Hier geht’s da lang …

Kommentar

Andreas Grüter ©Peter Zembol

Autor: Andreas Grüter
Die Sommer 2023-Messeschlacht in Berlin ist geschlagen. Messeschlacht? Angesichts der aktuellen Größe von Seek/Premium und Co. sollte man vielleicht doch eher von einem Scharmützel sprechen. Denn auch, wenn die Zahl der Aussteller und die bespielte Fläche nicht unbedingt Rückschlüsse auf die Qualität zulassen, so war die Veranstaltung im Vergleich zu den Heydays der Berlin Fashion Week zum Ende der Nullerjahre erschreckend klein. Aber nicht nur auf dem Messeparkett, sondern auf nahezu allen Ebenen der Branche zeigen sich Risse und massive Umbrüche und Verschiebungen. Die Ursachen dafür allein in den Nachwirkungen der Coronakrise und des Krieges in der Ukraine mit all seinen Folgen zu suchen, wäre meines Erachtens deutlich zu kurz gegriffen.

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The golden Age of Subculture …
… ist leider bereits seit einer ganzen Weile vorbei. Schlecht für eine Branche, die jahrzehntelang bestens davon gelebt hat, sich der Insignien und stilistischen Ideen von Jugendbewegungen zu bedienen, um diese, inhaltlich heruntergewaschen, an den Mann, respektive die Frau zu bringen. Der x-te Aufguss eines Punk-, Mod-, Rave- oder Rock’n’Roll-Looks oder auch nur die Verwendung einzelner, stilprägender Elemente lässt sich halt Anno 2023 nur noch schwerlich als rebellisches Statement mit Avantgarde-Charakter verkaufen. Heutige Subkulturen verzichten weitestgehend auf Uniformierungen, definieren sich ausschließlich über gemeinsame Ideale und sind damit für modische Exploitations denkbar ungeeignet.

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Der übersättigte Konsument
‚Alles ist verfügbar, nichts ist mehr interessant‘ – das Internet hat das Tor zu allen Welten und allen Kulturen weit aufgestoßen und der Eintritt ist nur einen Mausklick entfernt. Was im ersten Moment Spannung verspricht, ist bereits kurze Zeit später ein alter Hut und damit gähnend langweilig. Ein Alptraum für eine Branche, die es gewohnt ist, Trends zu setzen, statt ihnen hinterherzulaufen. Und machen wir uns nichts vor, um der aktuellen Geschwindigkeit der Zeit, die sich oft selbst zu überholen scheint, gerecht zu werden, bräuchte es einen Superlativ von Ultra-Fast-Fashion.

Zwölf Meter ohne Kopf
Und wie reagiert die Branche? Bisher weitestgehend konzeptlos. Vielleicht, weil die Entwicklung so rasant verläuft und jedes Konzept von heute bereits morgen schon wieder überholt ist. Deshalb heißt das Gebot der Stunde: Tempo rausnehmen und sich auf alte Tugenden wie Wertigkeit und Zeitlosigkeit besinnen.