Weniger Bauchgefühl, mehr Fakten

EK/servicegroup

Die EK versteht sich heute als Schnittstelle und Dienstleisterin in beiden Richtungen, also Handel und Industrie. Thomas Schwab, Head of Sales & Marketing D-A-CH im Geschäftsfeld EK Fashion ©FT

Autor: Markus Oess
Thomas Schwab, Head of Sales & Marketing D-A-CH im Geschäftsfeld EK Fashion, blickt zufrieden auf die zurückliegenden EK Fashion Ordertage in Salzburg (20. Juli), Mannheim (22./23. Juli), Bielefeld (29./30. Juli) und einmalig digital (28. Juli). Der Wunsch nach einem realen Treffen habe sich auch in guten Besucherzahlen sowie einer positiven Stimmung in den Messehallen gezeigt. Neben den Private Labels MARCO MANZINI, der neuen jungen Marke Supply & Co., St. Barth, NO ONE ELSE. und In Shape) sei auf den Veranstaltungen auch das Mega-Thema Nachhaltigkeit in den Blickpunkt gerückt. Die Verbundgruppe hat dazu mit 14 Partnern eine neue Pop-up-Fläche SUSTAINABILITY NOW! entwickelt. Der Manager im FT-Interview über ein neues Gemeinschaftsgefühl, das die Corona-Pandemie erzeugt hat, und warum der Handel Grund zum Optimismus hat.

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FT: Herr Schwab, im Augenblick läuft es ja gut an, die Order ist von Optimismus geprägt. Wie ist Ihr Eindruck der augenblicklichen Lage im Handel?
Thomas Schwab: „Wir sehen tatsächlich Licht am Ende des Tunnels. Teilweise berichten unsere Mitglieder sogar von einem regelrechten Nachfrageschub. Die Menschen haben einiges nachzuholen, auch wenn die Sorge vor der vierten Welle da ist. KIKO wächst zweistellig, die DOB legt wieder zu und auch die HAKA ist zurück. Eine ganz besondere Dynamik und hohe Innovationskraft prägt insbesondere das Wäschesegment. Dank eines guten Bestandsmanagements und unter Ausnutzung der Spendenregelung im Zusammenhang mit den Corona-Hilfen der Regierung sind die Lager halbwegs sauber und Liquidität vorhanden. Der Handel ist für die Order gerüstet.“

Was hören Sie von den internationalen Tochterunternehmen?
„Auch in den Auslandsmärkten, in denen wir aktiv sind, war der Kunde wieder schlagartig im Laden, was sich positiv auf Ertrag und Umsatz ausgewirkt hat. In den Niederlanden und Österreich sind die Hilfen aber nicht so umfangreich und gut wie hierzulande. Dennoch sehen wir auch in diesen Ländern klare Zeichen der Erholung. Wir mussten nicht eine einzige coronabedingte Insolvenz melden, anders als in UK, wo wir doch einige Insolvenzen gesehen haben und noch sehen werden.“

„Die Marschroute ist klar: Investition in die weitere Digitalisierung und Professionalisierung des CRM, um die Streuverluste zu minimieren und auf der Basis von validen Nachfragedaten, die wir inzwischen liefern, zu ordern.“

Wie haben sich die Händler auf die kommenden Monate eingestellt, wo gab es die größten Veränderungen?
„Unsere Händler blicken inzwischen weit über ihren Tellerrand hinaus, nehmen Impulse aus unserer Organisation aus anderen Branchen auf. Der Blick auf das Internet hat sich verändert. Es ist nicht mehr der große Feind, sondern eine Chance zusätzlich, zu den Kunden in Kontakt zu treten und dank zum Beispiel unserer Kooperation mit zalando und unserem Online-Marktplatz compravo zusätzliche Umsätze zu generieren. Das Beziehungsmanagement hat sich verändert. Dank des Digitalisierungsschubs gehen viele jetzt systematischer vor und nutzen die Analysetools, die wir für sie entwickelt haben. Das CRM rückt stärker in den Mittelpunkt der Order und die Vororderlimite werden zugunsten kurzfristiger Programme und Kapseln gekürzt. NOS wird wichtiger. Da näher am Bedarf eingekauft wird, werden die Open-to-buy-Limite spürbar erhöht. Gleichzeitig rückt das Verkaufserlebnis und damit der Mitarbeiter stärker in den strategischen Fokus, denn inzwischen macht sich hier der Fachkräftemangel bemerkbar. Und wir sehen die Bedeutung der Nachhaltigkeit steigen, in den Prozessen wie in der Ware.“

