Die Sache mit dem Glas

Markus Oess ©FT

Da fragen wir wieder, ist das Glas nun halb voll oder halb leer? Es gab in den letzten Tagen durchaus positive Nachrichten: Der erste Corona-Impfstoff ist da, und das auch noch unter deutscher Beteiligung entwickelt. Die US-Wahlen verhindern eine zweite Amtszeit Donald Trumps und der Wirtschaftseinbruch liegt laut Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen bei 5,1 Prozent. Das ist dramatisch, doch nicht die historische Katastrophe, wie noch während des ersten Lockdowns befürchtet. Und da wären wir bei den negativen Nachrichten. Die Infektionszahlen von Covid-19 steigen weiter und nur ein harter Lockdown führt zu einer effizienten Eindämmung der Pandemie. Mit den hinlänglich bekannten Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft. Der Impfstoff hat eine 90-Prozent Wirksamkeit, aber es ist noch unklar, wie das in der Anwendung aussehen wird, wie lange diese überhaupt anhält. Auch wann so viele Menschen geimpft sein werden, dass wir eine Herdenimmunität erreicht haben, bleibt ungewiss. Der neue Präsident Joe Biden ist nun auch nicht der Heilsbringer der Welt und wird keine Abkehr des „America first“ einläuten – und er hat Anteil an diverse Kriege. Er befürwortet sie auch. Ganz zu schweigen von unzähligen Konflikten auf dieser Welt, die munter und ohne Skrupel von Despoten und Populisten weiter vorangetrieben werden, komme, was da wolle.

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Zurück zur Modebranche: Also halb voll oder halb leer, das Glas? Sicher ist, die Studie von GermanFashion eine gute Nachricht, denn sie attestiert dem stationären Handel eine größere Bedeutung beim Verbraucher als im Vergleich zur digitalen Konkurrenz vermutet. Nur das wird keinen Laden bei einem möglichen neuerlichen harten Lockdown  (und weitere) vor der drohenden Insolvenz retten. Wer in diesen Zeiten taumelt ist, wird in der Krise kaum zu Kräften kommen. Aber Covid-19 kann kaum verantwortlich sein, für strukturelle Schwächen vieler Player, sei es im Handel, sei es in der Industrie. Und dennoch: Die überwiegend große Mehrheit der Unternehmen wird weitermachen können, weil sie hinsichtlich Finanzkraft, Zukunftsfähigkeit und Konzept ihre Hausaufgaben gemacht haben. Und wir sollten nicht vergessen, dass derzeit das größte Hilfsprogramm für die deutsche Wirtschaft angelaufen ist, das wir kennen. Ganz so wie zur Finanzkrise 2008 schon als ein weit schlimmeres Virus, die menschliche Gier, die Welt an den Rand des Abgrundes gebracht hat, an dem wir übrigens in vielerlei Hinsicht immer noch befinden. Die Corona-Pandemie hat gewaltige Folgen und sicher werden auch Unternehmen von diesem Tsunami erfasst, die anders vielleicht weitermachen könnten. Aber es gibt selbst dann die Chance auf einen Neustart. Wo bleiben eigentlich die unternehmerische Kraft, der Gestaltungswille und ja, auch die Zuversicht, die wir jetzt eigentlich so dringend brauchen? Wir haben mit drei jungen Unternehmerinnen gesprochen, von denen wir genau das, Gestaltungswillen und Zuversicht wieder lernen könnten.

Aber natürlich versperren wir nicht den Blick auf die dramatischen Folgen der Corona-Pandemie, berichten über die Lage in Italien und sprechen über den AHA-Effekt in der Mode. Wir zeigen auch Beispiele, wie trotz Krise zumindest stabile Geschäfte gemacht werden können und wir blicken ein wenig auf den Branchenalltag im digitalen Zeitalter mit Curated Shopping und Influencern. Und wir haben uns wieder Zeit genommen für ein Kaltgetränk. Passt dann die Musik, dann ist die Aussicht auf ein halbvolles Glas doch gar nicht so schlecht.

Ihr

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Markus Oess