt werden. Ihr Gründer Tiago Monteiro beliefert auch deutsche Kunden, die den Schuh selbst branden. Für Monteiro hat es sich gelohnt, auf die Messe zu gehen. Er will bei der kommenden Ausgabe mit einem eigenen Stand auftreten.

Unter anderem präsentiert die Associação Seletiva Moda (ASM) in Zusammenarbeit mit citeve zwei Showcases: iTechStyle Green Circle und iTechStyle Showcase. „Wir stellen iTechStyle Green Circle 2.0 vor, eine Weiterentwicklung der Initiative. Dieses Mal haben wir die Zusammenarbeit auf eine Reihe von Unternehmen, Designern und Teamkoordinatoren ausgeweitet. Das bedeutet, dass nun ein Produkt aus Materialien verschiedener Firmen besteht, von einer Gruppe von Designern entworfen und von einem Bekleidungsunternehmen aus unserer Branche hergestellt wurde, im Gegensatz zum vorherigen Modell, bei dem wir ein Unternehmen, einen Designer, einen Prototyp hatten“, sagt Cristina Castro, citeve-Öffentlichkeitsarbeit. Was zähle, sei der Netzwerkgedanke, der die lineare Entwicklung ersetze. Folgerichtig wurde eine gewachsene Anzahl von Outfits gezeigt. „In diesem Jahr haben wir 40 Unternehmen und 90 verschiedene Materialien auf der Messe“, sagt Castro. Während diesmal nur Womenswear ausgestellt wurde, soll bei der kommenden Ausgabe zusätzlich die Menswear zum Zuge kommen.

Exponor 

Nachdem Österreich als Gastland bei der 59. Ausgabe von mod tissimo antrat, folgten nun die Niederlande mit einer Delegation von Unternehmen, die in Zusammenarbeit mit der niederländischen Botschaft in Lissabon, RVO und AEP organisiert wurde. mod tissimo werde zunehmend international und sowohl von Käufern als auch von internationalen Ausstellern wie Sprintex, HEIQ, Lenzing und den Debüts von The Woolmark Company oder schoeller the spinning group nachgefragt, heißt es von den Organisatoren. mod tissimo ist die größte Messe im portugiesischen Textilsektor und die älteste auf der gesamten Iberischen Halbinsel. Sie findet zweimal im Jahr statt und bringt den portugiesischen Textilsektor zusammen, von Garnproduzenten bis hin zu Bekleidungsherstellern. Während Messe-Chef Serrão die Plattform bei den Fabrics an den Wachstumsgrenzen sieht, erkennt er bei den Garments durchaus noch Potenzial. Auch ist er in Gesprächen, die Guimarães Home Fashion Week auf die Messe zu holen.

FT wurde von den Organisatoren auf die Messe eingeladen.

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