„Wieder auf der Shopping List“

Création Gross

„Die Umsätze werden in den nächsten Monaten wieder etwas normaler werden, aber das auf anhaltend hohem Niveau." Thomas Steinhart alle Bilder ©Création Gross

Autor: Markus Oess
Formal Wear ist zurück – und wie. Das spürt auch der Hersbrucker Menswear-Spezialist Création Gross. Den Rückenwind dieser Saison will das Management in die kommende Order mitnehmen. Was in der Saison Frühjahr/Sommer 2023 kommt und womit das Unternehmen wachsen will. Außerdem: Stefanie Denk, Head of Sustainability & Innovation, und Thomas Steinhart im FT-Interview.

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Wir waren sowieso nicht so weit bei der Casualisierung mitgegangen, weil ich vorher schon davon überzeugt war, dass der Anzug ein Revival erleben wird.“ Thorsten Grönlund

„Im Augenblick“, berichtet Thorsten Grönlund, Marken-Chef von CARL GROSS, profitieren wir sehr stark vom Comeback des Formellen. Formal Wear ist wieder auf der Shopping List.“ Generell können die Hersbrucker recht entspannt auf die anstehende Order schauen. Läuft bei dem Anzugspezialisten. So war auch die INTERBRIDE im Mai sehr gut besucht und die Nachfrage des Handels passte. Die Stimmung draußen ist gut und die Händler haben einigen Nachholbedarf, nachdem viele Händler aufgrund der ,vorsichtigen‘ Order für Frühjahr/Sommer 2022 leere Läger haben. Nach Corona hat es einen Schwenk zum Formellen gegeben, einen Wechsel des Dresscodes. Das kam uns entgegen. Wir waren sowieso nicht so weit bei der Casualisierung mitgegangen, weil ich vorher schon davon überzeugt war, dass der Anzug ein Revival erleben wird und wir unsere Markenidentität nicht verlassen wollten“, sagt Grönlund weiter.

Auch Création Gross kann sich dem Preisschub in der Beschaffung nicht entziehen, allerdings gab es Bemühungen, die Entwicklungen abzufedern: „Wir haben neue Weber aufgenommen, sodass wir immer noch ein Sakko für 199 Euro anbieten können, aber nicht mehr so viele wie in der Vergangenheit. Unterm Strich haben wir die Preisstruktur nach rechts verschoben, aber wir haben keine neuen Preislagen besetzt“, sagt Grönlund und kommt auf die aktuelle Kollektion Frühjahr/Sommer 2023 zu sprechen. „Wir haben in der Kollektion die Entwicklung der unkonstruierten, ungefütterten Sakkos weitergeführt. Der Zweireiher hat sich inzwischen auch auf den Flächen etabliert. Generell haben wir viel mit dem Anzug und dem Blazer gearbeitet, die dadurch anteilig in der Kollektion gewonnen haben. Auch moderne Handelskunden greifen wieder zum Anzug. Helle Sakkos bestimmen das Farbbild und wir haben unter anderem auch einen Zweireiher aus Leinen ins Programm genommen. Die Festivitäten, die jetzt nachgeholt werden, und der generelle Umbruch weg von Casual bringen einen Preppy Look. Gerade die jungen Männer wollen sich von der ‚grauen Masse‘, vom ‚Casual-Look‘ der älteren Generation abheben. Es kommen auch neue Hosenformen. ‚Cropped‘ ist angesagt, mit Bundfalte und weiterem Oberschenkel.“

CONCEPT GREEN weiter ausgebaut

Die Marke hat indessen CONCEPT GREEN weiter ausgebaut und verarbeitet mehr Leinen, leichte Baumwolle und Mischgewebe. Inzwischen ist das Programm sogar etwas größer als das von CARL GROSS. „Auf der anderen Seite sehen wir auch die Rückkehr der ‚1990er-Jahre-PRADA-Kollektion‘ mit stretchigen Qualitäten und Synthetik-Mischungen als Gegenpol zum natürlichen Sommerlook“, erläutert Grönlund. Ganz neu ist eine komplette Leinen-Kapsel mit Anzug, Sakko, Hemdsakko, Hose und Cargohose, die untereinander kombiniert werden können. „Alles ist möglich, von sportiv bis angezogen. Alle Teile sind GOTS-zertifiziert“, sagt Grönlund. Auch bei BLACK LINE dominiert das unkonstruierte, ungefütterte Sakko. Allerdings kommt mit Rosa, Ecru, Hellgrau und Hellbraun eine neue Farbigkeit. Die Qualitäten reichen von Leinen bis Wollgemischen, teilweise auch mit Seide. Auch hier gilt: Der Anzug ist zurück. Neu ist ein Jersey-Blazer.

