Stay Gold, Ponyboy

Was uns lieb und teuer ist …

Ich bin keine Markenfetischistin, im Gegenteil. Das hat mein 14-jähriges Ich aber nicht davon abgehalten, sich in Sachen Hosen auf eine Marke festzulegen: LEVI’S. ©privat

Autorin: Eva Westhoff 
In der Rubrik „Was uns lieb und teuer ist“ erzählen unsere Redakteurinnen und Redakteure die Geschichten hinter Fashion Pieces, die einen besonderen Platz in ihren Kleiderschränken gefunden haben. In dieser Ausgabe schreibt Eva Westhoff über ihre Hose fürs Leben. 

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Gefühlt habe ich die gesamte Schulzeit im gleichen Outfit verbracht: Jeans, weißes T-Shirt, Jeansjacke. Real waren es wohl die Mittel- und die Oberstufe, mindestens. Meine Vorbilder: James Dean, Nick Kamen, River Phoenix, in ebendieser zeitlichen Abfolge. Womöglich hatte ich das Konzept der Teenie-Schwärmerei nicht ganz verstanden oder die Klamotten waren damals, an der Schwelle der Achtziger zu den Neunzigern, einfach auf selbstverständliche Weise das, was man heute als genderfluid bezeichnet. So oder so: Aus der Jeans-/T-Shirt-Nummer habe ich nie wirklich herausgefunden.  

Ich bin keine Markenfetischistin, im Gegenteil, Logos und Labels aller Art haben mich immer gestört, die Oberflächen meiner Klamotten mag ich pur. Das hat mein 14-jähriges Ich aber nicht davon abgehalten, sich in Sachen Hosen auf eine Marke festzulegen: LEVI’S natürlich. Vielleicht erklärt das, warum ich, seit ich sie in einem der vielen Schränke meiner Mutter entdeckte, eine schwarze Levi’s in meinem Kleiderschrank aufbewahre.  

Ihr genaues Alter kenne ich nicht, der Waschzettel ist bis zur Unlesbarkeit verwaschen, in jedem Fall ist die Hose älter als ich. Ist sie ein 70s- oder gar noch ein 60s-Modell? Ich weiß es nicht, ihr Bein ist eher gerade. Sie hat ein weißes Label an der rechten Back Pocket und eine kleine Kordel am Zipper. Die ist natürlich nicht original, sondern eine von mir erdachte Hilfskonstruktion, um den defekten Reißverschluss durch Befestigung am Knopf unauffällig oben zu halten. Andere echte Mängel weist die Hose nicht auf, allein, sie war mir eigentlich schon mit 14 zu eng. Getragen habe ich sie daher eher selten, dafür aber über die Jahre hinweg viele andere Levi’s-Exemplare. 

Mein erstes Paar war vintage. Nein, es war nicht das meiner Mutter – ich kaufte es bei Ela, mit bürgerlichem Namen Gabriela Holscher, die in ihrem legendären Düsseldorfer Laden damals noch einen Schwerpunkt auf Original 501 und Vintage Styles aus den USA legte. Zu ihrer Kundschaft zählte nicht nur ich, sondern auch Kraftwerk oder die Dexys Midnight Runners, die sich hier für Plattencover oder Videodrehs einkleideten, aber das wusste ich damals natürlich nicht, ebenso wenig, wie mir Elas enge Bande mit der Düsseldorfer Kunstakademieszene zu Ohren gekommen wären. Ich war 13 und suchte ja nur eine Hose.  

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Meine erste 501 war blau, verwaschen und ausgestattet mit einer Red-Selvedge-Webkante, die ich ab und zu bügelte, wenn sie sich nach der Wäsche nicht so platt legte, wie sie sollte. Die Levi’s passte mir perfekt, wie ich fand. Dennoch teilte sie sich meinen Schrank anfangs noch mit einer „Pedal Pusher“ von CLOSED und temporär auch mit einer Chipie, die ich zusammen mit meiner Klassenkameradin Svenja meiner Freundin Susi abgekauft hatte. Wir trugen die Hose im wöchentlichen Wechsel – ein Sharingmodell, das nur leidlich funktionierte. Ich erinnere mich nicht an den Verbleib unseres gemeinsamen Besitzes, wohl aber an das Wort „Edelpopper“, das mir unterdessen begegnet war und das mich irgendwie nachhaltig irritierte. Rückblickend vielleicht einer der Gründe, warum fortan nahezu ausnahmslos Levi’s in meine Einkaufstüten wanderten. Einzig zwei Low-Waist-Bootcut-Diesel ließ ich zum Ende des Jahrtausends auf meine Hüfte, dies nach einer Phase der Denimabstinenz, in der ich Stoffhosen aus dem Kilo-Shop bevorzugte. Obenrum war ich meiner Lieblingsjeansmarke übrigens von Anfang an untreu: Jeansjacken hatten in meinen Augen schmal geschnitten und von Lois zu sein.  

Nachdem ich sie unzählige Mal auf der Nähmaschine mit Zickzackstich geflickt hatte, war meine geliebte Lois-Jacke irgendwann so ramponiert, dass sie aus meiner Garderobe in den Fundus der ab- oder zur Seite gelegten All-Time-Classics überwechselte. Die Levi’s, die ich bisher besessen habe – ich schätze ihre Zahl auf etwa 25 –, mussten aus Platzgründen auf den Trödel, wenn sie zu löchrig wurden oder der Zeitgeist allzu bestimmt über sie geurteilt hatte. Bis auf die schwarze meiner Mutter.  

Vor ein paar Tagen bin ich losgezogen, um mir eine neue Hose zu kaufen. Wenn man sie dauernd trägt, halten die Jeans mit Elastananteil ja nicht ewig, egal welche Marke. Kein Geheimnis, doch nach langjähriger Elastanverweigerung konnte ich irgendwann nicht mehr über die Pros hinwegsehen, die die Kontras in diesem Fall flankieren. Ich ging also in den LEVI’S Store und wurde auf Anhieb fündig, und so schreibe ich diesen Text in einer „Middy Straight“ in einem recht hellen Blau und aus 100 Prozent Baumwolle. Die Levi’s passt mir perfekt, finde ich, und als ich in der Umkleide in den Spiegel sah, erlebte ich mein ganz persönliches 90er-Jahre-Revival: Für einen kurzen Moment fühlte ich mich wieder wie River Phoenix.