Kann man machen

Editorial

Markus Oess ©FT

Dass Wetten auf den Wiederverkaufswert von Objekten gemacht werden, kennen wir vom Kunstmarkt. Gekauft wird, was im Kurs steigt und auf absehbare Zeit steigen dürfte. Mäzene sind da eher aus der Zeit gefallen. Aber auch Mode und Accessoires können zum Anlageobjekt avancieren – mit zum Teil absurd hohen Gewinnmargen, so wie das zum Beispiel bestimmte Sneaker- oder Taschenmarken tun. Man kann das mögen, muss es aber nicht. Wer Geld übrig hat, könnte auch spenden. Aber ganz so moralinsauer wollen wir gar nicht werden.

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Secondhand ist nicht verkehrt und der Wiederverkaufswert spielt auch keine Rolle. Es gibt coole Läden, in denen Beratung nicht als angestaubtes Relikt des 20. Jahrhunderts betrachtet, sondern selbige ehrlich praktiziert wird. Wir zeigen eine Auswahl. Nachhaltigkeit heißt aber auch, sich mit Öko-Mode zumindest auseinandergesetzt zu haben und bewusst Kleidung zu kaufen. Und dabei, das ist die gute Nachricht, sind die Deutschen weit vorn. Kann man belächeln, muss man aber nicht. Im Gegenteil, wenn die Verbraucher in der größten Volkswirtschaft der EU eindeutige Signale aussenden, wird sich das eher über kurz als über lang auch auf andere Länder auswirken. Veränderungen kommen nicht einfach so. Sie brauchen einen Anstoß. Und warum sollte dieser Impuls nicht vom Verbraucher ausgehen, von einem Markt, der schon größenbedingt für die meisten Marken relevant ist?

Andererseits – auch Verzicht ist eine Antwort. Dann lohnt sich aber auch ein Blick auf den Handel, genauer gesagt auf die Einkäufer: Obsiegt der Wunsch nach Sicherheit oder bricht nicht doch die Sehnsucht nach Neuem, nach Aufregendem durch? Damit wären wir schon bei den Messen. Die Modebranche erlebt kein Erdbeben, zumindest zeichnet die Pitti Uomo als im Eigenverständnis Seismograf der Branche kein solches auf, muss aber ein Besucherminus von 10 Prozent melden. Sprechen wir von kleineren Erschütterungen, die die Leitmesse der Menswear locker wegstecken dürfte, und nehmen eher zur Kenntnis, dass die Menswear sich nach Authentizität sehnt, die Anzüge in der Gunst der Öffentlichkeit gewinnen. Mode und Stil sollten auch in Berlin zur eben angelaufenen BERLIN FASHION WEEK kein schlechter Ratgeber sein. Kann man mögen, sollte man auch.

Auch wenn die Lage überaus deprimierend ist, die der BTE für seine Klientel, den mittelständischen Fachhandel, zeichnet, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Perspektiven gar nicht so schlecht sind. Denn auch wenn die Konkurrenz international unterwegs ist (Vertiakale, amazon) und vor schierer Marktmacht kaum laufen kann, muss sie mit den gleichen Problemen kämpfen: den Verbraucher verstehen und die Angebote abliefern, die König Kunde gerade in dem Moment herbeifordert. Klar, die Kundendaten der Onliner sind ein Pfund. Umgekehrt dürfte amazon auf lokaler Ebene angreifbar sein. LEY’S LOFT in Frechen zeigt, was geht. Da ist der Mittelstand näher am Kunden. Kann man mögen, sollte man im Sinne der Vielfalt auch!

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Und wem eher an Entspannung bei guter Musik gelegen ist, dem sei unser Musiktipp des Monats (Gehört – gekauft) empfohlen. Mit Frida Annevik aus Norwegen, Postcards mit libanesischen Wurzeln und dem niederländisch-neuseeländischen Trio My Baby. Möge Sie die Musik in eine erfolgreiche Order begleiten.

Ihr

Markus Oess