Wie kann die EK dort unterstützen?
„Zuvorderst haben die Mitglieder von der Gemeinschaft profitiert, in der Krise stehen die Menschen enger beisammen, helfen einander. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Maßnahmen. Wir haben unsere Mitglieder im Umgang mit den Behörden und den Corona-Hilfen intensiv betreut. Wir bieten konkrete Unterstützung in der Digitalisierung, sei es beim CRM, sei es beim Online-Handel selbst. Wir haben sämtliche Daten unserer Eigenmarken digital verfügbar gemacht: Produktdaten, Bilddaten, Werbematerialen und so weiter. Wir unterstützen die Mitglieder im Umgang mit Marktplätzen, wie zum Beispiel zalando. Mittlerweile verschicken unsere Händler über zalando 50 bis 60 Pakete täglich. Wir schalten die Fashion auf unseren Marktplatz compravo auf, der sowohl B2C als auch B2B genutzt wird. Wir haben uns personell verstärkt, um im rückwärtigen Bereich die notwendigen Aufgaben stemmen zu können. Und wir haben eine Pop-up-Fläche mit nachhaltiger Ware in Kooperation mit 14 Marken entwickelt, die wir nun ausrollen. Wir starten zunächst in der Womenswear, werden aber mit anderen Bereichen zügig nachziehen. Die Resonanz darauf ist riesig. Auch haben wir in den Niederlanden einen CSR-Manager eingestellt, der unsere Mitglieder in unserer deutschen Academy, die wir jetzt eröffnen, speziell schulen wird.“

Welche Handlungsempfehlung geben Sie den Händlern, um die Zeit nach den Corona-Maßnahmen proaktiv anzugehen und zu gestalten?
„Die Marschroute ist klar: Investition in die weitere Digitalisierung und Professionalisierung des CRM, um die Streuverluste zu minimieren und auf der Basis von validen Nachfragedaten, die wir inzwischen liefern, zu ordern. Proaktives Zugehen auf die Endkunden. Klare Positionierung im lokalen Wettbewerbsumfeld mit einem Mix aus renditeträchtigen Marken und arrondierendem Angebot und modischen Spitzen, die für die nötige Spannung auf der Fläche sorgen.“

Wie sind Ihre Mitglieder bis hierher durch die Krise gekommen?
„Alles in allem haben wir die Krise doch ordentlich meistern können. Viele Unternehmer sind aber inzwischen an der Grenze der Belastbarkeit und haben ihre Reserven aufgebraucht, trotz aller staatlichen Unterstützung bis hierher. Viele benötigen auch weiterhin Unterstützung, auch finanziell. Und wir müssen etwas tun, um die Innenstädte zu revitalisieren. Daher erarbeiten wir dazu ein umfassendes Konzept, das alle Player vor Ort, vom Handel bis hin zur Lokalpolitik, einbindet. Wir wollen bis zum Herbst fertig sein und mit dem Roll-out im Winter mit dem Weihnachtsgeschäft beginnen.“

Wo bestand besonders großer Bedarf an Unterstützung?
„Tatsächlich weniger im Kerngeschäft als vielmehr im Umgang mit den Behörden und den Corona-Maßnahmen beziehungsweise -Hilfen. Es änderte sich ja ständig etwas und die Lage war zum Teil so unüberschaubar und komplex, dass auch die Steuerberater unserer Mitgliedshäuser dankbar unsere Beratungsangebote angenommen haben.“

Wenn sich Ihre Mitgliedshäuser verändert haben, inwiefern hat sich auch die EK verändert?
„Die Organisation selbst hat sich natürlich nicht nur stark digitalisiert. Wir haben uns auch kulturell gewandelt. Unser Vorstandsvorsitzender, Franz-Josef Hasebrink, hat offiziell eingeführt, dass wir uns alle duzen. Er hat damit das offiziell gemacht, was vorher schon in der Organisation passiert war. Wir sind enger zusammengerückt. Gleichzeitig sind die Zuständigkeiten und die Prozesse transparenter, offener geworden. Das gegenseitige Vertrauen ist gewachsen und das Verständnis füreinander. Inzwischen können die Mitarbeiter, dort wo es geht und immer in Abstimmung mit Führungskraft und Team, auch künftig frei wählen, ob und wann sie ihre Arbeitszeit im Homeoffice verbringen wollen. Es haben sich aus eigener Motivation neue, bereichsübergreifende Taskforces gebildet. Q 33 zum Beispiel ist ein Zusammenschluss von Mitarbeitern, die jünger als 33 Jahre sind und sich interdisziplinär austauschen. Wir haben eine branchenübergreifende Taskforce Retail, die sich ausschließlich um die Verbesserung der Services für alle Händler kümmert und auch die Themen der EK-Newsletter, die wir in Corona-Krisenzeiten täglich versendet haben, besprechen. Und wir erklären uns inzwischen auch unseren Lieferanten noch transparenter, haben die Kommunikation auch hier deutlich intensiviert.“

