Diese Zeit ist deine Zeit

Pitti Uomo #105

Laut vorläufigen Zahlen verzeichnete die 105. Ausgabe der Pitti Uomo wachsende Besucherzahlen. International kamen demnach mit rund 4.700 rund 4 Prozent mehr internationale Einkäufer. alle Bilder ©FT

Autor: Winfried Rollmann
Pitti Time lautete diesmal die Head der 105. Ausgabe der Pitti Uomo. Und es war eine erfolgreiche Messe, so viel steht fest. Bemerkenswert war die deutsche Beteiligung mit 67 Marken (davon 18 auf der Plattform NEUDEUTSCH). Aus der Republik strömten auch die meisten Besucher nach Florenz. Ein erster Überblick.

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Pitti Uomo startet optimistisch in die neue Ordersaison. In einer wirtschaftlich komplexen Saison hat sich die italienische Menswear-Industrie 2023 ganz gut behauptet. Mit einem Wachstum von 5,6 Prozent hält sie den Status quo. Frankreich hat Deutschland als erste Export-Destination italienischer Menswear mit 12 Prozent der gesamten Exporte (D 10,5 Prozent) abgelöst. Die Produkte mit den höchsten Zuwächsen waren Krawatten (+ 19,7 Prozent) und Hemden (+ 18,7 Prozent). Dies zeigt einen signifikanten Zuwachs zu einem deutlich angezogeneren Look. Tailored Smartness spielt wieder eine größere Rolle, auch wenn Pitti Uomo die Bastion für Luxury Casual bleibt.

Fashion in Florence 

Die stärkste Botschaft aus Florenz ist eine subtile, spannende Neutralität in den Farben. Helle, farbige Graunuancen und Taupes sind die neue Basis mit ungefärbten Wolltönen. Dazu unaufgeregte Mauve- und Berrynuancen wie bei BRUNELLO CUCINELLI oder mineralische, stille Grüns (ECOALF, DUNO) und vor allem ein rauchiges Hellblau (BORRELLI). In der Outerwear macht Italien einen Shift weg vom Puffer zu Hüllen in Wolle mit technischem Innenleben. Bei ECOALF wurden sie von den Einkäufern begeistert aufgenommen. DUNO zeigt erstmals wattierte Cashmere-Jacken unter dem Label ATTIC. Selbst HERNO zeigt Cashmere Coats und Jacken mit technisch funktionellem Innenleben. Bei technischer Outerwear werden die Gewichte leichter – HERNO bringt die 200 Gramm leichte, packable Daunenjacke. Wollmäntel sind die klaren Sieger für Winterhüllen. Zweireihige Military Coats in gewalkten Tuchen sind die Stars bei L‘impermeabile. Authentische waxy Cottons ersetzen häufig Nylon. Barbour. inszeniert sie neu in seiner Design Collab mit Tokihito. Strick ersetzt Hoodies oder Jackets.
Die New Classic zeigt sich smart, ist aber in der Modernität angekommen. Fred Götz von DRYKORN zeigt edle Serge-Anzüge in wertvollen Stoffen von VITALE BARBERIS CANONICO. Die breiten Spitzfaçon-Revers und die weiteren Hosen haben Fashion Attitude.

Christian Fenske, HOD bei EDUARD DRESSLER, sieht Ein- und Zweireiher in Spitzfaçon auch schon wieder mit präziserer Schulter und kombiniert sie lässig mit Merinopolos und Seidenschal für alterslose, moderne Männer. windsor. zelebriert weiter seine zweireihigen Cordanzüge. Hemdjacken bleiben omnipräsent und ersetzen das Jacket modern wie bei LBM 1911.
In Knitwear zeigt ALPHA STUDIO sachliche, businesstaugliche Twinsets in Milano-Strick, DANIELE FIESOLE propagiert vielfarbige Cashmere-Melangen und softe 3-D-Strukturen. Ansonsten viel flauschige Bouclégarne wie bei Cruciani. Bei Hosen stehen Sartorial Denim (Incotex) und semisportive Citypants mit Pattentaschen am Bein (BRIGLIA 1949) im Fokus.
Eine stille Saison, die dennoch Aufreger braucht. Seien es die farbigen Flanellkaros von TINTORIA MATTEI oder größere ornamentale Prints bei Alea. KNT, die junge Kollektion von Kiton, übersetzt in Drucken mit Stickereien die Gemälde von OMAR HASSAN auf Steppwesten und Konfektion – ein echtes Statement für wirkliche Individualisten.

