Die große Preisfrage

Markt

Fashion hat bei den Deutschen nicht unbedingt oberste Priorität. (Bild: pixabay)
Autor: Markus Oess

Der deutsche Bekleidungsmarkt ist von Angebotsüberhängen und Preiskampf geprägt.

Deutschland ist der größte europäische Markt für Bekleidung. Allerdings ist dem größten europäischen Markt die Luft ausgegangen. Kaum Wachstum, Verdrängung und Preiskämpfe zeichnen ein trübes Bild. Die Gründe hierfür wurden hinlänglich diskutiert. Die demografische Entwicklung ist ein Teil der Geschichte. Die deutsche Bevölkerung schrumpft und gleichzeitig leben wir in einer alternden Gesellschaft.

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Überdies richtet sich die Präferenz der Deutschen nicht unbedingt auf die teure Klamotte, sondern im Gegenteil – der Siegeszug der Discounter und Fast-Fashion-Anbieter ist kaum aufzuhalten. Obendrein treibt die leidige Online-Konkurrenz dem stationären Handel die Sorgenfalten auf die Stirn und, als sei das nicht genug, mischen zusehends die Hersteller mit eigenen Läden mit. Die Folgen sind hinlänglich bekannt. Warenüberhang und Preisdruck kegeln immer wieder Hersteller und Händler aus dem Markt, auch einst schillernde Namen sind darunter.

Ein Fünftel der Unternehmen arbeitet mit operativen Verlusten

Im Rahmen einer von Deloitte durchgeführten Studie wurden im vergangenen Jahr Geschäftsberichte von 31 deutschen Bekleidungseinzelhändlern analysiert. Das Ergebnis ist ernüchternd: Die Durchschnittsrendite liegt bei lediglich 3,1 Prozent. Schlimmer noch, ein Fünftel der Unternehmen arbeitet mit operativen Verlusten. Schwer vorstellbar, dass sich das binnen Jahresfrist geändert haben soll. Und wie zum Beweis meldet der BTE, Köln, Anfang August: Die Konzentration im Modefachhandel nimmt weiter zu. Vor allem kleinere Betriebe verschwinden demnach in Deutschland vom Markt. Allerdings, räumen die Verbandsvertreter ein, liege es auch an der fehlenden Nachfolge.

„Immer weniger Mittelständler haben oder finden Interessenten für die Übernahme des eigenen Unternehmens“, heißt es dazu aus Köln. Dabei beruft sich der BTE auf Zahlen der kürzlich veröffentlichten Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes. Vor allem kleineren Betrieben geht die Puste aus. Waren im Jahr 2010 noch 18.869 Unternehmen mit Nettoumsätzen bis 0,5 Millionen Euro am Markt vertreten, so ist ihre Zahl im Jahr 2015 um mehr als 4.300 auf nur noch 14.556 gefallen.

Dagegen stieg die Zahl der Großunternehmen (ab 100 Millionen Euro) im gleichen Zeitraum um 54 Prozent von 26 auf 40 Firmen. Gut behaupten konnten sich in diesem Wettbewerbsumfeld die großen Mittelständler in den Größenklassen zwischen 5 und 100 Millionen Euro Nettoumsatz.

Kampf gegen Gewinnrückgang

Nach einer BTE-Umfrage von Januar/Februar dieses Jahres hatten 43 Prozent der teilnehmenden Unternehmen 2016 mit rückläufigen Umsätzen zu kämpfen. 18 Prozent konnten das Niveau wenigstens halten und nur 40 Prozent legten beim Umsatz zu. Immerhin waren bei 20 Prozent sogar mehr als 3 Prozent drin. Zum Vergleich: Die Europäische Zentralbank strebt eine Inflation von 2 Prozent an. 41 Prozent der befragten Firmen erzielten gegenüber dem Vorjahr weniger Gewinn. 23 Prozent haben wenigstens nicht auch noch Gewinn abgegeben.

Zu schaffen machen dem Textilhandel vor allem höhere Abschriften und Kosten. So hätten sich die Preissenkungen im letzten Jahr bei 42 Prozent der Umfrageteilnehmer erhöht und nur bei 20 Prozent verringert. Und auch der Industrieverband GermanFashion beklagt die mauen Geschäfte hierzulande, wo immer noch 60 Prozent der Erlöse reingeholt werden, wie seidensticker betont.

Jeder Betriebs- oder Volkswirt kennt die Aufgaben des Preises; Lesestoff des ersten Semesters im Bachelor-Studium. Laut Gabler Wirtschaftslexikon erfüllen die Preise Funktionen im Koordinationsprozess des Marktes.

„Hier sind zu nennen die Funktionen der Orientierung beziehungsweise der Information (Wirtschaftssubjekte orientieren ihre Konsum- oder Produktionsentscheidungen an Preisen), der Allokation (Güter und Faktoren fallen tendenziell demjenigen zu, der den höchsten Preis zahlen kann, man spricht daher auch von der Rationierungs- oder Verteilungsfunktion) und des Anreizes (hohe Preise und erwartete Gewinne provozieren eine höhere Produktion – durch Kapazitätsausbau und möglicherweise durch den Markteintritt neuer Anbieter – oder neue Einfälle, die zu Substitutionsmöglichkeiten oder technischen Alternativen führen, das heißt, Preise fungieren als Knappheitsindikatoren).“

Aber was sind eigentlich faire Preise? Haben Industrie und Handel die gleiche Vorstellung davon? FT hat nachgefragt:

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Ein schwieriger Stoff

Autor: Maximilian Fuchs

Wir sind der Frage nachgegangen, was faire Preise für Verbraucher, Industrie und Handel bedeuten – und worauf wir uns in Zukunft einstellen sollten. Dazu haben wir mit Thomas Rasch, Hauptgeschäftsführer von GermanFashion, und Jürgen Dax vom Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels gesprochen.

