Fischen im Haifischbecken

Frank Berndt Consulting

„Ich mag ,Außenseiter‘, echte Charaktere und Typen wie Jack Nicholson oder John Malkovich." Frank Berndt ©Frank Berndt Consulting
Autor: Markus Oess

Früher war alles besser? Eher nicht. Früher war alles anders, trifft es dann schon. Frank Berndt ist Inhaber der Agentur Frank Berndt Consulting, München, die er vor mehr als 23 Jahren gegründet und in dieser Zeit Marken wie CG CLUB of GENTS und GANT betreut hat. Wir haben mit Frank über früher, heute und morgen gesprochen und wie die Zeit seinen Job verändert hat.

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FT: Du postest oft Schauspieler auf deinen Social-Media-Kanälen. War das früher dein Kindheitstraum, einer zu werden?
Frank Berndt: „Ich poste gerne Schwarz-Weiß-Bilder – auf allen Kanälen. Und neben anderen Motiven und People sicherlich auch hier und da mal Schauspieler. Mein Kindheitstraum war es nicht, Schauspieler zu werden. Sonst wäre er vielleicht in Erfüllung gegangen, aber mindestens hatte ich schon immer die Lust, die Menschen zu unterhalten. Und so bin ich über Umwege in der Kommunikationsbranche gelandet. Als Agentur-Inhaber bist du ja auch irgendwie Entertainer.“

Welcher Schauspieler ist dein großes Vorbild?
„Ein wirklich großes Vorbild habe ich nicht. Aber ich mag weniger die glatten und geleckten Stereotype, ich mag ,Außenseiter‘, echte Charaktere und Typen wie Jack Nicholson oder John Malkovich.“

Was schätzt du an ihnen?
„Meine Number One Nicholson ist einfach cool. Der Typ ist ja keine Schönheit, aber das macht er alles wett mit seiner Ausstrahlung, seiner Mimik, seinem Lächeln, seinem Hochziehen der Augenbrauen, dem Tag-und-Nacht-Sonnenbrille-Tragen, den lichten, nach hinten gegelten Haaren und, und, und. Was ich damit sagen will: Man muss kein Ken sein, um erfolgreich zu sein. Gilt übrigens auch für Frauen, da ist es dann die Barbiepuppe.“

Hast du auch mit der Agentur mal einen Auftrag abgelehnt?
„Ich muss echt überlegen. Seit 25 Jahren bin ich im PR-Business. Ich glaube nicht. Ich habe selbst für kleinste Honorare gearbeitet, nicht weil ich das Geld brauchte, sondern weil ich kleine Marken mit kleinem Budget immer wieder gerne meine Unterstützung, Beratung und mein Know-how angeboten habe. Natürlich kann man das auch nur, wenn es andere Etats gibt, die den ganzen Laden am Laufen halten. Aber grundsätzlich arbeite ich nicht des Geldes, sondern der unterschiedlichsten Herausforderungen wegen. Dabei habe ich mich nie nur der Mode gewidmet. Und auch nicht nur klassischer PR. Für mich war es immer wichtig, dass unsere Agentur alles abdecken kann, nicht muss. Texten, Grafik, Event-Management, Marketing, Produktionen, Social Media und so fort.“

Dein schwierigster Job?
„Es gibt keine schwierigen Jobs. Es gab und gibt für mich nur Herausforderungen. Oft bin ich ins kalte Wasser gesprungen, habe einen Auftrag bekommen in einem Segment, mit dem ich vorher nichts zu tun hatte. Das tat oft der Marke oder dem Produkt gut, da ich von außen einen anderen Blick darauf hatte. Ich mag das Unkonventionelle, das Provozieren, das Ausprobieren, das Verlassen von ausgetrappelten Pfaden. Nur so findest du Gehör und Aufmerksamkeit in den Haifischbecken jeglicher Branchen. Muss alles natürlich Sinn machen und immer noch zum Markenkern passen.“

