Offen sein ist nicht offen bleiben

Ausbildung

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Autor: Markus Oess
Schlecht, wenn es sie nicht gibt. Noch schlechter, wenn die Bemühungen der Firmen, Lehrstellen zu besetzen, erfolglos bleiben. Und sich der Fachkräftemangel weiter verschärft. Eine aktuelle Umfrage zeigt: Covid-19 drückt das Lehrstellenangebot. Rein rechnerisch ist das weniger ein Problem, im vergangenen Jahr blieben 60.000 Stellen unbesetzt. Eine aktuelle Bestandsaufnahme.

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„Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes in diesem Krisenjahr ist schwerer abzuschätzen als in den Vorjahren“, sagt der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Die DIHK-Umfrage unter mehr als 15.000 Unternehmen könne „nur eine Momentaufnahme sein“. Das betriebliche Ausbildungsplatzangebot in diesem Corona-Jahr werde niedriger ausfallen als 2019, teilt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) unter Berufung auf seine jüngste Erhebung mit. Die Bewerbungsprozesse in den Betrieben seien ins Stocken geraten; vielerorts verzögerten sich Einstellungen. Und auch wenn beispielsweise jeder vierte Ausbildungsbetrieb Gespräche über Video- und Telefonkonferenzen abwickelt, geht der DIHK davon aus, dass sich die Anbahnungsprozesse ungefähr um zwei bis drei Monate nach hinten verschoben haben. Konkret liegt das betriebliche Lehrstellenangebot im Branchendurchschnitt um rund 7 Prozent unter dem Vorjahresniveau. „Gleichzeitig haben viele Unternehmen noch nicht abschließend über die Zahl ihrer Ausbildungsplätze entschieden“, sagt Dercks. Das zeige, dass die derzeitigen Vermittlungsanstrengungen, aber auch Anreize durch finanzielle Unterstützung Sinn machten. Hintergrund: Das Bundeskabinett hat die Eckpunkte für die Ausbildungsprämien laut Konjunkturpaket beschlossen. Sie stehen Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern offen.

Den Rückgang der Zahlen erklärt sich Dercks vor allem mit der Covid-19-Pandemie. „Viele Betriebe sind derzeit gezwungen, auf Sicht zu fahren. Sie überdenken daher auch ihre Ausbildungsentscheidungen und verschieben bei Bedarf.“ Gleichzeitig habe sich schon im Herbst 2019 vor allem in Teilen der Industrie eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation angekündigt, sodass die Unternehmen bereits vor der Corona-Pandemie die Ausbildungsplätze reduziert hätten. Dercks führt an, dass die Betriebe ihr Ausbildungsangebot in den vergangenen Jahren auch stark aufgestockt hätten, um das Fachkräfteangebot zu sichern. Im letzten Jahr sei sogar der Höchststand erreicht worden. Doch machten manche Unternehmen die Rechnung ohne den Wirt: Viele Firmen konnten ihre Lehrstellenplätze nicht besetzen, „weil es oftmals an geeigneten Bewerbern mangelte.“ Mehr als 18.000 Unternehmen hätten 2019 nicht eine einzige Bewerbung auf ihre angebotenen Ausbildungsplätze erhalten und rund 60.000 gemeldete Stellen blieben unbesetzt. Dercks führt auch die gestiegene Studierneigung von Schulabgängern an, weswegen manche Unternehmen ihr Ausbildungsplatzangebot herunterführen und stattdessen stärker Hochschulabsolventen anzuwerben versuchten.

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Und noch eine Zahl zeigt die veränderte Lage nach Covid-19: Vergleicht man die jetzige Situation allerdings mit der im Krisenjahr 2009, zeigt sich, dass 2020 knapp 100.000 mehr Lehrstellen bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet sind als 2009 – „bei heute 120.000 weniger Schulabgängern“, betont Dercks. 62 Prozent der befragten Unternehmen beschäftigen nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss sämtliche Azubis weiter, viele der übrigen Betriebe immer noch einen großen Teil. „Angesichts der wirtschaftlich angespannten Lage vieler Unternehmen ist das Ergebnis relativ positiv“, kommentiert Dercks die Zahlen. Gerade auch in den letzten Wochen und Monaten sei es vielen Unternehmen gelungen, Auszubildende trotz Lockdown und Kontaktbeschränkungen adäquat auszubilden. Laut Umfrage nutzten 35 Prozent das Instrument des Homeoffice mit enger Betreuung, viele setzten digitale Kommunikationsmittel und Lernangebote ein. Das habe auch die Chancen der Digitalisierung in den Fokus gerückt, sagt Dercks. „Die Krise hat deutlich gemacht, wie wichtig eine zeitgemäße Ausstattung der Berufsschulen ist. Hier ist an vielen Stellen dringender Nachholbedarf sichtbar geworden.“ Der Umfrage zufolge wünschen sich die IHK-Ausbildungsbetriebe bei der Umsetzung des Digitalpakts zu 74 Prozent das Angebot einer Lernplattform; zweitwichtigstes Anliegen sind Blended-Learning-Angebote für die Auszubildenden (64 Prozent).