Autor: Markus Oess München ist ein bevorzugtes Reiseziel und bekanntlich reist der Geldbeutel immer mit. Doch statt gewohnte Konsumpeaks wie Oktoberfest und Weihnachten abzuräumen, musste der Münchner Konzern LUDWIG BECK sich wie der gesamte Handel durch Konjunkturflaute und Lockdown schlagen. Konzernchef Christian Greiner ist sauer, denn die Belange des Handels würden in diesen Zeiten nicht gehört. Weitere Lockdown-Forderungen, mangelhafte bis nicht vorhandene Öffnungsstrategien und nur schleppend anlaufende Staatshilfen, die nicht ausreichen, verdunkelten den Himmel. Und dennoch, betont Greiner im FT-Interview, habe der Konzern im vergangenen Jahr in den Standort investiert. Anmerkung: Das Gespräch führten wir am 17. März dieses Jahres.
FT: Herr Greiner, wann waren Sie das letzte Mal shoppen?
Christian Greiner: „Das war am ersten Tag der Wiedereröffnung nach dem harten Lockdown.“
Wie haben Sie in München die Öffnung erlebt?
„Derzeit ist nur Click & Meet möglich, aber wir haben im gesamten Team einen positiven Ruck gespürt, als die erste Kundin bei uns in München mit Applaus empfangen wurde. Wir mussten einiges organisieren, bevor wir geöffnet haben. Angefangen vom Besuchsmanagement bis hin zu angepassten Hygienekonzepten. Im Gegensatz zum ersten Lockdown waren die Menschen geduldig, fast schon dankbar, wieder in die Geschäfte zu können. Aber selbst eine Öffnung unter den jetzigen Regelungen kann keine Dauerlösung sein, wir müssen zu einer neuen Normalität zurückkehren.“
Noch ist die Innenstadt geöffnet, aber die Zahlen steigen sehr schnell und der nächste Lockdown zeichnet sich ab. Wie lange können wir das Schaukeln von Öffnung und Lockdown noch durchhalten?
„Ich bin weder ein Virologe noch ein Epidemiologe. Was von wissenschaftlicher Seite kommt, will ich auch gar nicht in Zweifel ziehen. Mir geht es um die politischen Entscheidungen. Der Handel ist nachweislich kein Hotspot und mir ist nicht klar, warum das Virus vor Blumen- oder Buchläden haltmacht und dafür vermehrt in Textilgeschäften auftreten soll. Wir haben wirksame Hygienekonzepte entwickelt, hocheffiziente Lüftungssysteme und ich bin überzeugt, dass ein Kunde auf den 40 Quadratmetern, die für jeden einzelnen Kunden frei gehalten werden, weit weniger infektionsgefährdet ist als in öffentlichen Verkehrsmitteln oder übervollen Supermärkten. Selbst das RKI kommt zu dem Schluss, dass der Handel kein Treiber der Infektion ist. Uns willkürlich unsere Arbeit zu verbieten, ist nicht hinnehmbar. Und wenn wir schon nach dem Willen der Politik Opfer erbringen sollen, müssen wir voll und schnell für den Kahlschlag entschädigt werden, den dieser Lockdown verursacht. Wir werden in Sippenhaft genommen für eine fehlerhafte Pandemiepolitik. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Ein ‚Weiter so‘ werden wir im Handel bis zum Spätherbst, wie es zu befürchten ist, ohne Insolvenzen kaum durchhalten können.“
„Mir geht es um die politischen Entscheidungen. Der Handel ist nachweislich kein Hotspot und mir ist nicht klar, warum das Virus vor Blumen- oder Buchläden haltmacht und dafür vermehrt in Textilgeschäften auftreten soll.“
Hat speziell der Modehandel eine zu schwache Lobby, andere Branchen wie Automobil oder Lebensmitteleinzelhandel stehen weit besser da?
„Absolut. Mir fehlt das Verständnis, warum der restliche Handel mit Ausnahme des Lebensmitteleinzelhandels nicht systemrelevant sein soll, aber Letzterer ohne Einschränkungen weitermachen kann oder die TUI und eine Lufthansa mit Milliarden schnell und wirksam gestützt werden. Es fehlt unseren Verbänden der richtige Draht nach Berlin und auch die nötige Durchschlagskraft. Initiativen wie ‚Leben im Zentrum‘ mit namhaften Firmen wie KATAG AG, DEICHMANN, ECE, breuninger, GARHAMMER und auch uns wären auf Verbandsebene nicht so schnell und auch nicht so öffentlichkeitswirksam an den Start gekommen – leider.“
Aber zeigen nicht Reaktionen wie der Ansturm auf Mallorca oder der Run Hamburgs auf Neumünster, dass es ohne klare Regeln und auch Verbote nun einmal nicht geht?