Weitere Innovation bei CARL GROSS ist eine Anlass-Kapsel mit dem Namen „SAY YES“, die im Frühjahr/Sommer 2023 auf den Markt kommen wird. Dort gibt es zwei Stilwelten: den Boho-Style mit hellen Farben und leichten Stoffen wie Leinen, der gut zwei Drittel des Programms ausmacht, und auf der anderen Seite echte Evening Wear mit dunkleren Tönen und einem klassischen Stil. Dazu gehören auch Einstecktücher und Fliegen. „Wir wollen mit der Kapsel die komplette Anlassgesellschaft ansprechen: Bräutigam, Brautvater und Gäste. Das Programm ist mit einer Stoffnelke und einer aus der BLACK LINE bekannten, hochwertigen Innenverarbeitung ausgestattet“, führt Grönlund dazu aus. Die Kapsel gibt es nur in der Passform Modern Fit. Ein Anzug kostet 399 Euro, es gibt auch einen Guabello für 499 Euro, aber das sei die Ausnahme. „Wir halten weiter an unserem Preis-Leistungs-Versprechen fest. Ich bin überzeugt, dass die Menschen auch in der Krise Mode kaufen werden, trotz hoher Inflation und Krieg. Aber sie werden preisbewusster kaufen“, so Grönlund.

CARL GROSS wird auf der PREMIUM in Berlin ausstellen. Grönlund ist ein Verfechter des Messestandorts Deutschland. „Ganz egal, ob das nun Frankfurt, Köln oder Berlin ist. Wir brauchen eine Plattform zum Austausch mit den Händlern und eine Leistungsschau im Markenumfeld“, sagt er.


Seit April dieses Jahres verantwortet Stefanie Denk beim Hersbrucker Menswear-Spezialisten Création Gross als Head of Sustainability & Innovation die Nachhaltigkeitsstrategie. Ihre Position wurde eigens neu geschaffen. Denk bündelt alle strategischen Themen, die das Unternehmen durch die Transformation in ein ganzheitlich nachhaltiges Wirtschaften begleiten soll. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Textil-Bereich und war vorher in verschiedenen Funktionen des Unternehmens tätig. Denk berichtet direkt an Thomas Steinhart, Managing Partner. Wir haben mit ihr über die ersten Schritte im neuen Amt gesprochen. mehr …

Es soll auch ein neues Shopkonzept mit drei Fokusthemen erarbeitet werden, um im Handel einen Komplettlook darzustellen: CONCEPT GREEN, 24/7 FLEX und SAY YES. Nach und nach sollen alle Flächen modernisiert werden. Grönlund plant überdies kleinere Aktionen wie Flower-up, wo die Endkunden kleinere Blumensträuße beim Kauf eines CARL-GROSS-Anzuges erhalten oder das individualisierbare Kreditkartenetui als Zugabe, das aktuell besonders stark vom Handel nachgefragt wird. „Außerdem starten wir endlich mit unserer Weinaktion, mit der wir eine Brücke zu unseren italienischen Webern schlagen wollen. Geplant war das schon vor zwei Jahren, aber dann kam bekanntlich Corona …“, sagt Grönlund abschließend.

„Uns schiebt vor allem YOUR OWN PARTY by CG – CLUB of GENTS massiv an. Ralf Klute

Auch das junge Label CG – CLUB of GENTS, das Ralf Klute verantwortet, erlebt im wahrsten Wortsinn eine Hochzeit. „Die totgesagte Konfektion explodiert gerade. Und ich bin froh, dass wir daran festgehalten haben. Vor allem sind Party und Hochzeiten Treiber des Segments und da haben wir mit YOUR OWN PARTY by CG – CLUB of GENTS genau das richtige Angebot. Das Segment läuft so gut, dass wir unter den Stoffen auch Leinen im NOS anbieten als Service für unsere Kunden. Wir haben generell alle Qualitäten auf elastisch umgestellt: Baumwolle, Leinen, Viskose, Elasthan und Wolle. Teils haben unsere Weber die Stoffe eigens für uns entwickelt“, berichtet Klute.

