Made in Berlin

Upcycling

Beim Upcycling werden zum Beispiel Alttextilien in neue Produkte umgewandelt. Das Berliner Label MOOT bekommt seine Materialien u.a. aus Kleiderkammern sozialer Organisationen und macht daraus fashionable Teile wie diese Mäntel. Alle Bilder @MOOT

Autorin: Katja Vaders
Upcycling ist eine Form der Wiederverwertung von Stoffen, die sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Dabei schafft man aus Dingen, die viele Menschen eigentlich wegwerfen würden, zum Beispiel alte Textilien, neue Kleidungsstücke oder Accessoires. Upcycling ist längst kein subkulturelles Phänomen mehr: Auf zahlreichen Social-Media-Kanälen stellen Influencerinnen und Influencer ihre Ideen vor, wie man Altkleider oder Sperrmüll in oftmals überraschend schicke Unikate verwandeln kann. Dass man aus dem sehr nachhaltigen Vorgang des Upcyclings auch ein erfolgreiches Geschäftsmodell entwickeln kann, macht das Berliner Label MOOT (kurz für „Made Out Of Trash) vor. FT sprach mit dem CEO und Co-Founder Michael Pfeifer.

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Die Gründer und Inhaber von MOOT, Nils Neubauer (li.) und Michael Pfeifer, die sich bereits seit vielen Jahren kennen.

FT: Wie kam es zu der Idee, eine Textilmarke zu gründen, die aus Alttextilien und -kleidern Mode macht?
Michael Pfeifer: „MOOT ist aus einer persönlichen Frustration entstanden. Nils Neubauer, Co-Gründer von MOOT, und ich kennen uns schon sehr lange. Vor ungefähr sechs Jahren haben wir in einem langen Gespräch angefangen, über das Thema Upcycling zu philosophieren. Ich war damals in den letzten Zügen meines BWL-Studiums, Nils kurz vor Abschluss seiner Modedesigner-Ausbildung, sah sich aber nicht in der klassischen Textilbranche. Ich fand es sehr spannend, als er erzählte, dass er im Rahmen eines Semesterprojekts aus alten Materialien neue Bekleidung gemacht hatte. Ich hatte mich im Studium mit ökologischem Unternehmertum beschäftigt. So entstand die Idee: Wenn Nils aus Altem etwas Neues machen kann und das offenbar bisher noch nicht viele andere Designer in Deutschland tun – warum gründen wir dann nicht einfach ein Upcycling-Label?“

Was ist das Spezielle an dem Konzept von MOOT?
„Upcycling an sich ist vielleicht nicht besonders revolutionär, wir haben es allerdings zu einer Skalierung erhoben. Inzwischen haben wir daher ein Unternehmen, das Upcycling im großen Stil ermöglicht und eine gute Auswahl an verschiedenen Produkten anbietet, die wir online verkaufen. Zudem haben wir derzeit zwei Ladengeschäfte in Berlin und arbeiten mit verschiedenen Händlern wie zum Beispiel der Buchhandelskette Thalia zusammen, die von uns gefertigte Beutel verkauft. Daneben kooperieren wir auch direkt mit Unternehmen, für die wir aus Alttextilien neue Produkte entwickeln, darunter Katjes, die Deutsche Bahn, aber auch der Fußballverein Borussia Mönchengladbach. Für den haben wir Beutel in Vereinsfarben aus alten Sofakissenbezügen hergestellt, was mich besonders freut, da ich Fan bin.“

Woher stammen die Materialien, mit denen Sie arbeiten?
„Zunächst einmal: Alle unsere Teile werden mitten in Berlin gefertigt. Der Prozess der Wertschöpfung ist daher komplett nachvollziehbar. Wir sind lokal und klein gestartet. Unsere ersten Materialien hatte Nils von einer sozialen Organisation bekommen, die sich insbesondere für obdachlose Menschen einsetzt, eine Kleiderkammer hat, in der Textilien gesammelt werden, und mit der wir immer noch zusammenarbeiten.
Für uns ist es wichtig, ausschließlich Materialien zu verwenden, die schon einmal im Umlauf waren und keine Restanten – denn das würde ja nicht den Textilmüll reduzieren. Daher kooperieren wir mit vielen sozialen Organisationen wie der Deutschen Kleiderstiftung und mit großen Textilsortierungen in Niedersachsen, Thüringen oder Bremerhaven. Die stellen uns Alttextilien wie Vorhänge oder Bettwäsche zur Verfügung, die dann in unser Atelier in Berlin-Neukölln geliefert werden. Hier werden diese Materialien dann feinsortiert und gereinigt.“

Fertigen Sie in Neukölln auch Ihre Kleidungsstücke und Accessoires?
„Nein, unsere Produktion ist ausgelagert – allerdings nicht nach Bangladesch, sondern nach Berlin-Pankow. Wir arbeiten mit verschiedenen Nähereien, die aber alle in Berlin sitzen und auf unserer Website ersichtlich sind. Die meisten Teile werden also in Pankow produziert, aber auch in der Fertigung arbeiten wir mit sozialen Einrichtungen zusammen. Dazu gehört die USE Union Sozialer Einrichtungen gemeinnützige GmbH, eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Berlin, mit der wir seit Tag eins kooperieren. Hier werden allerdings eher kleinere Arbeiten und einfache Produkte umgesetzt. Letztendlich werden unsere Produkte dann entweder in unseren Läden, online oder über unsere Händler vertrieben, aber auf dem Weg dorthin konnten wir soziale Partner und Einrichtungen einbinden.“

