KI kommt voran

Studie

Kosten und Planungssicherheit bremsen das Tempo. ©HDE/Safaric Consulting

Autor: Markus Oess
Spektakuläre medizinische Erfolge, der berechenbare Mensch oder der Missbrauch finsterer Mächte. Mit der KI werden viele aufsehenerregende Bilder assoziiert. Der Alltag im Handel sieht da viel nüchterner aus. KI wird zusehends eingesetzt, um Prozesse zu beschleunigen und effizienter zu werden. Die Bedeutung wächst, aber der ganz große Durchbruch lässt auf sich warten. Kosten und Planungssicherheit bremsen das Tempo, wie eine Studie des HDE in Zusammenarbeit mit der Kölner Unternehmensberatung Dr. A. Safaric Consulting GmbH und der Universität Münster zeigt.

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Künstliche Intelligenz (KI) gilt überall als die Markttreiberin der Zukunft. „Flexible und personalisierte Einkaufserlebnisse sowie optimierte Prozesse und Entscheidungen. In Verbindung mit großen Datenmengen (Big Data) bieten sich dem Handel ungeahnte Möglichkeiten. KI kann so zum Erfolgsgaranten des modernen Handels werden“, schreibt der Handelsverband HDE, Berlin, zu seiner dritten Handelsumfrage zum Einsatz von KI, die zusammen mit der Kölner Unternehmensberatung Dr. A. Safaric Consulting GmbH und der Universität Münster durchgeführt wurde. Bemerkenswert: 26,7 Prozent der befragten Unternehmen sind im Modehandel unterwegs. Fashion ist damit noch vor Lebensmitteln der Bereich mit den meisten teilnehmenden Firmen. Dazu kommen noch einmal 9,2 Prozent Schuhhändler.

Der Anteil der Unternehmen, in denen KI nicht im Einsatz und auch nicht geplant ist, ist seit 2020 von 79 Prozent auf 67,8 Prozent gesunken. Gleichzeitig steigt der Anteil der Unternehmen, die künstliche Intelligenz entweder in einzelnen Bereichen oder unternehmensübergreifend einsetzen, von 7,5 Prozent auf 23,5 Prozent. Damit ist klar: Die Bedeutung von KI rückt zusehends in den Fokus. Für ein Drittel der befragten Unternehmen ist KI kein Hype-Thema mehr, sondern wird eingeplant oder genutzt. KI findet meist in größeren Unternehmen Beachtung, was auf die erforderlichen finanziellen Mittel und Ressourcen zurückgeführt sein dürfte. Nur noch für ein Viertel der Firmen kommt KI noch nicht infrage. 42,6 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie KI in Betracht ziehen, aber noch keine Umsetzung planen. 8,7 Prozent wollen das Thema aber angehen.

Auf der Suche nach Antworten

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Dagegen sehen nur noch 27,3 Prozent der Unternehmen die Bedeutung von KI-Projekten als niedrig, was einen Rückgang von 24 Prozent im Vergleich zu 2021 darstellt.
Die Bedeutung von KI-Projekten nimmt bei Handelsunternehmen deutlich zu. Zwar wurde per se eine größere Zahl von Anwendungsfällen ermittelt, aber die größere Verfügbarkeit von Tools und Technologien dürfte die Sache auch befördern. Die Fortschritte bei Machine Learning, Computer Vision und Natural Language Processing haben es Unternehmen ermöglicht, ihre KI-Projekte effizienter und effektiver umzusetzen. Das Bewusstsein für KI wächst.

Dabei sind die Einsatzbereiche ziemlich trocken, etwa für Kamerasysteme zum Diebstahlschutz am PoS (7,1 Prozent), die Belegbearbeitung in der Buchhaltung (6,6 Prozent), allgemeine Absatzprognosen (5,6 Prozent), Personalbedarfs- und Personaleinsatzplanung (4,6 Prozent) oder bei Smart Shelves zur Bestandsüberwachung (4,6 Prozent). Alles wichtige Themen unbestritten, aber keine Auslöser der Fantasien, die üblicherweise mit der KI gerade im direkten Umgang mit Konsumenten verknüpft werden. Die geplanten KI-Anwendungsfälle in den Unternehmen drehen sich unverändert um die Themen Effizienzsteigerung, bessere Kundenbetreuung und personalisierte Angebote. Konkret geht es um Dinge wie Optimierung der Lagerflächen (4,8 Prozent), die Automatisierung in der Sortimentsüberarbeitung (4,8 Prozent), die Bestandsoptimierung mit Ereignisprognosen (4,5 Prozent), die Trenderkennung von Kundenbedürfnissen (4,2 Prozent). Immerhin: Auch Cross-/Up-Selling-Initiativen (4,2 Prozent) oder personalisierte Angebote und Preise (4,2 Prozent) werden thematisiert.