Irgendwelche Flops?
„Gute Frage. Auch hier muss ich überlegen. Und wenn, dann ist das ja auch eine Interpretationssache. Ich kann mich an eine Lookbook-Produktion für eine renommierte Cashmere-Marke erinnern, ewig her. Kleines Budget – wie so oft –, gutes Model, Fotograf und Stylist in einem professionellen Studio … Langer Rede kurzer Sinn: Looks und Bilder waren im Kasten und der Kunde war nicht happy. Und wenn ich ehrlich bin, war ich auch nicht ganz glücklich. Die Zusammenarbeit hielt leider auch nicht so lange. Die Marke gibt es noch. Mich auch.“

Stars, Mode und Glamour sind ja doch irgendwie eins. Was hat sich diesbezüglich, seit du mit deiner Agentur angefangen hast, geändert?
„,Früher gab es eine Kategorie von Stars – und zwar Topstars. Meistens aus der TV-, Kino- und Musik-Ecke, auch A-Promis genannt. Heute gibt es B-Promis, C-Promis und was weiß ich für Promi-Kategorien. Dann hat die digitale Welt noch zusätzlich YouTube-Stars, Social-Media-Stars und dergleichen mehr in das Becken gespült. Von High Class über Premium bis hin zu Trash und Proll. Je nach Marke sucht man sich halt den passenden Botschafter raus. Vor allem, wenn es um Mode geht, sind Blogger und Influencer, ob männlich oder weiblich, die neuen großen Stars für ein Publikum, das auf Instagram und Co zu Hause ist. Aber der große Hype scheint inzwischen etwas abzuflauen, aber auch hier gibt es mittlerweile die unterschiedlichsten Kategorien,Micro-, Macro-Influencer und so weiter. Kleine Stars neben großen Stars. Noch mehr Stars und die Follower selbst fühlen sich ja auch noch wie Stars. Sie eifern mit ihren Selfies den ,Großen‘ in allem nach, setzen sich in Pose und posten täglich ihren ,Content‘ im Netz. Was ich damit sagen möchte: Unsere Arbeit ist heute vielfältiger und vielseitiger, anspruchsvoller und komplexer geworden.“

Was macht heute den Großteil deiner Arbeit aus, wie sieht dein Arbeitstag aus?
„Erstens ist es wichtig, nie aufzuhören zu lernen. Ich lerne jeden Tag dazu. Und während eines Tages geht viel Zeit drauf, Leute zu erreichen (es antwortet ja keiner mehr auf deine E-Mails), und Telefonieren scheint nicht mehr en vogue zu sein. Networking ist das A und O im Alltag. Zudem sind wir in einer Akquirierungsphase, das geht einher mit individuell angepassten Präsentationen, die ausgearbeitet werden müssen. Dann haben wir die Vermarktung eines Premium-Plus-Size-Magazins (THE CURVY MAGAZINE) übernommen. Marken dafür zu begeistern, Vermarktungsideen zu entwickeln, Angebote zu schreiben – das bestimmt momentan unseren Alltag.“

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 Was steht morgen auf dem Plan?
„Ich weiß nicht, was morgen oder übermorgen kommt. Wir haben im Zuge der Akquise für das Magazin sehr viele Angebote mit strategischen Ansätzen draußen beim Kunden platziert. Ob sich das auch monetarisiert, werden wir sehen. Was den PR-Part und Co angeht, so führen wir auch hier das eine oder andere Gespräch. Sicherlich erkennen viele Marken einen gewissen Handlungsbedarf bei ihrem Auftritt in der Öffentlichkeit, aber …“

Die Neuen Medien machen jeden zum Star – irgendwie gefühlt wenigstens. Machen die sozialen Netzwerke deine Arbeit leichter?
„Oder anders: Die Stars sind die Neuen Medien und diese machen vielleicht den einen oder anderen Star. Irgendwie gefühlt wenigstens. In diesem Satz steckt viel Wahrheit. Es ist nun mal so und das ist der Zeitgeist – Marken jeder Fasson suchen ihr Glück im Netz. Ein großer Teil der Budgets fließt heute in die Neuen Medien. Blogs, Blogger, Influencer, YouTube, Facebook, Instagram, Pinterest, Online-Gewinnspiele, Online Content, Native Advertorials, Online Storytelling, Targeting Ads, SEO-Optimierung, Algorithmen und so weiter und so fort. Eine ganze Armada von Tools und Touchpoints steht heute den Marketing- und PR-Entscheidern zur Verfügung. All das ist Teil eines Ganzen geworden, das noch vor ein paar Jahren den ,alten‘ Medien wie TV, Radio, OOH und Print vorbehalten war – es war übersichtlicher. Das macht die Arbeit nicht leichter, sondern komplexer. Nur, das Problem ist, du musst dir heute in die Agentur auch Spezialisten und Profis reinholen, die das digitale Online-Geschäft nebst Social Media verstehen, gelernt haben. Aber du darfst auch nicht die ,alten‘ Medien dabei vergessen.“