Zum kommenden Sommer hat Klute YOUR OWN PARTY by CG – CLUB of GENTS insgesamt etwas breiter gefächert. Der Boho-Style bleibt immer noch bestimmend, aber das Programm wurde um „Industrial Wedding“ erweitert, um so einen Bruch herbeizuführen. „Wir entwickeln die Kollektion wie im Winter in Richtung Party weiter. Es bleibt also festlich, aber auch für die Evening-Party bieten wir coole Looks. Wir haben mit dem Programm die gesamte Hochzeitsgesellschaft im Blick. Und das kommt gut an. Auf der Hochzeitsmesse INTERBRIDE hat die Einkäuferin eines großen Hauses mit vier Filialen zum Beispiel unseren ,lässigen Cocktailchic‘ geordert. Allerdings muss man sagen, dass Einkäuferinnen grundsätzlich mehr Mut bei der Order zeigen als ihre männlichen Kollegen“, erklärt Klute. Farblich geht es ins Beige, Salbei und Hellblau. Neu ist ein gebranntes Orange. „Generell sehen wir ein neues Farbbild, die Leute kaufen nicht nur Dunkelblau – im Gegenteil“, sagt Klute.

Der Boho-Style bleibt immer noch bestimmend, aber das Programm wurde um „Industrial Wedding“ erweitert.

SAVILE ROW by CG – CLUB of GENTS wurde diesmal auf einem Hausboot fotografiert, das zu einem Musikstudio ausgebaut wurde. Der Bezug zu British Lifestyle und Musik sollte herausgestellt werden. „Hier gehen wir mit leicht angerauten Farben ins Pastellige. Die Dessinierungen werden ruhiger und weniger laut. Der Zweireiher und die Bomberjacke lösen stilistisch den Einreiher ab. Die cropped Hosenform mit Bundfalte und tieferem Schritt bleibt. Die Sakkos bleiben unkonstruiert und haben eine Softschulter“, führt Klute aus.

Mit CG – CLUB of GENTS ging es auf ein Festival, um Spontanität und junge Lebensfreude einzufangen. „So haben wir die ,Rockstars in Black and White‘. Es kann auch wild kombiniert werden, ohne auf die klassische Formensprache zu achten. Wir sprechen von einem ‚chaotisch gebrochenen‘ Look, der zu 80 Prozent aus dem Anzug kommt. Dieser erhält in Kombination mit frei gewählten Teilen, zum Beispiel einer anderen Hose oder einem Hemd, das das Sakko ersetzt, eine neue Interpretation“, sagt Klute. Sakkos haben ebenfalls sanfte Schultern, werden aber zusehends durch das Hemd ersetzt. Das Overshirt als Sakko-Ersatz hat hingegen ausgedient. „Außerdem haben wir eine Trainerjacke auf klassische Stoffe übersetzt, um eine zusätzliche Kombinationsmöglichkeit zu schaffen“, sagt Klute weiter. Generell ist der Strick- und Jersey-Anteil stark gestiegen.

Die Zusammenarbeit mit Waste2Wear setzen die Hersbrucker auch in dieser Saison fort. Die recycelten Stoffe kommen in den Jersey-Artikeln in Piqué-Optik zum Einsatz. Über einen QR-Code können sich die Konsumenten über Waste2Wear, den Produktionsprozess und die recycelten Rohstoffe erkundigen.

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„Wir haben mit CG – CLUB of GENTS im Augenblick einen Riesenlauf. Und liegen aufgelaufen 30 Prozent über dem Jahr 2019! Wir haben den Nachfrageschub aus dem Handel noch bewältigen können, aber unser Lager ist nun auch weitgehend geräumt. Uns schiebt vor allem YOUR OWN PARTY by CG – CLUB of GENTS massiv an. Ich bin sicher, dass wir beim Boho-Look in Deutschland Marktführer sind“, meint Klute.

Die angespannte Beschaffungssituation macht sich auch bei CG – CLUB of GENTS trotz des Versuchs, die Preisschübe aufzufangen, bemerkbar. „Wir beginnen zwar immer noch mit 199 Euro, aber im Schnitt haben wir die Preisstruktur für alles um etwa 5 Prozent angehoben,“ sagt Klute. Im Bereich Marketing wird das Beer Tasting Event, das im Frühjahr gestartet wurde, fortgeführt. Und Berlin? „Die neue Kollektion wird im Rahmen einer exklusiven Party mit dem Modemagazin GQ zur BERLIN FASHION WEEK vorgestellt“, antwortet Klute.

