Sieben Thesen

Metaverse

Es wird ein soziales Konstrukt mit technischer Basis geben, das sich aus den heutigen Ideen zum Metaverse entwickelt haben wird. ©ALBERTO

Autor: Markus Oess
Mal Euphorie und Vorfreude auf neue Erlebniswelten und Perspektiven, mal ratloses Schulterzucken und fragende Gesichter. Das Spektrum, wie die Menschen auf das reagieren, was man Metaverse nennt, ist breit und ebenso vielschichtig – obwohl keiner so wirklich weiß, was da auf uns zukommt, wie das Metaverse oder das, was wir heute so nennen, tatsächlich ausformuliert sein wird. Es ist fast noch eine Ahnung, eine Idee, die schon in den Köpfen existiert, für die aber schon erste wichtige Gehversuche unternommen wurden. Fest steht heute schon, dass es die Welt merklich verändern wird. Wir haben die Internet-Pionierin Renata DePauli, Chefin der gleichnamigen DePauli AG, München (herrenausstatter.de und Entwicklung unter anderem von IT-Lösungen für den Handel), und Marco Lanowy, langjähriger Geschäftsführer des Mönchengladbacher Hosenspezialisten ALBERTO, gebeten, zu sieben Thesen über das Metaverse Stellung zu nehmen. Nicht ohne Grund. Beide arbeiten seit langen Jahren bei der Digitalisierung zusammen – auch beim Metaverse.

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„Interoperabilität ist mehrfach das Zauberwort: zum einen, um die vielen Metaversen untereinander zu verbinden. Zum anderen mit der realen Welt, damit die Menschen ihre aufwendig gepflegten Metaverse-Identitäten auch im echten Leben zeigen und fortführen können.  Renata DePauli ©DePauli AG

1. Auch wenn es heute keiner glauben mag, das Metaverse wird sich evolutionär innerhalb der kommenden zehn Jahre durchsetzen.
„In zehn Jahren wird sich etwas entwickelt haben, was mit den ersten Ansätzen und Gehversuchen zum ,Metaverse‘ nicht mehr viel Ähnlichkeit haben wird. Zum einen können wir uns vorstellen, dass es nicht ,das Metaverse‘, sondern eher viele parallele ,Metaversen‘ geben wird, die untereinander verbunden sind. Zum anderen werden sich Verhaltensmuster, Nutzungs- und Spielarten entwickeln, die wir uns noch nicht vorstellen können. Überzeugt sind wir jedoch, dass es ein soziales Konstrukt mit technischer Basis geben wird, welches sich aus den heutigen Ideen zum Metaverse entwickelt haben wird.“

2. Schon heute ist es Pflicht für Handel und Industrie, sich intensiver mit dem Metaverse zu beschäftigen, um den Anschluss in zehn Jahren nicht zu verlieren.
„Es könnte parallel zwei Denk- und Handlungsrichtungen geben: Die einen Unternehmen werden sich bewusst aus dem Metaverse heraushalten und erfolgreiche Geschäftsmodelle abseits davon aufrechterhalten oder entwickeln. Die anderen Unternehmen werden sich dem Metaverse öffnen und dabei selbst in ihrer Handlungs- und Organisationsstruktur gründlich verändert werden.
Und deshalb: Ja, so oder so – jedes Unternehmen steht vor der Herausforderung, eine gründlich informierte Entscheidung über den Weg zu treffen und diese fortlaufend zu evaluieren.“

3. Das Metaverse hat seine eigene Wirtschaft. Firmen und Personen können dort investieren, kaufen, verkaufen und für Arbeit innerhalb des Metaverse bezahlt werden.
„Selbstverständlich. Und wir alle springen viel zu kurz mit unseren Versuchen, bestehende Wirtschaftsprozesse und Handelsformen einfach eins zu eins aus der ,Echtwelt‘ in ein Metaverse zu übertragen. Wir werden viele Überraschungen erleben: Geschäftsmodelle werden entstehen, die wir heute nicht absehen können und die sprunghaft weltweite Bedeutung erlangen werden.“

In dem Maße, in dem das Metaverse das Leben prägen wird, werden dessen neuen ästhetischen Ausdrucksformen auf die Mode überspringen.“ Marco Lanowy ©ALBERTO

4. Das Metaverse wird in der Modewirtschaft für neue Kräfteverhältnisse sorgen. Nicht das große und finanzstarke Unternehmen überlebt, sondern das mutige und innovative, das die neue Kreativität effektiv nutzt. Und es muss das Metaverse dazu nicht einmal verlassen.
„Die Strahlkraft einer etablierten Marke, vor allem in der Fashion-Welt, ist nicht zu unterschätzen. Die ersten Gewinner können deshalb etablierte Marken sein, die sich auf das Abenteuer Metaverse einlassen, indem sie von ihrer Brandwirkung profitieren. Selbstverständlich werden neue Marken mitten aus den neuen Wert- und Denksystemen geboren werden, die das Metaverse prägen, und diese neuen Marken können weltweite Bedeutung erlangen.“

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5. Aber es gibt Verbindungen aus dem Metaverse nach draußen in die reale Welt. Das Metaverse wird daher wirkliche, neue Realitäten erzeugen.
„Interoperabilität ist mehrfach das Zauberwort: zum einen, um die vielen Metaversen untereinander zu verbinden. Zum anderen mit der realen Welt, damit die Menschen ihre aufwendig gepflegten Metaverse-Identitäten auch im echten Leben zeigen und fortführen können. Der Avatar als eigentliche Identität.“

6. Wir werden auch eine völlig neue Fashion (im Ausdruck, in der Funktion und in der Nutzung) im Metaverse sehen, die nichts mehr gemein hat mit unserer heutigen Mode.
„Fashion ist immer auch Ausdruck der Werte einer Generation und spiegelt die Welt, in der diese lebt und aufwächst. In dem Maße, in dem das Metaverse das Leben prägen wird, werden dessen neuen ästhetischen Ausdrucksformen auf die Mode überspringen. Wahrscheinlich werden wir Fashionformen sehen, mittels derer Menschen ihre Metaverse-Identität im realen Leben weiterführen können. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.“

7. Das Metaverse umfasst die digitale Welt genauso wie die physische. Außerdem gibt es offene und geschlossene Plattformen innerhalb des Metaverse. Das Metaverse ist voll von Inhalten und „Erfahrungen“, die von Individuen, privaten Gruppen oder Unternehmen erstellt werden.
„Von größter Wichtigkeit wird genau diese ,Pluralität‘ sein, die Offenheit und Vielfalt der parallel existierenden Metaversen. Ein zentralisiertes, von einem Staat, Unternehmen oder einer Interessengruppe kontrolliertes Metaverse wäre die dystopische Zukunftsvision einer unfreien Gesellschaft. Genau deshalb ist die Verbindung des Metaverse mit den Freiheits- und Eigentumsrechten des Web3 so essenziell.“