Der Markt entscheidet

CHIC Shanghai

Die CHIC Shanghai zählte 158.000 Besucher. alle Bilder ©FT

Autor: Markus Oess
Geht es nach Chen Dapeng, Präsident CHIC und China National Garment Association Aussteller, kommt kein ausländischer Player an der Shanghaier Plattform und Asiens größter Modemesse vorbei, wenn er Geschäfte im Reich der Mitte machen will. Im Jahr zwei nach der Corona-Pandemie und dem Restart zeigt sich die Messe deutlich erholt. Die Internationalität vergangener Jahre ist aber noch nicht erreicht. Das weiß auch Chen und entwickelt Geduld. Der Markt entscheide, wie es weitergehe, denn er bestimme das Geschehen, sagt Chen. Und darauf werde die Messe die richtigen Antworten finden.

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„Alle Länder und alle Firmen waren im Grunde gleichermaßen von der Pandemie betroffen. Jetzt arbeiten die Menschen ihre neuen Strategien aus, um kraftvoll aus der Krise zu kommen. Das braucht Zeit.“ Chen Dapeng, CHIC Shanghai 

Nicht ohne Grund trage die Modemesse CHIC Shanghai (CHIC – China International Fashion Fair) das Wort „International“ im Namen, sagt Chen Dapeng, Präsident CHIC und China National Garment Association Aussteller. Er sagt dies gegenüber FASHION TODAY auf der Pressekonferenz während der Messe. Im Jahr zwei des Restarts nach der Corona-Pandemie sei die Plattform wieder erstarkt, wenngleich noch einiges zu tun sei, um die alte Vormachtstellung im chinesischen beziehungsweise asiatischen Messegeschehen auch auf dem globalen Parkett wiederzuerlangen und zu festigen. Chen zeigt sich zuversichtlich, dass sich der Erfolg fast schon automatisch einstelle. „Wir sind das Tor zu China, wer das Land verstehen lernen und hier Geschäfte machen will, kommt an einem Besuch der CHIC nicht vorbei“, betont er. Außerdem verfüge das Messeteam über eine 31-jährige Erfahrung und wisse daher, worum es im internationalen Business gehe. Firmen aus Ländern wie Italien, Frankreich, UK oder eben Deutschland seien hier bereits breit vertreten gewesen, besonders in eigenen Länder-Pavillons. Heute steht die Welt allerdings auch unter neuen geo-politischen Vorzeichen.

„Alle Länder und alle Firmen waren im Grunde gleichermaßen von der Pandemie betroffen. Jetzt arbeiten die Menschen ihre neuen Strategien aus, um kraftvoll aus der Krise zu kommen. Das braucht Zeit. Wir müssen geduldig bleiben, auch wenn wir uns schon jetzt auf einem guten Weg befinden“, sagt Chen weiter. Man werde das tun, was der Markt verlange, antwortet Chen auf die Frage, wie die Messe die altgewohnte Internationalität zurückgewinnen solle. Das gelte für die Produktgruppen und die Hallensegmentierung ebenso wie für neue Marktbereiche wie Sport oder Lifestyle, wenngleich diesbezüglich nichts Konkretes geplant sei. Gleichzeitig will das Management die Marketingaktivitäten im Ausland gezielt verstärken. So wird es unter anderem im September Neuauflagen der CHIC-Pavillons wie im vergangenen Jahr in Paris auf der Who’s Next geben, wo 20 chinesische Designer ausgestellt hatten. Zum einen mit Fashion China auf der Who’s Next und Moda China auf The One Milano. Eines sei klar, sagt Chen mit Blick auf die chinesischen Aussteller: Die Firmen hätten einen strategischen Shift vollzogen. Sie wollten nicht mehr länger nur als Produzenten mit dem Ausland Geschäfte machen, sondern auch als Marke beziehungsweise eigenständige Designer weltweit verkaufen. Dem werde die Messe Rechnung tragen. Allerdings unterscheide sich die Messe in einem dann doch von westlichen Trade Fairs. Die CHIC bilde von der Produktion bis zum Produkt die Wertschöpfungskette ab und das beinhalte auch das Sourcing.

Han Yanjun, verantwortlich für die Menswear auf der CHIC Shanghai, glaubt fest an steigende Besucherzahlen.