Wer steckt hinter den MOOT-Designs? Und aus welchen konkreten Materialien bestehen Ihre Teile?
„Die Designs kommen in erster Linie von Nils, wir haben inzwischen aber auch ein kleines Produktionsteam. MOOT wurde im April 2020 von zwei Leuten, Nils und mir, gegründet. Mittlerweile sind insgesamt 16 Mitarbeitende bei uns beschäftigt, wenn auch nicht alle in Vollzeit. Wir haben definitiv schon einiges an Zeit, Energie und Know-how in unser Unternehmen gesteckt, um unsere verschiedenen Produkte zu entwickeln.
Diese bestehen aus ehemaligen Sofakissenbezügen, Bettwäsche, Woll- und Fleecedecken, Lederjacken, Sicherheitsgurten … Daraus wird dann alles Mögliche gemacht – von Accessoires und Bauchtaschen über Beutel bis hin zu Sommerkleidern und Winterjacken.“

Der Schnitt eines Produkts ist immer gleich: Es gibt zum Beispiel „Der Schal“, „Das T-Shirt“ oder „Die Jacke“, wobei trotzdem kein Teil dem anderen gleicht …
„Richtig. Wir haben anfangs in der Produktentwicklung fokussiert, schnell ein breites Portfolio aufzubauen. Alle unsere Produkte sind unisex und es gibt jedes von ihnen immer nur in einem Schnitt, wie zum Beispiel ,Die Jacke‘ mit aufgesetzten Taschen und Knöpfen aus Kokosnussschalen. Grundsätzlich sehen alle diese Jacken also gleich aus, sind allerdings in unterschiedlichen Größen und natürlich auch aus unterschiedlichen Materialien erhältlich – jedes Teil ist ein Unikat. Nur unsere Shirts gibt es in zwei verschiedenen Schnitten, ,Regular‘ und ,Oversize‘. Aktuell arbeiten wir allerdings an neuen Schnitten, neuen Produkten und an Größenerweiterungen.“

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„Wir wollen, dass man Bettwäsche, die man nicht mehr braucht, dann eben als Kleid weiterverwendet, und stecken daher all unsere Energie in die Vision, dass diese Idee irgendwann mal zu unserem Alltag wird.“

Ihre Unternehmensidee ist Upcycling, Sie lassen regional fertigen und haben eine komplett nachvollziehbare Wertschöpfungs- und Lieferkette. Nachhaltiger gehts ja gar nicht …
„Ich hoffe, man merkt, dass es unser absoluter Grundgedanke ist, nachhaltig zu agieren. Uns geht es nicht darum, irgendein Produkt zu verkaufen, sondern das Thema Upcycling für die breite Masse sichtbar und erlebbar zu machen. Es soll normal werden, dass man beispielsweise einen Schal trägt, der mal eine Wolldecke war. Ich habe gerade einen Pulli aus einer ehemaligen Fleecedecke an, ziehe gleich noch eine Jacke aus einer Wolldecke darüber und trage dazu eine Tasche, die mal eine Lederjacke war. Wir wollen, dass man Bettwäsche, die man nicht mehr braucht, dann eben als Kleid weiterverwendet, und stecken daher all unsere Energie in die Vision, dass diese Idee irgendwann mal zu unserem Alltag wird.“

 

Wo steht MOOT aktuell – und wo sehen Sie Ihr Unternehmen in fünf Jahren?
„Wie gesagt: Aktuell sind wir dabei, neue Schnitte, Produkte und Größen zu entwickeln, die wir im Laufe des Jahres präsentieren werden. Wichtig ist, dass wir beim Upcycling ein ganz anderes Denken verfolgen als beim herkömmlichen Design-Prozess. Unsere Ideen entstehen nicht auf weißem Papier, sondern da, wo das Leben eines Textils normalerweise endet: in einer Sortierung. Dort schauen wir uns dann an, was wir aus dem bereits Bestehenden Neues machen können. In Zukunft wird es spannend sein zu prüfen, welche Materialien wir noch verarbeiten können.
Wir arbeiten schon jetzt mit einigen Kooperationspartnern zusammen und merken, dass viele Unternehmen für den Bereich Upcycling ein starkes Interesse zeigen. Die kommen dann auf uns zu mit Alttextilien wie ehemaligen Merch-Shirts oder Uniformen und fragen uns, was man daraus noch Tolles machen könnte. Mit der DB hatten wir ein schönes Projekt, bei dem wir aus aussortierten Textilien neue Produkte hergestellt haben – die Deutsche Bahn hat 300.000 Mitarbeitende, da kommt einiges zusammen. Jedes Unternehmen hat Textilien, die es irgendwann nicht mehr braucht – die Zwei-Mann-Firma genauso wie der Weltkonzern. Und das gibt uns unzählige Möglichkeiten, diese upzucyceln und zu neuem Leben zu erwecken.“

Viel Erfolg dabei und ich danke für das Gespräch!

Warum Upcycling?

Beim Upcycling werden Müllprodukte, nicht mehr gebrauchte Dinge, Sperrmüll oder Altkleider in andere, neue Produkte umgewandelt. Durch diesen kreativen Vorgang sollen Gegenstände, die eigentlich ausgedient haben, einer neuen Bestimmung zugeführt werden. Das kommt dem Nachhaltigkeitsgedanken zugute, denn: Upcycling spart Ressourcen, produziert keinen oder kaum Abfall und trägt damit zu einem nachhaltigen Konsumverhalten bei. Gerade in der extrem schmutzigen Textilindustrie ist Upcycling eine echte Alternative: Laut Destatis hat Deutschland im Jahr 2022 rund 462.500 Tonnen Altkleider und andere gebrauchte Textilwaren exportiert. Umgerechnet auf die Zahl der Bevölkerung entsprach das einer durchschnittlichen Menge von 5,5 Kilogramm pro Kopf.