„Natürlich muss es Regeln geben und natürlich müssen diese auch durchgesetzt werden. Aber das ändert nichts an der Notwendigkeit, dass sie angemessen, durchdacht und einheitlich sind und nicht jedes Bundesland es mit dem Virus hält, wie es eben passt. Und wenn von einer Seite immer wieder neue Regeln aufgestellt werden, ohne dass die damit verbundenen Zusagen eingehalten werden, wird es eben schwierig. Ganz egal, ob es um das Impfversprechen für alle bis zum Sommer geht, um die Öffnung mit Tests oder das Versprechen einer schnellen und unkomplizierten Hilfe für den Handel.“
Wie ist LUDWIG BECK durch die Krise gekommen? Sie hatten ja die Jahresprognose 2020 kassiert.
„Betriebswirtschaftlich war 2020 für die gesamte Branche eine Katastrophe. Immerhin haben wir im Online-Handel spürbar zugelegt. Da bewegen wir uns im Branchentrend.“
Wie haben Sie gegengesteuert?
„Wir haben die Kosten reduziert und unter anderem das Instrument der Kurzarbeit genutzt. Wir haben Prozesse verschlankt, um effizienter zu werden. Gleichzeitig haben wir uns strategisch in die Zukunft bewegt und im vergangenen Jahr massiv in unseren Standort investiert und tun dies auch im Jahr 2021. Wir haben im zurückliegenden Herbst unsere Dessousabteilung nach Umbau neu eröffnet. Gerade vor wenigen Tagen wurde unsere Damentrendabteilung, die sich fast über eine gesamte Etage erstreckt, mit komplett neuem Look and Feel fertiggestellt. Wir feiern in diesem Jahr 160 Jahre LUDWIG BECK und spielen dafür eine aufwendige 360-Grad-Kampagne. Und wir investieren natürlich stark in die Digitalisierung. Einmal, was die internen Prozesse angeht, zum anderen aber auch in die für uns sehr wichtigen digitalen Vertriebswege.“
„Wir haben Prozesse verschlankt, um effizienter zu werden. Gleichzeitig haben wir uns strategisch in die Zukunft bewegt und im vergangenen Jahr massiv in unseren Standort investiert und tun dies auch im Jahr 2021.“
Mussten Sie auch die mittelfristige Finanzierung stärken? Sie hatten vergangenes Jahr ja bereits eine Immobilie verkauft.
„Wir haben im vergangenen Jahr ein LfA-Darlehen aufgenommen, um die Liquidität zu stärken. Der Immobilienverkauf, den Sie angesprochen haben, steht nicht direkt im Zusammenhang mit Corona, sondern war schon seit Längerem geplant. Aber der Verkaufserlös hilft natürlich ebenso, die Liquidität zu steigern.“
Mussten Sie Personal abbauen?
„Wir haben von Anfang an alle Maßnahmen auf den Erhalt des Unternehmens und der Arbeitsplätze gelegt. Das ist uns gelungen und es gab keine einzige coronabedingte Entlassung.“
Welche Bereiche laufen gut?
„Im modischen Bereich vor allem Outdoor. Kosmetika laufen derzeit ebenfalls gut, hier konnten wir auch unseren kleinen Beauty-Standort in den FÜNF HÖFEN während des Lockdowns geöffnet halten. Aber auch Wäsche und Kinderkleidung laufen ordentlich. Eingebrochen ist alles, was mit Anlässen zu tun hat: Konfektion, Trachten oder auch Abendmode.“
Wie steht es mit dem Online-Handel?
„Wir sind mit unserem Online-Shop schon seit 2012 aktiv und haben das Geschäft kontinuierlich ausgebaut, auch international. Währenddessen hatten wir immer wieder Bekleidung getestet, uns aber erst im vergangenen Jahr zu einem richtigen Roll-out entschlossen. Seither verzeichnen wir auch in diesem Segment deutliche Zuwächse und können von der Bekanntheit unseres Kosmetik-Angebotes profitieren. Auch unser Webshop wurde jüngst überarbeitet und ging pünktlich zum Jubiläum optimiert ans Netz.“
Wie weit lässt sich der Kanal auf den Gesamtumsatz denn noch aufdrehen?
„Eine feste Prozentzahl ist sehr schwer zu nennen, aber ich bin fest davon überzeugt, dass speziell für LUDWIG BECK eine spürbare Steigerung im Bereich der Bekleidung möglich ist. Wir haben erst seit vergangenem Jahr den Bereich systematisch aufgebaut. Da ist noch viel Wachstum möglich. Beispiele bekannter Department Stores in England und Frankreich zeigen uns, dass ein profiliertes Stammhaus im stationären Geschäft gerade auf dem internationalen Parkett extrem verkaufsfördernd wirkt. Wenn wir es schaffen, international Fans und Stammkunden an uns zu binden, werden diese auch digital bei uns kaufen, wenn sie es anders nicht können.“
Welche Staatshilfen hat das Unternehmen außer der Inanspruchnahme des Kurzarbeitergeldes erreicht?