Han Yanjun verantwortet auf der CHIC die Menswear. Der Manager meldet für sein Segment einen Zuwachs und damit Zahlen, die schon wieder Richtung 2019 gehen. 89 Unternehmen waren präsent. Davon bieten 70 auch Marken an. Allerdings bleibt anzumerken, dass deren Umsatzanteil häufig weniger als die Hälfte ausmacht. So manche Retailbrand bleibt der Messe fern – noch, wie Chen betont hatte. Wollen Firmen auf der CHIC ausstellen, seien zwei Dinge Voraussetzung, führt Han aus: Sie müssen ihre Papiere in Ordnung haben, also eine Common Licence besitzen, und sie dürfen nicht von anderen kopieren und Property Rights auf die Designs nachweisen. Die Messe deckte auch in der Menswear die mittel- bis höherpreisigen Segmente ab, berichtet Han. China spüre genauso die Auswirkungen der Pandemie. Wirtschaftlich sei es eben nicht einfach mit der Mode, gerade bei den Männern mache sich eine gewisse Kaufzurückhaltung bemerkbar. Andererseits seien die Arbeitskosten im Reich der Mitte gestiegen und die Fabriken suchten neue Leute, um die Produktion weiter hochfahren zu können. Überdies hat das chinesische Neujahr die Messe etwas ausgebremst. Der Jahreswechsel liegt so nah am Messetermin, dass die Vorbereitungen in den Firmen und Akquise der Messe zeitlich zusätzlich limitiert wurden. Das, sagt Han, dürfte zur kommenden Ausgabe im August keine Rolle mehr spielen, zumal inzwischen erste Anzeichen einer Erholung im Markt zu spüren seien. Han rechnet fest mit einer wachsenden Besucherzahl.

Chinas Verbraucher sind digital mit einer anderen Geschwindigkeit unterwegs als zum Beispiel die deutschen. Vieles läuft schon über TikTok, Alibaba und Co. Das gelte allerdings weniger für die Menswear, meint Han. Auch die chinesischen Männer seien weniger probierfreudig als die Frauen. Gekauft werde mehr off- statt online und das werde auch auf absehbare Zeit so bleiben, schätzt Han. Zumal gerade im höherwertigen Bereich die Preise ein Kaufhindernis darstellten. Das heiße aber nicht, dass viele Firmen nicht vor der Herausforderung stünden, ihren Vertrieb zu digitalisieren und den neuen Konsumgewohnheiten anzupassen. Ein Lernprozess. Aber die jungen Konsumenten seien dann doch mehrgleisig unterwegs, meint Han. Laut Euromonitor soll der Menswear-Umsatz bis 2027 auf ein Volumen von erstaunlichen 740 Milliarden Renminbi (94,2 Milliarden Euro) anwachsen, betont Han. Laut Statista.com soll das Volumen bis 2028 sogar bei 125,36 Milliarden US-Dollar (114,74 Milliarden Euro) liegen. Ein Riesenmarkt. Neuen Schwung, genauer gesagt Konsum, soll der Trend zu Business Casual bringen. Zwar ist der Anzug bei offiziellen Geschäftsterminen und Meetings immer noch gesetzt, aber im Büroalltag wird es lockerer. Auch Funktion darf nicht fehlen, die Bekleidung soll bequem sein, so Han. Der zweite Haupttrend, den er ausgemacht hat, sind Fashionable Sportswear und der Wunsch, auch beim Sport gut auszusehen, was wiederum auch Auswirkungen auf die Looks auf der Straße selbst hat.

Kaschmir aus der Mongolei: Saihon Anda Cashmere

Han spricht gegenüber FASHION TODAY schließlich noch über den Designer-Nachwuchs. Namen wie Ji Wenbo oder Wang Yutao seien hierzulande ein Begriff. Sie könnten es locker mit der westlichen Konkurrenz aufnehmen. Ein Aspekt, den auch Chen Dapeng bereits hervorgehoben hatte. Chinas Designer finden internationale Anerkennung. So hatte die Pitti Uomo das Reich der Mitte schon 2019 mit den Designern von ON8, DANSHAN, FFIXXED STUDIOS, JUNWEI LIN, Percy Lau, PRIVATE POLICY, PRONOUNCE, SAMUEL GUÌ YANG, THE FLOCKS, STAFFONLY und untitlab als Guest Nation eingeladen. China holt auf.

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Die Messehallen waren trotz der Größe der Veranstaltung gut besucht, selbst am letzten Messetag, an dem üblicherweise ans Abbauen und Abreisen gedacht wird, waren die Hauptgänge noch ordentlich frequentiert. Überwiegend kamen heimische Besucher. MiiOW ist ein Unternehmen, das bis vor Kurzem ausschließlich Wäsche hergestellt hat und im Oktober 2023 mit der Marke MERRYCHENG in die Sport-Branche beziehungsweise Outdoor eingestiegen ist, da mit solchen Produkten mehr Umsatz pro Teil erzielt werden könne, heißt es auf dem Stand. Gut 1.600 Renminbi kostet eine Daunenjacke, 3.200 Renminbi ein Mantel. Die Teile könnten auch hierzulande verkauft werden, zunächst fokussiert sich das Unternehmen für die nächsten drei Jahre auf den Heimatmarkt. Die Stoffe kommen übrigens aus Deutschland. Auch Saihon Anda Cashmere vertreibt unter diesem Markennamen Cashmere-Strick. Ins Ausland, darunter Frankreich, UK, Taiwan, Japan und die Türkei, geht indes nur Ware, die im Auftrag Dritter produziert wurde. 30 Prozent des mongolischen Unternehmens macht die Menswear aus. Mit der Resonanz der Messe zeigt man sich zufrieden, mehr Besucher aus dem Ausland wären dennoch nicht schlecht, so der Tenor.