Welche Trends haben Sie bei den Eigenmarken in der Menswear ausgemacht und wie setzen Sie das um?
„Wir haben drei Kernthemen definiert: Sportivität, Farblichkeit, Casualisierung. Das setzen wir in lässige Komplettlooks um. Für die Menswear haben wir zwei wichtige Neuerungen. Wir haben nochmals bei MARCO MANZINI sehr stark in die Kollektion hineingearbeitet, mit den Themen Fresh Wear, Comfort Wear, Fashionable Wear und Summer Wear, die frei untereinander kombinierbar sind. Auch haben wir das Logo deutlich modernisiert und wir haben die Passformen dem deutschen Markt angepasst. Wir gehen bis XXXL und bieten in der Kalkulation eine Marge bis 4,8. Wir haben zudem mit Supply & Co. eine absolut wettbewerbsfähige Marke eingeführt, nachdem diese die Startphase in den Niederlanden erfolgreich bewältigt hat. Sie ist vergleichbar mit C.P. COMPANY oder STONE ISLAND, liegt aber bei Preisen von 49 Euro bis 69 Euro deutlich darunter und auch hier sind Margen von bis zu 5,0 möglich.“

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Es gab ja immerhin die positive Überraschung, dass der Anzug wieder zurückkommt. Hätten Sie das so gedacht?
„Hinterher ist man immer schlauer. Offen gestanden war es zu erwarten, dass ein Trend immer auch einen Gegentrend auslöst, gerade in der Anlassmode haben die Menschen jetzt Nachholbedarf und wer heiratet schon in Jeans? Hoffen wir, dass es so bleibt.“

Was wird in der Order besonders stark nachgefragt?
„Funktion, Mode, Bequemlichkeit. Alles zeitgemäß interpretiert und in einer hellen Farblichkeit. Bemerkenswert ist außerdem der regelrechte Run auf Wäsche, den wir so auch nicht erwartet hatten.“

“Alles in allem haben wir die Krise doch ordentlich meistern können. Viele Unternehmer sind aber inzwischen an der Grenze der Belastbarkeit und haben ihre Reserven aufgebraucht.“

Wo werden Sie in dieser Runde landen?
„Aktuell haben wir die Zahlen der Vergleichssaison verdoppelt, es läuft gut, allerdings muss man auch das Niveau sehen, von dem wir kommen.“

Wie ist Ihre Einschätzung für die zweite Jahreshälfte, wo wird die Branche nach 2021 beim Umsatz landen?
„Ich denke, wir werden bei EK Fashion mit einem einstelligen Minus gegenüber 2020 aussteigen. Aktuell holt der Handel deutlich auf, aber das Ergebnis zu drehen, wäre dann doch ambitioniert.“

Und die EK?
„Wir entwickeln uns in der Mode parallel zu unseren Händlern. In der Gruppe mit sechs Geschäftsfeldern rechnen wir mit einer positiven Umsatzentwicklung.“

Wie wichtig wird die Order Herbst/Winter 2022?
„Was wir sehen, ist, dass die Händler weniger nach Bauchgefühl als vielmehr nach harten Fakten ordern. Es geht mehr um Lifestyle und weniger um Fashion allein. Ich gehe davon aus, dass die Händler bei ihren Entscheidungen bleiben werden und auch in der Order Herbst/Winter 2022 diesen Weg weitergehen werden. Es wird die Saison sein, in der sich die Entscheidungen für Marken, Sortimente und Neuaufbau festigen müssen.“

Der Manager

Thomas Schwab, Leiter Sales & Marketing EK Fashion (D-A-CH-Region), Diplom-Betriebswirt sowie Handelsfachwirt und Einzelhandelskaufmann, hat 13 Jahre für die CBR-Gruppe (Vertriebsleiter CECIL) gearbeitet. Später wechselte Schwab als Head of Sales National zu ETERNA. Schwab war auch in verschiedenen leitenden Positionen im Einzelhandel tätig.

SUSTAINABILITY NOW!

Die EK/servicegroup hat gemeinsam mit 14 Markenpartnern (Alma & Lovis, comazo earth, eve in paradise, FEUERVOGL, Grand Stepp Shoes, GREENBOMB, GREENBELTS, Io Nova, LANA, like a bird, LIVING CRAFTS, PARAFINA, wunder[werk], Staff Solution) nachhaltige Pop-up-Flächen entwickelt. SUSTAINABILITY NOW! sei ein Ort zum Entdecken, Ausprobieren und Verweilen, heißt es dazu aus Bielefeld. Die Möbel sind aus Pappe gefertigt, auf Mettallteile wird verzichtet. Die Fläche wird individuell angepasst und liegt bei etwa bei 20 bis 25 Quadratmetern. Ab September beginnt der Roll-out. Start ist bei may, Waldshut-Tiengen. Präsentiert werden Textil und arrondierende Sortimente. Starten wollen die Bielefelder zunächst mit der Womenswear, andere Bereiche sollen folgen. Die Fläche wurde vom Ladenbauer KOHLSCHEIN entwickelt. Zu dem Pop-up soll es dann zwei bis drei Marketingpakete geben, die gerade in der Entwicklung sind. 12 bis 15 Flächen sollen mindestens realisiert werden. Dem Handel entstehen keine Kosten, es gibt eine Margenteilung mit den Lieferanten und die Fläche wird von den Lieferanten bewirtschaftet (Warentausch, Nachbestückung et cetera).