Nichts tun ist keine Option

Editorial

Markus Oess ©FT

Es zeigt das Dilemma, in dem sich der Westen seit dem russischen Angriff auf die Ukraine befindet. Auf der einen Seite unterstützt man die Ukraine massiv finanziell und mit Waffenlieferungen und auf der anderen Seite werden Sanktionen mehr und mehr ausgeweitet. Geändert hat sich bislang aber wenig. Der Krieg geht unvermindert mit brutaler Gewalt weiter – auf ukrainischem Territorium, wohlgemerkt. Russlands Präsident Vladimir Putin gibt sich siegessicher und zeigt sich von den Sanktionen unbeeindruckt. Wenn also die Bundesregierung Sanktionen nur in dem Maße anstößt, wie es die eigene Versorgungssicherheit zulässt, aber gleichzeitig ankündigt, den Gasimport aus Russland langfristig einzustellen, wirkt das Ergebnis im Augenblick geradezu absurd: Im ersten Halbjahr sind die Importe aus Russland um mehr als 50 Prozent nach oben geschnellt, dies vor allem dank explodierender Gas- und Ölpreise. Gleichzeitig liefert Russland spürbar weniger, bekommt also deutlich mehr Geld für deutlich weniger Ware. Unterdessen brechen Deutschlands Exporte nach Russland sanktionsbedingt weg. Nichts tun ist aber auch keine Option, denn Putin hat sich offensichtlich vom globalen Koordinatensystem verabschiedet. Kein Mensch weiß, wann der Krieg enden wird und zu welchen Bedingungen. Also muss man sich einrichten auf die Situation, irgendwie. Nicht alle deutschen Marken sind von den direkten Folgen des Krieges betroffen, weil sie Geschäft in Russland und der Ukraine machen, das ist richtig; solang man die mittelbaren Folgen wie Inflation und Kostenexplosion, Versorgungs- und Planungsunsicherheit und die damit verbundenen konjunkturellen Verwerfungen ausklammert, die alle Firmen vor Probleme stellen. Die direkt betroffenen Marken können nur reagieren, nicht aber die Rahmenbedingungen verändern. Wenn die Manager also an der Ukraine festhalten und gleichzeitig den russischen Markt nicht mehr beliefern, tun sie das Richtige. Andere Möglichkeiten haben sie nicht. Das heißt nun nicht, dass keine Ware nach Russland kommt, wie unsere Kollegin Elena Budinstein recherchiert hat. Irgendwas ist immer, titelt sie.

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Um die Versorgungslage aus einem vollständig anderen Blickwinkel geht es bei der nachfrageorientierten Produktion, die dank der Digitalisierung einen Schritt nach vorn gemacht hat. So sollen Ressourcen effizient und möglichst in einer Kreislaufwirtschaft eingesetzt werden, um Mehrkapazitäten zu vermeiden. Es ist das genaue Gegenteil der Fast Fashion, die davon lebt, Berge von Ware zu produzieren, die bestenfalls verbrannt werden. Dass der Klimawandel auch in Deutschland längst nackte Realität ist, zeigt ein bloßer Blick auf die Pegelstände unserer Flüsse und Seen. Im Grunde, sagen Wissenschaftler, sei das Pariser Klimaziel nicht mehr zu erreichen. Wir sollten also wenigstens versuchen, den Schaden so gering zu halten, wie es geht – schnell. Mit Nachhaltigkeit beschäftigen wir uns auch in unserem Interview mit dem designierten EK-Chef Martin Richrath. Er berichtet von den Vorteilen, langfristig zu planen und Fragen nach einem hohen Aktienkurs oder schnellen Umsatzerfolgen außer Acht zu lassen. Er muss es wissen, er war lange Jahre für die METRO AG tätig.

Außerdem haben wir mit Prof. Dr. Marina-Elena Wachs, Professorin für Designtheorie im Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik an der Hochschule Niederrhein, über die historische Einordnung der Einflüsse anderer Kulturen auf die westliche Mode sowie die Möglichkeiten für einen respektvollen Umgang mit diesem aktuell so brisanten Thema gesprochen. Ein Faktor, der sich natürlich in der Mode sehr spürbar auswirkt, ebenso wie in der Musik. Deswegen hören Sie ruhig rein in die Plattentipps des Monats.

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Ihr

Markus Oess