Die Messe sei gut, die Frequenz auf seinem Stand sogar höher als 2019, sagt CEO Zhangxi Qin. Besucher aus dem Ausland aber habe er indes kaum gesehen.

Phyliz Y ist Sales Brand Manager von ZUO, einer chinesischen Casual-Wear-Brand. Der Großteil des Umsatzes wird mit eigenen Stores und dem Online-Handel erwirtschaftet, rund 15 Prozent steuern Franchisenehmer bei. 85 Läden gibt es derzeit. Phyliz hoffte, auf der CHIC neue Franchisenehmer ansprechen zu können. Sie sagt, der Markt erhole sich langsam wieder, aber es sei nicht einfach gewesen in den Pandemie-Jahren. Die kostenbedingten Preiserhöhungen hat die Marke teilweise wieder zurückgenommen, um den Absatz anzukurbeln. Spätestens im kommenden Jahr solle es wieder aufwärtsgehen, sagt die Managerin. SOLOSALI (war ein italienisches Unternehmen) bietet Maßanzüge und wurde nach dem Markteintritt 2011 vier Jahre später von der BAOXINIAO GROUP, einem der größten chinesischen Menswear-Anbieter mit über 5.000 Sales Points, gekauft. Rund 6.000 bis 10.000 Renminbi kostet eine Maßanfertigung, in der Spitze sind es 14.000 Renminbi. Die Marke ist an mehr als 210 PoS in China vertreten, davon betreibt die Marke 10 Prozent selbst. Inzwischen gibt es erste Gehversuche in den USA und Russland. Läuft es planmäßig, sind weitere Expansionsschritte in Europa angedacht. Die Messe sei gut, die Frequenz auf seinem Stand sogar höher als 2019, sagt CEO Zhangxi Qin. Besucher aus dem Ausland aber habe er indes kaum gesehen.

Von Seoul nach Shanghai: Tina Ayasse 

Im Bereich CHIC WORLDWIDE hat die Deutsche Tina Ayasse einen Stand gemietet. Sie verkauft unter ihrem Namen Premium-Lederhosen und -jacken. Sonst stellt sie in Standorten wie Düsseldorf (eigener Showroom), München (Supreme) und Paris (temporärer Showroom) aus. Es ist eher der Zufall, der sie nach Shanghai gebracht hat. Die Designerin lebt derzeit in Seoul und von dort nach Shanghai ist es ein Katzensprung. Warum also nicht auf Asiens größter Bekleidungsmesse ausstellen? Ayasse ist ohne bestimmte Erwartungen angereist und sagt, generell sei der asiatische Markt derzeit nicht ganz einfach, nicht nur in China, sondern auch in Japan oder Korea. Die Präsenz auf der CHIC sei eher ein Herantasten, ein Testen, wie die Marke in China ankommt. „Es gab zwar keine große Order, aber ich habe auch gute Leute getroffen. Daran kann man anknüpfen“, sagt Ayasse. Die Leute schreckten die bürokratischen Hürden ab, die mit einem Import aus Europa möglicherweise verbunden seien. Das sei das größere Problem als die Preise. Zur Einordnung: Stretch-Leder liegt zwischen 285 und 360 Euro, Leder zwischen 550 Euro und 1.000 Euro im EK. Ayasse lobt die Professionalität der Messe, was Service und Organisation angeht. Da könnten die Deutschen durchaus mal näher hinsehen. Ob sie wiederkommt, weiß die Designerin noch nicht, es sei aber gut möglich.

Auf Asiens Leitmesse für Mode und Bekleidung präsentierten mehr als 1.200 Marken im National Exhibition & Convention Center in Shanghai ihre aktuellen Kollektionen. Auf 117.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche deckte die CHIC Shanghai in fünf Hallen sämtliche Produktbereiche der Fashionbranche ab. Gekommen waren marktführende Unternehmen wie Zhongying, KOPENHAGEN FUR, Dayang Trands, Dongmeng Group, aber auch junge Designer sowie Nischenmarken in den Bereichen Womenswear, Menswear, Kidswear, Denim, Schuhe, Taschen und Accessoires, Young Fashion und Sportswear. Genaue Besucherzahlen wurden bis zum Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht. Die Messe-Organisatoren erwarteten aber mehr als 170.000 Fachbesucher. So hatten die großen Online-Shopping-Plattformen TikTok, XiaoHongShu, Tmall, Taobao, Gearbest, JD.com ihr Kommen angekündigt, ebenso die Einkäufer der großen Shoppingmalls wie K11 oder Wanda Plaza und Kaufhäuser, Agenten, Distributoren, Vertreter von Multibrand- und Concept Stores und Livestream-Anbieter. Laut Angaben der Organisatoren kamen 158000 Besucher. Wie viele davon aus dem Ausland kamen, konnte die Messe noch nicht sagen, lediglich, dass die meisten von ihnen aus Russland, Südkorea, den USA und Vietnam kamen. Auch Bangladesch, Australien, Kolumbien, UK, Ägypten und Kasachstan zählten zu den Top Ten.

CHIC in Bildern