Fashion Made in Germany

Zurück zu den deutschen Ausstellern, die durch die Bank von einem gelungenen Saisonstart sprachen. 67 Firmen beteiligten sich diesmal an der Pitti. Auch wenn das Sonderprojekt NEUDEUTSCH allein 18 Marken von Nachwuchsdesignern beisteuerte, eine bemerkenswerte Zahl. Julian Daynov konnte von einer guten internationalen Resonanz auf das Projekt berichten. Für die NEUDEUTSCH-Brands habe sich die Beteiligung bezahlt gemacht, es gab auch erste Orders. Beim Jersey-Hemdenspezialisten DESOTO stellte der neue Geschäftsführer Mario Zimmermann in Florenz die neue Linie Essential vor, die den klassischen Hemdenmarkt (Business- und Anlassmode) abdecken soll. Die Preise liegen bei 89 bis 99 Euro im VK. Neben Schnittmodifikation und neuer Verpackung haben die Hemden auch im Gegensatz zur restlichen Ware Einzelgrößen. OLYMP-Chef Mark Bezner reiste neben Geschäftsführer Heiko Ihben diesmal auch selbst nach Florenz – der internationalen Bedeutung der Pitti wegen. Bezner, der ein brutales Jahr 2024 befürchtet, konnte unter anderem wichtigen Besuch aus den USA auf seinem Stand begrüßen.

Für bugatti ist Italien der wichtigste Markt. Gerade jetzt, wo die Marke mit dem Zugang von COO Florian Wortmann merklich modernisiert wird, war der erste Auftritt unter der neuen Führungskonstellation mit Brinkmann-Chef Julius Brinkmann ein wichtiger erster internationaler Auftritt. „Die Pitti war supergut. Vor allem die beiden ersten Tage“, resümiert Wortmann. Unternehmensinhaber Wolfgang Müller gab seiner Premium-Marke TOM RIPLEY von Anfang an Zeit, sich auf der Pitti Uomo zu etablieren. „Die Premiere im vergangenen Sommer war wirklich gut. Auch diesmal bin ich zufrieden, unsere Halle könnte aber mehr Frequenz vertragen“, sagt er. Abgerechnet werde zum Schluss und international gebe es keine bessere Plattform als Florenz.

Auch Jan Mangold, Chef der HOLY-Marke windsor., berichtet von einer international gut frequentierten Messe. Gekommen seien auch viele Deutsche wie P&C, LODENFREY, Eckerle oder HIRMER. Mangold schätzt, dass in der Branche noch einige Negativ-Schlagzeilen aufpoppen könnten. Aber er sieht auch Chancen, da sich die Einkäufer gerade in schwierigen Zeiten auf gut verkäufliche Marken fokussierten. „Eine Binsenweisheit, aber so ist es nun mal und windsor. gehört zu diesen Marken.“ Ähnlich sieht es ALBERTO-Geschäftsführer Marco Lanowy: „Die Pitti ist eine beeindruckend erfolgreiche Messe. Und sie steht für Qualität und Kommunikation.“ ALBERTO präsentiert sich international überdies auf der CIFF/Revolver in Kopenhagen und auf der Cast in Amsterdam. Der Manager zieht Parallelen zu seinem Unternehmen. Er hat Kommunikationsbedarf ausgemacht im Handel, da die Produktwelt mittlerweile komplex und erklärungsbedürftig ist. Das Produkt sei immer noch entscheidend. Nur werde der Service – und dazu zählt Lanowy auch Schulungen – immer wichtiger. Lösen will er das mit 30-minütigen Online-Trainings, für die er im Handel wirbt.

