Banges Hoffen

BTE

©pixabay

Autor: Markus Oess
Eigentlich wäre ein Umsatzplus von 5 Prozent für den Modehandel ein Grund zum Feiern. Eigentlich, denn das Plus ist tatsächlich auch einer schwachen Vorlage nach drei Krisenjahren zu verdanken. Die anfängliche Erholung der Branche wurde durch die aktuellen globalen Ereignisse wieder abgewürgt. Zwar schleppt sich der stationäre Handel mit einem Zuwachs über die Jahresziellinie, doch 2023 dürfte ihm auch weiterhin der kalte Gegenwind ins Gesicht blasen. 

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Der Kölner Handelsverband BTE hat seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr abgegeben. Demnach dürfte der Bekleidungshandel inklusive Schuhe und Lederwaren – online und offline – mit einem Plus von rund 5 Prozent gegenüber 2021 aussteigen. Das Umsatzvolumen von rund 74,6 Milliarden Euro liegt damit mit -2 Prozent fast wieder auf dem Niveau von 2019 vor Ausbruch der Corona-Pandemie. „Wir rechnen damit, dass die eisigen Temperaturen im Dezember die Nachfrage nach wärmender Bekleidung und Schuhen weiterhin beleben“, berichtet BTE-Sprecher Axel Augustin. Dabei entwickelten sich die Absatzkanäle doch recht unterschiedlich. Augustin legt Wert auf eine differenzierte Betrachtung. Während der Onlinehandel gegenüber 2021 rund 5 Prozent Umsatz abgab, fährt er in der Betrachtung gegenüber 2019 mit 34 Prozent Zuwachs immer noch ein starkes Plus ein. Umgekehrt läuft der stationäre Mode-, Schuh- und Lederwarenhandel noch immer seinen Vor-Corona-Zahlen hinterher. Im Vergleich zum Jahr 2021 steigerten Modehäuser, Schuhläden und Lederwarengeschäfte ihren Umsatz zwar um etwa ein Viertel, zum Niveau von 2019 fehlen aber immer noch rund 8 Prozent. „Der starke Zuwachs 2022 ist Folge der niedrigen Vorlage aufgrund des langen Lockdowns im Frühjahr 2021“, betont Augustin.

Gleichzeitig verweist der Verband auch auf die Spreizung der Geschäftsentwicklungen, was die Lage der Läden angeht. Zum einen verlieren derzeit die großen Städte und Oberzentren Frequenz, weil die Leute aktuell den wohnortnahen Einkauf dem Trip in die Stadt mit dem Auto oder den Öffentlichen vorziehen und auch die gewachsene Remote-Arbeit die Menschen zum Teil aus der Stadt hält. Dafür schlagen sich die kleineren Städte und Mittelzentren besser. Der allgemeine Frequenzrückgang macht sich auch in den Leerständen bemerkbar, wie BTE-Hauptgeschäftsführer Rolf Pangels hervorhebt. Insgesamt sind die Leerstände um 5 bis 10 Prozent gegenüber 2021 angestiegen. In den Randlagen der großen Städte erreichen diese mittlerweile in der Spitze eine Quote von 20 bis 30 Prozent.

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„Damit unsere lebenswerten Innenstädte nach drei schwierigen Jahren in Folge ihre Funktion erhalten, müssen sich jetzt alle relevanten Akteure für ihren Standort engagieren.“ Steffen Jost, BTE-Präsident ©BTE

Zufrieden seien die meisten stationären Händler mit der Entwicklung von 2022 nicht, so der Verband. Zwar gebe es etliche Geschäfte, die das Niveau von 2019 in diesem Jahr erreichen oder sogar übertreffen werden, ein Großteil liege aber zweistellig im Minus. „Überdurchschnittlich laufen vor allem Geschäfte mit hochwertigen Sortimenten, aber auch viele mittelständische Mode- und Schuhgeschäfte mit hoher Kundenbindung können sich über gute Umsätze freuen“, sagt BTE-Präsident Steffen Jost. „Manche profitieren davon, dass ihre Kunden zumindest zeitweise im Homeoffice arbeiten und dadurch vermehrt wohnortnah einkaufen.“ Andererseits könnten gerade Mittelpreislagen in Bedrängnis kommen, da die Kunden zur billigeren Konkurrenz abwandern, um der hohen Inflation auszuweichen. Allerdings verzeichnen laut BTE auch die Discounter und preisaggressiven Formate derzeit schleppende Geschäfte. Möglicherweise auch, weil einkommensschwache Haushalte, die üblicherweise dort einkaufen, inflationsbedingt keine Ressourcen mehr für Bekleidung haben und verzichten müssen.

Sorge vor rote Zahlen

Große Probleme bereiten fast allen Unternehmen die stark gestiegenen Kosten in den Bereichen Energie, Löhne und Mieten. „Wir befürchten daher, dass sehr viele Kollegen in diesem Jahr rote Zahlen schreiben werden“, warnt Jost. Mit Sorge blickt der BTE-Präsident auch auf das kommende Jahr. Denn die Kosten dürften auch 2023 an vielen Stellen weiter steigen. Das betrifft insbesondere Unternehmen, die ihr Geschäft in gemieteten Räumen mit einem indexierten Mietvertrag betreiben. Der BTE regt daher ein „Mietmoratorium“ oder einen wie auch immer gearteten „Mietendeckel“ an. „Ansonsten werden viele Läden für immer schließen müssen“, befürchtet Jost und ergänzt: „Damit unsere lebenswerten Innenstädte nach drei schwierigen Jahren in Folge ihre Funktion erhalten, müssen sich jetzt alle relevanten Akteure für ihren Standort engagieren – vom Handel über die Vermieter bis zur Politik. Weiteres Abwarten wird vielen Standorten den endgültigen Todesstoß versetzen.“

Jost selbst plant für das kommende Jahr in seinem Unternehmen, mindestens die Zahlen von 2019 zu erreichen. Entsprechend fällt auch seine Order aus. Der BTE-Präsident sagt aber auch, dass bei Weitem nicht alle Händler in der Lage seien, auch nur ein kleines Plus reinzuholen. Zu komplex und heterogen sei die augenblickliche Situation, die kaum zuverlässige Planungen erlaube. Wachsamkeit sei das Gebot der Stunde. „Wir planen, so gut es geht. Aber wir fahren auf Sicht“, betont Jost. Um gut durchs Jahr zu kommen, bedürfe es viel kaufmännischen Sachverstands, eines feinen modischen Gespürs und eines guten Bauchgefühls. Eigentlich müsse der Umsatz noch stärker steigen, um die Kostenexplosion abzufedern.

Zahlen bitte