Über die Zuversicht

Markus Oess ©FT

Die SARS-CoV-2 hält uns weiter im Griff und die Hoffnung auf eine baldige Öffnung des öffentlichen Lebens ist der nüchternen Erkenntnis gewichen, dass wir näher an einer Verschärfung der Pandemie-Maßnahmen stehen, als noch im November gedacht. Die natürliche Auslese des Virus, an und für sich eine ganz normale Sache, hat dazu geführt, dass sich inzwischen deutlich ansteckendere Mutanten breitmachen und die Infektionslage noch unübersichtlicher wird. Das mahnende Beispiel UK vor Augen, wo das Virus ungebremst grassiert, hat die Wissenschaftler des Landes zu deutlichen Appellen an die anderen Länder gebracht, nicht den gleichen Fehler zu begehen und die Kontakte zu beschränken – konsequent und frühzeitig. Um es klar zu sagen: Solange eine Immunisierung der Bevölkerung noch nicht erreicht ist, ist es das einzige probate Mittel im Kampf gegen die Pandemie.

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Erst wenn die Inzidenz erkennbar weit unter 25 gefallen oder wenn die Impfung der Bevölkerung weit fortgeschritten ist, wird es Öffnungen geben können. Dazwischen gibt es viel Raum für Kritik, die nur teilweise berechtigt, teils an den Haaren herbeigezogen ist und oft genug ins Absurde abdriftet. Das Virus ist weder arbeitsscheu noch schulmüde. Es ist einfach da, in den Werkhallen, in den Büros, in den Schulen, in den Kindergärten – unerkannt. Wenn alle maßgeblichen Wissenschaftler die Menschen eindringlich auffordern, massiv die Kontakte herunterzufahren, sollten wir dem endlich auch folgen. Schon jetzt melden zehn Bundesländer, dass ihre Intensivstationen zu 85 Prozent belegt sind und dort die Puffergrenze überschritten wird. Tendenz weiter steigend. Inzwischen ist Deutschland, Stand 14. Januar 2021, auf den 6. Platz weltweit vorgerückt, was die Anzahl der Toten pro 100.00 Einwohner angeht, noch vor Ländern wie den USA (Platz 7) oder (Italien Platz 10), Mexiko (Platz 13) oder Brasilien (Platz 22). Inzwischen dürften die meisten von uns auch nicht nur COVID-19-Erkrankungen aus dem direkten Umfeld kennen, sondern auch Todesfälle, die im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 stehen. Brauchen wir noch deutlichere Warnzeichen? Natürlich muss es weitergehen, die Frage ist nur, welchen Preis wir für welche Öffnung zu zahlen bereit sind: den Preis der Überlastung der Gesundheitssysteme, der vielen Menschen, die an dem Virus sterben, die langfristig schwer erkranken – um wenige Wochen später dann doch alles auf Stopp zu drehen, weil nichts mehr geht?

Zur Branche: Wir haben mit dem neuen BALDESSARINI-Chef Florian Wortmann gesprochen. Über die Zukunft, nicht über die Vergangenheit, über Fortschritt, nicht über Verluste und wir haben auch weniger fachbezogene Fragen gestellt, die ein Licht auf den Manager selbst werfen. Um Zukunft geht es auch beim Gespräch mit Dr. Stella Ahlers über den kürzlich verstorbenen großartigen Pierre Cardin, der eine ganze Modeepoche prägte und dessen Name unverrückbar mit dem Ahlers-Konzern verbunden bleibt. Und in diesen Tagen sollten wir auch hinter die Menschen schauen. Wir gehen mit unserem Autor Dirk Mönkemöller in die Umkleide, eine neue FT-Kolumne, bei der Mode im Selbstversuch getestet wird. Wir waren auf ein Kaltgetränk bei Marius Borgards, Designchef von MAERZ MUENCHEN, und wir haben natürlich den guten Musiktipp für Januar 2021.

Aber bei aller Unterhaltung wundert es nicht, dass die Unsicherheit beim Thema Order groß ist. Eine Momentaufnahme von unserer Redakteurin Cordelia Albert zeigt, dass digital aktuell nur eine Brücke in den nächsten Sommer darstellt und die physischen Messen dann ihr Comeback feiern werden. Eine begründete Vermutung, die natürlich genauso für die Ökobranche gilt, wie NENONYT-Chef Thimo Schwenzfeier im FT-Gespräch betont. Der Handel jedenfalls hat sich bereits darauf eingerichtet, die Messehallen auch in diesem Winter nicht aufsuchen zu können. New Order eben.

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Wir haben auch mit Händlern gesprochen, die trotz Krise nach vorn schauen und sich nicht unterkriegen lassen wollen. Raimar Bradt ist so einer. Er ist einer der drei Inhaber von bubeundkönig in Nürnberg. Raimar ist mit Leib und Seele Händler und ein gutes Beispiel für Mut, Energie und die Entschlossenheit durchzuhalten. Er fordert von der Politik vor allem Klarheit, welche Hilfen denn kommen und wann. Absolut nachvollziehbar, denn gerade in der jetzigen Situation müssen Unternehmen wissen, woran sie sind. Bradt und seine Partner haben trotz des ersten Lockdowns 2020 den Vorjahresumsatz gehalten. Und sie planen in der anstehenden Order mit den Volumina des Vorjahres. Wohlgemerkt, ohne Novemberhilfen. Denn die müssten mit einem Formular beantragt werden. Leider existiert noch nicht einmal ein solches Formular. Der italienische Modehändler Claudio Antonioli ist auch ein positives Beispiel dafür, warum es besser ist, mit Zuversicht zu handeln, als sich von den Geschehnissen überrollen zu lassen. „Ich bin optimistisch“, sagt er. Schön, nicht? Wann haben Sie diesen Satz zuletzt gehört?

Ihr

Markus Oess