Gute Geschäfte hinter der ersten Reihe

Maroc in Mode

Marokko ist zweitgrößter Lieferant der Mittelmeeranrainerstaaten. (alle Bilder ©FT)
Autor: Markus Oess

Die Macher der Messe Maroc in Mode – MAROC SOURCING in Marrakesch arbeiten unbeirrt daran, die heimische Textilindustrie auf dem internationalen Parkett weiter nach vorn zu bringen. Die Spitzenplätze sind vergeben und daran kann das nordafrikanische Land nichts ändern. Darum geht es auch gar nicht. Dahinter ist immer noch genug Marktpotenzial und da will die Textilindustrie Marokkos mitmischen.

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Der Veranstaltungsort hat Symbolcharakter. Marokko wirbt als Textillieferant mit Geschwindigkeit und kurzen Lieferzeiten aufgrund der räumlichen Nähe zu Westeuropa und mit der Spezialisierung auf Fast Fashion. Die Maroc in Mode, die einmal im Jahr auf dem Circuit Moulay el Hassan, einer Rennstrecke nur einen Steinwurf vom Flughafen Marrakesch entfernt, veranstaltet wird, hat nicht erst seit gestern ein Auge auf den europäischen Markt geworfen. Seit Jahren schon hat die heimische Textilindustrie Geschäftsverbindungen zum alten Kontinent geknüpft. Der INDITEX-Konzern, H&M, aber auch Markenanbieter kaufen hier ein, lassen ihre Waren veredeln. Inzwischen hat sich das Land auf den achten Rang der größten Textilexporteure in die EU vorgeschoben. Waren im Wert von 2,66 Milliarden Euro wurden vergangenes Jahr in die EU ausgeführt, ein Plus von 4,91 Prozent. Marokko ist zweitgrößter Lieferant der Mittelmeeranrainerstaaten. Der deutsche Markt steht im Export-Ranking auf dem sechsten Platz. „Die marokkanische Bekleidungsindustrie zeigt eine sehr große Dynamik, trotz des starken internationalen Wettbewerbsumfeldes. Seit 2012 wächst der marokkanische Bekleidungssektor“, sagt Mohamed Tazi, Generaldirektor von AMITH, dem Veranstalter der Maroc in Mode, in Partnerschaft mit AMDIE (Moroccan Agency for the Development of Investments) und der Groupe Banque Populaire.

 

Wachstum in allen Segmenten  Mohamed Tazi, Generaldirektor von AMITH

Die Textilindustrie ist mit 200.000 Arbeitsplätzen und 1.600 Firmen größter Arbeitgeber und ein zentraler Wirtschaftsfaktor im Land. Die Regierung hat ein veritables Interesse daran, den Output des Sektors kräftig anzuschieben, auch den Secteur informel. Noch immer arbeiten viele kleine Produzenten im Verborgenen, entziehen sich damit der Kontrolle, können aber auch nicht staatlich gefördert werden, um sich zu modernisieren. Im Rahmen des PAI (Plan d’Accélération Industrielle) steckt der Staat seit vergangenem Jahr systematisch Geld in die Entwicklung der Textilindustrie. So wurden Segmente (Eco-Systeme) festgelegt (Fast Fashion, Denim, Knit, Technical Textiles, Home Textiles und Industry Retailer), in denen die etablierten, leistungsfähigeren Produzenten als Lokomotive ihre kleineren Mitstreiter mitziehen sollen. Gegenüber FT zeigt sich Tazi zufrieden mit der bisherigen Entwicklung. Alle Bereiche hätten Fortschritte gemacht sagt er, auch wenn nicht alle gleich schnell vorankommen. „Wir haben bewiesen, dass unsere Strategie aufgeht, wir wachsen tatsächlich in allen Segmenten.“ Tazi weiß aber auch, dass gerade der Secteur informel nicht eben von heute auf morgen verschwinden wird. „Wir brauchen Zeit und Geduld, die Strukturen aufzubrechen.“

  • Blick über die Altstadt Marrakeschs
  • Form und Schönheit
  • Vieles wird noch mit der Hand produziert.
  • Michel Daunay gründete Souvetmaille 1998 in Marrakesch. Heute produziert er für Lacoste, Petit Bateaux und Eminence
  • Klar, Denim ist immer ein Thema.
  • Messe der Ideen
  • ©FT
  • Portugal ist wichtiges Partnerland Marokkos.
  • Fast Fashion ist eine der Stärken der Messe.

Überdies haben AMITH und AMDIE angekündigt, enger mit dem Internationalen Handelszentrum (ITC) zusammenarbeiten zu wollen. Das ITC ist eine gemeinsame Organisation der WTO und der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf. Die Verbände haben mit dem ITC das GTEX-Programm aus der Taufe gehoben, um die Firmen für den Wettbewerb auf den Exportmärkten zu stärken. Mehr als 30 kleine und mittelständische Unternehmen aus den Bereichen Fast Fashion, Denim und Knit wurden von Experten in Bereichen wie Beschaffung oder Exportmarketing gecoacht und mit neuen Märkten beziehungsweise Kunden vernetzt. Und die Kooperation mit der Messe Frankfurt, die im vergangenen Jahr angegangen wurde? Man arbeite daran, sagt Tazi. Die Bäume wüchsen eben nicht in den Himmel. Aber der Verband und seine Hersteller würden sich weiter professionalisieren. Auch mit kleineren Schritten komme man ins Ziel – und vor allem nicht ins Stolpern.