Das heißt dann was?
„Mehr Manpower. Das treibt die Honorare nach oben, die kaum einer bezahlen möchte. Das Ende vom Lied ist, die Marken stellen ein oder zwei junge Leute ein, die dann die Insta- und FB-Accounts betreuen. Mit dem Ergebnis, dass ihre Posts irgendwo im Nirwana enden und eine Handvoll Follower, meistens die Mitarbeiter des Unternehmens, liken. Erfolgreiches Social Media geht anders. Wenn du da draußen im ‚WWW‘ sichtbar sein möchtest, wahrgenommen werden willst, dann kostet das Zeit und Geld. Genauso die Kooperationen mit Bloggern. Das ist noch echte Handarbeit, die richtigen Markenbotschafter für eine Marke aus Tausenden von Influencern rauszufiltern. Und dabei geht es nicht um hohe Followerzahlen, das wäre zu einfach. Es geht um den richtigen Blogger, der auch zur Marke passt und das glaubwürdig in seinem Feed kommuniziert. Und übrigens: Auch Blogger arbeiten heute nicht mehr für ein paar Schuhe oder sonst irgendein Produkt – das sie behalten dürfen. Auch die müssen ihre Miete bezahlen. Wie Online-Marketing ist auch ,klassische PR‘ ein Fulltime-Job, so habe ich es wenigstens immer verstanden. Es geht nicht nur darum, die Produkte deiner Marken in den Magazinen unterzubringen, sondern auch um Storytelling, PR-Events, PR-Kooperationen und so weiter. Marken aufzuladen und zu emotionalisieren, dafür brauchst du auch kreative und ideenreiche Menschen. Dafür brauchst du ein gutes Netzwerk zu den Redaktionen und Journalisten. Leider herrscht in unserem Land eine gewisse Gratis-Kultur –über alle Genres hinweg. Dienstleistungen, wie wir sie erbringen, werden immer weniger wertgeschätzt. Angebote und Honorare sehen entsprechend aus. Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu schaffen, geht billiger – dank Social Media und deren Reichweiten. Das trauen sich die meisten Marken selber zu. Und so siehst du auf FB, Insta, YouTube und Co jede Menge belanglose und austauschbare Bilder und langweilige Texte und Geschichten. Begehrlichkeiten aufbauen geht anders.

Was ist mit den Marken, die du berätst, inwiefern stellen die heute andere Anforderungen an dich und die Agentur?
„Die ‚klassische‘ PR-Agentur wird es meines Erachtens in ein paar wenigen Jahren nicht mehr geben. Professionelle Bilddatenbanken, auf denen Portale unter anderem sämtliche News und Projekte hinterlegen, auf die Redakteure und Journalisten zurückgreifen können, wie zum Beispiel das Tool Fashion Cloud, werden wohl die Zukunft sein. In Anbetracht immer kleinerer Redaktionen und des Outsourcings fehlt einfach die Zeit, aufwendig zu recherchieren. Schnelligkeit und Effizienz geben den Rhythmus vor. Vielleicht werden auch eines Tages Pressetexte, News und Produkttexte durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz formuliert. Du gibst nur noch Stichwörter in einen intelligenten Empfänger ein und der spuckt am anderen Ende den fertigen Text für die Presse aus. Und so weiter. Wir stehen wahrscheinlich erst am Anfang solcher Prozesse. Aber noch sind wir im Hier und Jetzt, auch wenn sich alles verdammt schnell verändert. Mir war es wichtig, dass wir so viele Disziplinen wir möglich abdecken. Von der Mediaplanung über Grafik und Layout, Texte jeglicher Couleur und Events bis hin zu Blogger Relations et cetera. Du musst heute alles bespielen können oder du musst ein Netzwerk von Spezialisten haben. Was du auf jeden Fall haben musst: das Wissen, was wie heute funktioniert. Du musst dich ständig informieren, updaten – du musst immer auf dem neuesten Stand sein. Ich habe immer wieder in die Agentur investiert, um einfach mithalten zu können. Das spüren unsere Geschäftspartner und Marken.“