„Wir wurden da schlicht überrannt“

Création-Gross-Chef Thomas Steinhart über den Boom der Formal Wear und Lieferverzögerungen.

„Chancen sehe ich zum ersten Mal darin, dass wir vielleicht endlich aus den Rabattschlachten rauskommen.“ Thomas Steinhart

FT: Herr Steinhart, wie wirken sich bislang der Ukrainekrieg und die Inflation auf den Durchverkauf aus?
Thomas Steinhart: „Der Ukrainekrieg hat natürlich direkte Auswirkungen auf Russland und die Ukraine. Wir haben Russland aus der Order genommen und liefern in die Ukraine nur noch, wenn unsere Kunden das wünschen. Auf die restlichen Verkäufe hatte der Krieg bis dato keine Auswirkungen.

Die Inflation ist eine ganz andere Sache. Die Effekte sind heftig, da sich entlang der kompletten Beschaffungsseite die Kosten deutlich gesteigert haben. Egal ob Transport, Stoff, Zutaten oder Produktion. Das ist so spürbar, dass es nicht mehr wegzudiskutieren ist und entsprechend in moderaten Preiserhöhungen enden wird. Welche Auswirkungen das auf den Durchverkauf haben wird, ist aktuell nicht abzusehen. Vermutlich wird der Effekt erst in den nächsten Erhöhungsrunden durchschlagen, da ein Ende der Inflation ja nicht in Sicht ist.“

Können beziehungsweise konnten Sie alles liefern oder gab es Verzögerungen und sogar Ausfälle?
„Ja, leider gab es Verzögerungen, wir können zwar liefern und haben auch geliefert, aber wir haben große Verzögerungen in den Werken, auch bedingt durch die Ukraine. Allerdings war der stärkste Faktor der Verkauf. Wir wurden da schlicht überrannt und auch in normalen Zeiten hätten wir das nicht rechtzeitig geliefert.“

Wie sind Sie damit umgegangen?
„Aufbau von Kapazitäten, Ausweitung der Produktion, Restriktionen bei Neueinführungen und viel, viel Arbeit. Insbesondere dem Einsatz aller Mitarbeiter ist es zu verdanken, dass wir trotz allem das geliefert haben, was wir geliefert haben. So hatten wir zum Beispiel an zwei Samstagen Schichten, bei denen alle Mitarbeiter aus Verwaltung, Produktion und Produkt im Lager standen und kommissioniert haben.“

Was erwarten Sie für die nächsten Monate hinsichtlich Umsatz, Produktion und Gewinn?
„Die Umsätze werden in den nächsten Monaten wieder etwas normaler werden, aber das auf anhaltend hohem Niveau. In der Produktion gibt uns das die Chance, wieder aufzuholen. Bei dem Gewinn bin ich zuversichtlich, da wir aktuell die Inflationseffekte und auch die Lernkurveneffekte der neuen Werke durch Stückzahlen kompensieren können. Nur wird das leider nicht lange andauern.“

Wo sehen Sie Chancen für die kommenden Monate und wo drohen für die Textilbranche die größten Herausforderungen?
„Chancen sehe ich zum ersten Mal darin, dass wir vielleicht endlich aus den Rabattschlachten rauskommen, da zum ersten Mal die Nachfrage höher als das Angebot ist, und das wäre ein gutes Zeichen für die Wertschätzung unserer Produkte. Was wiederum auch auf das Thema Nachhaltigkeit einzahlt. Nachhaltigkeit wird sicherlich das größte Thema der nächsten Jahre sein und gleichzeitig die größten Chancen wie auch Herausforderungen mit sich bringen.“

Die Pandemie hat dazu geführt, dass immer noch Lieferketten gebrochen sind, und die Energiepreise steigen zusehends. Was macht das strategisch mit den Beschaffungs- und Produktionsprozessen?
„Die Rahmenbedingungen werden dazu führen, dass wir uns sowohl bei der Beschaffung als auch bei der Produktion flexibler aufstellen werden. Das ist am Ende sicher ein Spagat zwischen langfristigen und berechenbaren Partnerschaften und einer schnellen Anpassungsfähigkeit im Unternehmen.“