„Eine Unterstützung des Staates in der augenblicklichen Situation ist unumgänglich. Das Kurzarbeitergeld ist übrigens eine Leistung, die von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert wird, das wird manchmal vergessen. Wir haben Überbrückungshilfe III beantragt. Aus der Presse können Sie aber gut entnehmen, wie schnell das am Ende ausgezahlt wird. Und auch das am Rande: Für den ersten Lockdown in 2020 haben wir, wie die meisten anderen Firmen, überhaupt keine Entschädigung erhalten.“
„Für den ersten Lockdown in 2020 haben wir, wie die meisten anderen Firmen, überhaupt keine Entschädigung erhalten.“
Was muss jetzt passieren, um speziell den innerstädtischen Handel zu stützen?
„Wir Händler müssen mit guten Aktionen und Konzepten die Menschen in die Innenstädte locken. Dass uns das gelingt, bezweifle ich nicht. Daneben ist aber auch die (Lokal-)Politik in der Pflicht, die Städte attraktiver zu gestalten und die Verweildauer zu erhöhen. Das fängt schon bei den Verkehrskonzepten mit einem sinnvollen und bezahlbaren Mix aus dem privat genutzten Pkw und öffentlichen Verkehrsmitteln an und reicht bis zum kulturellen Angebot in der Stadt selbst. Wir müssen die Öffnungszeiten solidarisieren, um im Wettbewerb mit dem Internet dann öffnen zu können, wenn die Menschen einkaufen wollen und wenn es an einem Sonntag ist. Hilfreich wären vielleicht auch Konsumgutscheine für den stationären Handel, um die heimische Nachfrage gezielt anzukurbeln.„Wir Händler müssen mit guten Aktionen und Konzepten die Menschen in die Innenstädte locken. Dass uns das gelingt, bezweifle ich nicht. Daneben ist aber auch die (Lokal-)Politik in der Pflicht, die Städte attraktiver zu gestalten und die Verweildauer zu erhöhen.
Was machen Sie mit nicht verkaufter Ware?
„Das ist ganz unterschiedlich. Manches lagern wir für spätere Saisons ein, anderes verkaufen wir unter hohem Margenverlust ab und es gibt auch sehr partnerschaftliche Vereinbarungen mit der Industrie, um Ware zu retournieren oder zu tauschen. Da wir aber schon bei der Order darauf geachtet haben, nicht von Ware überschwemmt zu werden, haben wir unsere Bestände ziemlich gut im Griff.“
Wie haben Sie im Vergleich zur Vorjahressaison geordert, die ja auch schon von der Pandemie gekennzeichnet war, und was passiert mit Lagerbeständen?
„Sehr vorsichtig und auf einem niedrigeren Niveau als üblich. Ware nachzubestellen, wenn das Geschäft gut läuft, ist meistens einfacher, als mit Altware fertig zu werden, wenn das Geschäft schlecht läuft.“
Folgen von COVID-19
Der Münchner Modekonzern LUDWIG BECK hat im Geschäftsjahr 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie einen drastischen Umsatzrückgang verkraften müssen, teilt das Unternehmen mit. So lag der Brutto-Umsatz mit 60,4 Millionen Euro rund 36,6 Prozent unter dem Vorjahreswert. Im Segment „Textil“ erzielte der Konzern mit 39,2 Millionen Euro sogar 42,4 Prozent weniger Erlös. Im Segment „Nontextil“, dem auch der Beauty & Fashion Online Shop unter www.ludwigbeck.de zugerechnet wird, fällt das Umsatzminus mit 22,7 Prozent auf 21,1 Millionen Euro geringer aus.
Entsprechend der Umsatzentwicklung lag der Nettorohertrag mit 20,5 Millionen Euro rund 28,3 Prozent unter Vorjahr. Das Finanzergebnis betrug minus 2,4 Millionen Euro, im Vorjahr waren es minus 2,3 Millionen Euro. Das Ergebnis vor Steuern (EBT) beläuft sich auf minus 4,3 Millionen Euro, das im Vorjahr auf 4,6 Millionen Euro. Das Konzerngesamtergebnis verbesserte sich von minus 13,9 Millionen Euro auf minus 1,7 Millionen Euro. Hintergrund sind starke Belastungen nach dem Verkauf von WORMLAND. Im Vorjahr betrug das Ergebnis des Teilkonzerns LUDWIG BECK noch 3,4 Millionen Euro, das Ergebnis des Teilkonzerns WORMLAND schlug hingegen mit minus 17 Millionen Euro auf das Ergebnis nach Steuern durch. Für staatliche Corona- beziehungsweise Überbrückungshilfen ist LUDWIG BECK bis Ende des Geschäftsjahres durch das Raster der antragsberechtigten Unternehmen gefallen. Lediglich der Personalaufwand sei durch KUG-Zahlungen teilweise gemindert worden. Um die negativen Folgen auf die Liquidität des Unternehmens abzufedern, hat LUDWIG BECK 2020 ein mittelfristiges LfA-Darlehen in Höhe von 10 Millionen Euro aufgenommen. Der Konzern hat staatliche Hilfen in Form von Fixkostenerstattungen im Zuge der „Überbrückungshilfe III“ beantragt.