Der Handel sucht Antworten auf die Herausforderungen der jüngeren Vergangenheit und die heißen unterbrochene Lieferketten und schwierige Vorhersehbarkeit durch ständig neue disruptive Ereignisse. In Handelsunternehmen sind kosten- und zeitintensive KI-Anwendungsfälle weiterhin kaum vertreten und das, obwohl sowohl kleinere als auch größere Unternehmen an der Studie teilgenommen haben. Es geht um die schnellen Effizienzgewinne. Die befragten Handelsunternehmen geben an, dass KI vor allem in Unternehmensbereichen wie Category Management, Einkauf, Eigenmarken, Logistik, Warendisposition, Supply Chain Management, IT oder Marketing und Formatentwicklung Beachtung findet wird. Aber: Überraschend ist die noch geringe Nutzung von KI im Kontext Electronic-/Mobile Commerce, obwohl hier viele auswertbare Daten und automatisierbare Prozesse existieren, folgern die Studienautoren.

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Die befragten Handelsunternehmen investieren am häufigsten in die Weiterbildung der Mitarbeiter zum Thema KI, die Optimierung der IT-Infrastruktur und die Nutzung von cloudbasierten KI-Diensten. Mangels Angebot und hoher Gehaltskosten bauen die wenigsten auf eigene KI-Experten. Folglich werden KI-Dienste in cloudbasierte Umgebungen abgegeben. Dennoch bleibe eine IT-Infrastruktur, die große Datenmengen verarbeiten könne, für die Durchführung von KI-Projekten unerlässlich, so die Autoren. Und: Es ist jedoch wichtig, die Unternehmenskultur an das neue Umfeld anzupassen, um eine optimale Integration von KI-Projekten zu ermöglichen.

Umgekehrt bremsen auch einige Faktoren den Einsatz von KI im Handel aus. Es gibt noch zu wenig Referenzprojekte zur Validierung der eigenen Pläne, die Kosten für Einführung und Nutzung von KI sind hoch und der Nutzen von KI-Projekten muss steigen. Auch der Mangel an Fachpersonal stellt eine Hürde dar. 8,9 Prozent der befragten Unternehmen geben überdies eine fehlende Unterstützung des (Top-)Managements als Grund an. Unterm Strich wird im Vergleich zum Jahr 2021 KI weniger nur als Projektidee gesehen, vielmehr planen und setzen die Unternehmen KI-Projekte um. Standardlösungen und Cloud-Dienste bei der Umsetzung von KI-Projekten nehmen merklich zu, dagegen nimmt der Einsatz von (eigenen) Individuallösungen deutlich ab. Die nötige Zeit, Ressourcen und Expertise sind schlicht nicht verfügbar. Dafür stehen zusehends externe Berater parat.

Qualität entscheidet

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Bei den meisten Unternehmen entspricht die Zielerreichung in Bezug auf den Projektumfang (70 Prozent), die Projektmeilensteine (50 Prozent), das Projektbudget (57,9 Prozent) und die Qualitätsanforderungen (60 Prozent) genau der Planung. Allerdings geben die Befragten an, dass die Zielerreichung zu Projektmeilensteinen (30 Prozent) und zum Projektbudget (31,6 Prozent) bei KI-Projekten schlechter oder deutlich schlechter als geplant ist. KI-Projekte sind augenscheinlich komplexer als erwartet und verlangen mehr Zeit und finanzielle Ressourcen, folgern die Autoren. Zudem haben Unternehmen noch wenig Erfahrung in der Durchführung von KI-Projekten.

„Die erfolgreiche Durchführung von KI-Projekten hängt von verschiedenen Faktoren ab. Der Großteil der Unternehmen gibt an, dass eine hohe Datenqualität für den Projekterfolg entscheidend ist. Falsche oder unvollständige Daten können dazu führen, dass KI-Systeme nicht richtig angelernt werden und dadurch falsche Ergebnisse liefern. Auch ein professionelles Projektmanagement ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, um die gesetzten Ziele in Bezug auf Projektumfang, -meilensteine, -budget und Qualitätsanforderungen zu erreichen. Die Unterstützung durch externe Experten, hohe KI-Expertise und ein starker Support durch das Topmanagement sind für den Projekterfolg ebenfalls wichtig“, heißt es abschließend in der Studie.