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Fast Fashion und nachhaltige Produktion bleiben im Fokus der Messe. Apparel Mills etwa bietet vertikal integrierte Textilservices, die nach Aussagen von Marketing Managerin Zineb Zerrari hohen Nachhaltigkeitskriterien genügten, von Spinnen, Weben, Färben, Veredelung, Druck bis hin zu Schnitt und Kleiderschneiderei. „Wir bieten Lösungen vom Garn bis zum fertigen Kleidungsstück. Maroc Quality Knitting (MAK) ist spezialisiert auf die Produktion von Strickwaren, TINTCOLOR, Färben, ist zertifiziert für die Arbeit mit organischen Textilien (GOTS und OCS) und recycelten Textilien (GRS und RCS). Salsaprint präsentiert Lösungen und Services im Bereich Druck und Sublimation, jeder Prozess erfüllt die höchsten Audits und entspricht unserem Einsatz für die Umwelt. MCS Sewing produziert Waren mit einer maximalen Qualitätskontrolle, in einer sicheren Arbeitsumgebung und mit besonderem Blick auf soziale und ökologische Aspekte“, führt die Managerin weiter aus. Mouafak Aouf ist General Manager von Bonneterie de l’Atlas, ein Zusammenschluss verschiedener Firmen, die sowohl Shirts, Unterwäsche, Socken und Strümpfe, Hüte wie auch seit Neuestem Anzüge produzieren. 70 bis 80 Prozent der Produktion ist für den Export bestimmt, vor allem nach Frankreich. „Wir möchten auch mit Kunden arbeiten, die keine großen Mengen benötigen. Wir haben Kunden in UK, Spanien, viele in Frankreich (zum Beispiel Paul Smith, jacadi). Leider haben wir noch keine Kunden in Deutschland, aber wir haben einige sehr interessante Gespräche mit deutschen Besuchern der Messe geführt“, sagt Aouf.

Veranstaltungsort mit Symbolcharakter

Leader Wash schließlich produziert für internationale Unternehmen wie INDITEX, pimkie etc. Jetzt haben die Marokkaner eine neue Technik für das Waschen von Jeans entwickelt, Water Splash. „Es ist eine neue Produktionsmethode, die ökologisch und wassersparend ist. Wir bieten Hand Brushing, Moustache-Effekt, Stone Washing wird ohne Wasser durchgeführt, der spezielle Water Splash am Ende sorgt für den typischen Look. Die Jeans werden nur ein einziges Mal gewaschen“, erläutert General Director Chouaib Chiguer. Möglicherweise wäre das für Erwin Licher, CEO und Inhaber von Herrlicher, interessant. Er hat die Maroc in Mode zum zweiten Mal besucht. „Wir haben einige sehr interessante Firmen gesprochen, Kontakte, die wir jetzt nachverfolgen werden. Für uns hat sich die Reise gelohnt. Die Messe hat uns einen sehr guten Überblick über das Produktionsangebot in Marokko vermittelt“, meint Licher. Für Sonja Ruppert, Director Buying, Production & Supply Chain bei Marc O’Polo, war es die erste Messe. „Wir konnten hier einen guten Überblick über das Angebot marokkanischer Produktion erhalten und sogar Firmen selektieren, die für uns als potenzielle Partner infrage kommen können. Mit einigen Produzenten haben wir die nächsten Schritte, wie die Zusammenstellung der Profile, eingeleitet. Anschließend müssen wir diese Firmen dann vor Ort besichtigen. Der Besuch der Messe hat sich gelohnt. Marokko als Produktionsstandort ist durchaus interessant.“

Auch Stefan Leukel, Teamleader Buying bei Tchibo, ist zufrieden, wie er sagt. „Ich hatte sehr gute Gespräche, beispielsweise für die Sockenproduktion mit marokkanischen Produzenten als Alternative zur Türkei. Für die zukünftige Produktion in Marokko sehe ich sehr gute Voraussetzungen. Auch Hersteller, die ,Organic Cotton‘ anbieten, eine Bedingung für unsere Produkte, habe ich gesprochen. Besonders attraktiv ist das ,One Stop Shopping‘, das Apparel Mills anbietet von der Spinnerei bis zum fertigen Produkt, unter anderem GOTS- und OCS-zertifiziert. Wir werden jetzt die Optionen im Haus besprechen und die Kontakte mit den Herstellern nachverfolgen.“

Maroc in Mode

1853 Besucher aus 22 Nationen haben die Maroc in Mode – MAROC SOURCING besucht. Der Löwenanteil kam mit 1.179 Besuchern aus Marokko selbst. Aber mit 674 Gästen war nahezu ein Drittel aus dem Ausland angereist, allen voran aus Frankreich 32 Prozent, aus Italien 8,5 Prozent. Dazu kamen Einkäufer aus Portugal, Spanien und Deutschland. Die Besucher setzten sich aus allen Handelsbereichen wie Modekonzernen, Filialisten, Online-Handel oder markenstarken Modeherstellern zusammen, von Discountern bis zu Luxusdesignern. Fast Fashion und nachhaltige Produktion standen im Fokus der Besucher. Die nächste Messe in Marrakesch findet vom 25. bis 26. Oktober 2019 statt. www.marocinmode.ma