Digitalisierung und Emotionalisierung

Ladenbau

Alles richtig gemacht: Das Schuhhaus Zumnorde in Münster erhielt für seinen Umbau vom HDE die Auszeichnung „Store of the Year 2019“ in der Kategorie Fashion. ©Schuhhaus Zumnorde

Neue Wege bei Ladenbau und Visualisierung

Autorin: Cordelia Albert

Die Anforderungen sind hoch: Wer im Einzelhandel an vorderster Front mitspielen will, kommt an modernem Ladenbau und emotionaler Visualisierung nicht vorbei. Doch das ist längst nicht alles. Digitalisierung und Vernetzung sind ebenso wichtige Faktoren, die immer mehr an Bedeutung gewinnen. Denkanstöße zu den aktuellen Entwicklungen.

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Neue Wege bei Ladenbau und Visualisierung: BALENCIAGA, Paris ©Cordelia Albert

Ob Fashion Store oder Bäckerei, ob internationales Trendlabel oder inhabergeführtes Geschäft – alle sehen sich heutzutage einem gnadenlosen Wettkampf um Kunden und Abverkäufe ausgesetzt. Die Gründe sind ausreichend bekannt: Online-Handel, Filialisierung, unattraktive Innenstädte oder gar Konsumverzicht sind nur einige der Schreckensworte, die dem stationären Handel die Sorgenfalten ins Gesicht treiben. Lange Zeit galten neben einem stimmigen Sortiment ein schönes Schaufenster und ein neuer Ladenbau als Pauschallösungen. Doch das reicht nicht mehr aus. Gefragt sind Individualität, Wohlfühl-Feeling, Wertigkeit, Nachhaltigkeit sowie die Einbindung Neuer Medien und Digitalisierung.

Individualität

Individualität: Schaufenster eines Pariser Möbelladens ©Cordelia Albert

Austauschbarkeit ist dabei das K.-o.-Kriterium schlechthin. Wer sich von anderen Läden abheben möchte, muss den Mut haben, etwas Neues zu probieren, denn der Bruch mit dem Gewohnten macht das Besondere und lockt Kunden an“, riet Timo Rieke, Diplom-Designer mit Schwerpunkt auf intermodaler Gestaltung und Professor an der Fakultät Gestaltung der HAWK in Hildesheim, seinen Zuhörern auf dem dlv-Seminar „Farbe im Raum“. So ist Individualität inzwischen ein Muss, denn nur originelle Geschäfte fallen noch auf. Die Differenzierung geht inzwischen so weit, dass sogar international agierende Ketten ihre einzelnen Stores je nach Standort individuell modifizieren. Dabei kann auch der Bereich, in dem man eine Alleinstellung hat, ganz individuell sein. Er kann von Ladenbau und Innenarchitektur über die Warenpräsentation bis hin zur Sortimentszusammenstellung reichen. Gefragt sind Mischformen, die eine Verschmelzung von Shopping, Arbeit, Essen, Dienstleistung und so weiter darstellen.

Neue Medien

Nachhaltigkeit gefragt: Street- und Sportswear-Hersteller bleed Nachhaltigkeit gefragt: Street- und Sportswear-Hersteller bleed ©bleed

Starke Einflüsse beim Thema Visualisierung kommen auch durch die Neuen Medien. Der Konsument ist über die Vernetzung mit sozialen Netzwerken schnellstens über neue Trends und Kollektionen informiert. Das zieht einen immer rastloseren Wechsel im Sortiment und eine ständig wechselnde Präsentation mit sich. Die dafür nötige Flexibilität muss schon beim Ladenbau bedacht und eingeplant werden. Dazu kommt, dass die Kunden inzwischen auch völlig reizüberflutet sind. Die Fotos auf Instagram und Co werden immer auffälliger und aufwendiger. Zusammen mit der Flut der Bilder nimmt so die Aufmerksamkeitsschwelle des Betrachters ständig ab. Folglich muss immer noch mehr getan werden, um eine Reaktion zu erreichen.

Wohlfühl-Feeling, Wertigkeit und Nachhaltigkeit

Beispiel Wertigkeit: Schreibwarenladen in Weimar ©Cordelia Albert

Oder genau das Gegenteil davon – man bedient die Sehnsucht nach Ruhe und Wohlfühl-Feeling, auch beim Ladenbau: Fühlt sich der Kunde in meinem Geschäft wohl? Was lässt ihn entspannen? Findet er Rückzugsorte, in denen er sich ausruhen und auf mein Angebot konzentrieren kann? Außerdem spielen Nachhaltigkeit sowie Wertigkeit eine wichtige Rolle. Schickes Design und edles Ambiente sind gefragt. Selbst Discounter wie ALDI oder Modeketten wie C&A setzen bei ihren Modernisierungen hier Standards.

Digitalisierung

Doch ein Thema beeinflusst momentan wie kein anderes Ladenbau und Visualisierung: die Digitalisierung. Sie wird für die Organisation der Verkaufsprozesse, aber auch bei der Präsentation der Ware (etwa auf Flatscreens) immer wichtiger. „Wie muss ein stationäres Geschäft heute aussehen, damit es auch in zwanzig Jahren noch am Puls der Zeit ist?“, lautete zum Beispiel beim Schuhhaus Zumnorde in Münster vor der Modernisierung die Frage. Ergebnis: „Das gerade fertiggestellte Geschäft steht für ‚Tradition Meets Digitalisation‘ par excellence: kosmopolitische Eleganz gepaart mit interaktiven Touchscreens, digitalen Gadgets und einem perfekten Zusammenspiel von Off- und Online“, erklärt Thomas Zumnorde, einer der Geschäftsführer und Gesicht der fünften Generation, und ergänzt: „Kunden im stationären Handel digital anzusprechen wie auch Off- und Online-Welten mit den jeweiligen Services und Vorteilen perfekt miteinander zu verbinden, gehört neben einem international gültigen Auftritt zu den Erfolgskriterien eines Geschäftes für die Zukunft.“

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Wohlfühl-Feeling beim Schuhhaus Zumnorde in Münster ©Schuhhaus Zumnorde

Das haben auch andere Läden bereits realisiert. Schließlich sind heute die meisten Kunden digitalen Welten gegenüber aufgeschlossen, eine Vernetzung von Online- und stationärem Handel sowie die Nutzung von Apps problemlos möglich. Und da die meisten Menschen ständig ihr Smartphone in der Hand haben, ist es bei großen Anbietern inzwischen möglich, vorab Produkte zu reservieren oder im Geschäft das Etikett zu scannen, und die Ware wird automatisch zusammengestellt. Volle Warenträger und mühsames Zusammensuchen gehören damit der Vergangenheit an.

Inszenierung gefragt

Emotion und Inszenierung: Concept Store FRANZEN, Düsseldorf ©Cordelia Albert

Damit kann man sich dann auf der Fläche stärker dem Thema Inszenierung widmen. Ein Blick auf erfolgreiche Umbauten in Bäckereien, Lebensmittelgeschäften oder sogar Gartenmärkten zeigt: Es geht längst nicht mehr um reine Warenpräsentation. Emotionale Ansprache und Inszenierung sind gefragt, was inzwischen nicht selten zu aufwendigen „Szenenbildern“ führt.

Fazit: weniger Shop, mehr Präsentation und emotionale Inszenierung – und all das zunehmend in digitaler Vernetzung.