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Die Insolvenz von GALERIA Karstadt Kaufhof sorgte zwar auf der Messe für Diskussionen, zumal weitere Pleiten in der Branche befürchtet werden. Dennoch, so der allgemeine Tenor, kam die Insolvenz nicht eben überraschend. Man habe vorgesorgt und die Geschäfte reduziert, heißt es allgemein von betroffenen Marken. Zumal erstaunlicherweise die Abverkäufe gar nicht so schlecht gewesen sein sollen in der letzten Zeit. Vielmehr seien Kastenstrukturen, besser gesagt tatsächlich die Mieten, ein großes Problem. Warenhäuser, sagt Sales Director Christoph Sangmeister, hätten ihre Marktberechtigung. Man müsse sich nur umsehen in Hamburg oder München. Zwar würden nicht alle Standorte überleben können, aber es komme eben darauf an, wie sie betrieben würden. „Generell ist die Stimmung so schlecht nicht. Wir hatten die zurückliegenden Jahre in der Branche immer mit außergewöhnlichen Problemen zu tun“, sagt er. 2024 werde nicht einfach, aber kein Katastrophenjahr. Leider sorge man selbst dafür, dass in der zweiten Jahreshälfte das Verfallsdatum durch Black Friday und Black Week schneller ablaufe als nötig. Dennoch werde ROY ROBSON nach einem guten Jahr 2023 auch in diesem Jahr ordentliche Zahlen erwirtschaften, ist sich Sangmeister sicher.

DIGEL Sales Director Philippe Celeny erklärt sich selbst zum Fan der Pitti. Die Messe werde gut frequentiert und es sei die richtige Plattform, um move zu zeigen, und zwar nur move. Mit neuem Brandkonzept soll das Label umsatzmäßig mit DIGEL gleichziehen. „move ist eine globale Contemporary Brand mit einer starken Formal Wear“, betont Celeny. Der Franzose rechnet nach einem Plus von 5 Prozent auf 120 Millionen Euro im vergangenen Jahr damit, dass er vor allem mit move weiter im Handel punkten kann. „Wir haben immer noch Wachstumsräume in der Kollektion mit DIGEL und move, aber auch in den Absatzmärkten zum Teil sogar national, vor allem aber international“, so Celeny. Deutschland ist immer bekanntlich auch attraktiv für ausländische Marken. Dieter Gambke und Uwe Bernecker schießen aus allen Rohren, um Werbung für ihr eigenes Konzept WISE MAN CLUB zu machen. Seit einigen Monaten beraten die beiden auch die Hosenmarke 40WEFT, die in Deutschland starten will. Ein erster Erfolg ist schon mal da: „Die meisten namhaften deutschen Händler waren irgendwann auch bei uns auf dem Stand“, meint Gambke. „Deutschland, so scheint es, ist wieder in Italien angekommen“, sagt Bernecker noch beim Abschied.

Besucherplus

Laut vorläufigen Zahlen verzeichnete die 105. Ausgabe der Pitti Uomo wachsende Besucherzahlen. International kamen demnach mit rund 4.700 rund 4 Prozent mehr internationale Einkäufer. Die Zahl der Buyer liegt dabei insgesamt bei 13.000. Im Ganzen kamen 20.000 Besucher zur Messe. Die Pitti #105 sende von Anfang an positive Signale, sagt Raffaello Napoleone, CEO von Pitti Immagine. In den Pavillons, an den Ständen, in der Stadt und bei den Projekten und Shows sei eine große Energie zu spüren gewesen. „Für uns als Organisatoren besteht die Aufgabe darin, ein dynamisches Gleichgewicht zwischen dem Ausstellungsangebot und Sonderprojekten innerhalb und außerhalb der Fortezza da Basso aufrechtzuerhalten – und eine internationale Plattform zu bilden, die die Stärke und das Prestige der Fortezza da Basso noch stärker zum Tragen bringt“, sagt Napoleone.

Die Top-20-Länder in der Reihenfolge der Besucherzahl (Personen) sind: Deutschland, Holland, Vereinigtes Königreich, Türkei, Spanien, Frankreich, Japan, Vereinigte Staaten, Schweiz, Belgien, Österreich, Griechenland, China, Südkorea, Portugal, Russland, Polen, Kanada, Dänemark. Medial besonders beachtet wurden auch die Sonderprojekte der Messe. Darunter die Modeschauen der Gastdesigner Magliano und S.S.DALEY, die Designerschau von Todd Snyder, das Debüt von Achilles Ion Gabriel, die Installation von GUESS Jeans im Teatro del Maggio und die Ausstellungsfläche NEUDEUTSCH, kuratiert von Julian Daynov, der die neue Kreativszene aus Deutschland ins Rampenlicht rückte.

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