Wenn du heute nochmals anfangen müsstest, gäbe es dann auch Frank Berndt Consulting oder den Blogger Frankie AdVICE?
„Wenn ich heute anfangen würde, dann sicherlich dem Zeitgeist entsprechend. Ich wäre ja dann mit den Neuen Medien und digitalen Möglichkeiten aufgewachsen. Ich hätte wahrscheinlich eine Datenbank mit Bloggern und Influencern, ein Netzwerk von Online-Spezialisten statt mit ,klassischen‘Redakteuren und Journalisten. Ich wüsste genau, wie man Algorithmen ,manipuliert‘, wie man etwa Social Bots oder KI für sich und Marken nutzt, was bei YouTube funktioniert oder halt nicht. Ein ganz anderes Know-how würde das Geschäftsmodell 4.0 antreiben. Sicherlich hätte ich meinen eigenen Blog, und meine Feeds auf FB und Insta würden ganz anders aussehen. Sicherlich hätten mein Content und meine Pics irgendein Alleinstellungsmerkmal, wären weniger austauschbar. Ich wäre wahrscheinlich rund um die Uhr online. Ständig unterwegs, ständig neuen Content schaffen, denn die Community ist hungrig. Deine Bilder haben eine Halbwertszeit von 24 bis 48 Stunden. Du bist gezwungen zu liefern. Eigentlich ein knallhartes Geschäftsmodell, wenn du damit wirklich Geld verdienen möchtest. Aber was ich vermissen würde – weil ja erst Mitte zwanzig –, wäre mein ganzes Wissen, das ich mir in den letzten 25 Jahren angeeignet habe. Wertvolle Erfahrungen, die natürlich die jungen Boys und Girls nicht haben können. Deswegen ist es gut so, wie es ist. Ich bin 58, sehe aus wie 48, kann mich gut in die 18-, 28-, 38-Jährigen reindenken und mich mit ihnen auf Augenhöhe unterhalten. So hält die Fashionbranche einen jung und damit auf Trab.

Frank Berndt über Frank Berndt

„‚Learning by doing’ war schon immer meine Devise. Der Einstieg in die Modebranche (1981-1983 Ausbildung als Merchandiser) hat mir meinen Weg geebnet. Von Uelzen ging es 1986 nach München. Als Merchandiser habe ich zunächst bei einer Münchener Mode & Lifestyle-Agentur mit Einzel- und Großhandels Expertise angefangen. Mein Talent für Verkauf und Kreativität sowie der Leidenschaft für Mode wurden hier früh erkannt und gefördert. Rund 10 Jahre habe ich die unterschiedlichsten beruflichen Stationen (u.a. Vertriebs- und Verkaufsleiter von Premiummarken) in dem Unternehmen eingenommen. Nachdem sich die Agentur strategisch anders aufstellte und man Young-Fashion Kollektionen für Konzerne entwickelte, verantwortete ich zwischen 1991 und 1995 als ‚Head of Design’ die modische Ausrichtung inklusive Beschaffung. 1996 gründete ich zusammen mit meiner damaligen Partnerin die PR-Agentur Berndt & Berndt Communcations. Rund 10 Jahre später trennten wir uns und ich gründete die Fullservice-Agentur Frank Berndt Consulting mit den Marken Gant, FTC-Cashmere, Prime-Shoes, Hamlet, Carl Gross, CG, Anita usw. Das Agentur-Portfolio wuchs auf rund 24 Marken an. Zu Spitzenzeiten beschäftige ich bis zu sechs Mitarbeiter. Meine Leidenschaft für Mode, Kreativität und Kommunikation habe ich zum Beruf gemacht – und lerne jeden Tag dazu. #neverstoplearning“