Thomas Rasch, GermanFashion (Foto: GermanFashion)

FT: Steigende Lohnkosten und schwankende Rohstoffpreise sorgen für eine zu erwartende Anhebung der Preise. Der Handel argumentiert, dass die Anhebung von VK-Preisen für den Verbraucher nicht nachvollziehbar sei. Worauf müssen wir uns einstellen?
Thomas Rasch:In einer Marktwirtschaft müssen steigende Beschaffungs- und Produktionskosten sich auch in steigenden Preisen der Endprodukte wiederfinden. An nahezu allen Produktionsstandorten sehen wir uns mit steigenden Kosten sowohl für die Löhne als auch aufgrund steigender Umweltauflagen konfrontiert. Ob und wie unser Kunde, der Einzelhandel, diese Preissteigerungen an den Endverbraucher weiterreicht, will ich nicht beurteilen. Da müssen Sie den Einzelhandel befragen.“
Jürgen Dax: „Wir werden schon mittelfristig nicht um höhere Preise im Textilsektor herumkommen. Verschiebungen der Währungsparitäten, eine Verknappung wertvoller (Faser-)Rohstoffe sowie steigende Produktionskosten in der Dritten Welt werden von unseren Verbrauchern bezahlt werden müssen.“

Das Bundeskartellamt hat kürzlich eine Millionenstrafe gegen P&C Düsseldorf wegen illegaler Preisabsprachen verhängt. Was ist Ihr Eindruck – handelt es sich um einen Einzelfall oder ist es die Spitze des Eisbergs?

Rasch: „Das kann vermutlich niemand beurteilen, denn derartige Verfahrensweisen und Absprachen passieren immer nur im zweiseitigen Verhältnis zwischen Industrie und Handel. In den letzten Jahren kooperieren Industrie und Handel ja immer mehr in vertikalen Modellen, bei denen die Risikoverteilung eben ganz anders aussieht als noch zu früheren Zeiten, als der eine verkaufte und der andere kaufte. Je mehr dabei der Lieferant in wirtschaftliche Risiken geht, die früher ausschließlich beim Kunden lagen, desto mehr hat er natürlich den Wunsch, im Gegenzug auch das Verkaufsgeschehen besser zu planen und zu steuern. Nach meinem Eindruck passt die strenge Betrachtung des Bundeskartellamtes nicht mehr so ganz in die heutige Lebenswirklichkeit. Die Kooperationsmodelle zwischen Industrie und Handel sind mittlerweile so vielfältig wie die Mode selbst. Sie enthalten oft eine bunte Mischung von Handelsvertreter-, Kauf-, Miet-, Geschäftsbesorgungsverträgen und so weiter. Es fällt dann oft wirklich schwer, genau zu bestimmen, wer eigentlich Verkäufer und wer Käufer im klassischen Sinne sein soll.“

Jürgen Dax, BTE

Dax: Nach Aussage einer Kartellrechtsexpertin gibt es in der Textilbranche – verglichen mit Kfz, Bahnschienen und anderem – keine oder wenig große Kartellsündenfälle, aber etliche kleine. Das Eisbergbild wäre daher schief, aber vielleicht können wir uns darauf einigen, dass viele kleine und kleinste Eisschollen im Wasser schwimmen. Nach unserem Eindruck haben zahlreiche Vertriebsverantwortliche in den Lieferbetrieben genau wie viele Händler nach wie vor nicht akzeptiert, dass die Wirklichkeit des europäischen Kartellrechts hart, humorlos und nicht unbedingt mittelstandsfreundlich ist. Daher ist der P&C-Fall hoffentlich ein Weckruf für die Branche.“

Herr Rasch, Fairness beim Preis betrifft die gesamte Produktionskette. Zum Stichwort Textilbündnis – wie ist der aktuelle Stand?
Rasch: „Das Bündnis ist auf einem guten Weg und beginnt aktuell mit der konkreten Umsetzung von Bündnisinitiativen. Erste Schritte sind getan, weitere werden folgen. Angesichts der enormen Herausforderungen muss man einfach anerkennen, dass wir in der richtigen Richtung unterwegs sind.“

Mit welchen Maßnahmen kann der stationäre Handel seine Position gegenüber E-Commerce und M-Commerce verteidigen, Herr Dax?
Dax: „Der stationäre Handel wird nach allen Umfragen auch in einer Generation noch Kunden und Berechtigung haben. Fraglich ist nur, wie viele Händler dies dann noch sein werden. Ein heute plausibler Ansatz für den stationären Handel lautet sicherlich, dem Online-Handel das entgegenzusetzen, was dieser nicht hat und (noch) nicht kann: also Menschen, Atmosphäre, Event und sozialer Kontakt.“

Abschließende Frage: Was würden Sie sich von Ihren Partnern wünschen?
Rasch: „Gute Umsätze.“
Dax: „Der Wunsch an die Industriepartner ist einfach: Stoppt Überdistribution und Preisverhau auf euren eigenen (Handels-)Kanälen!“